Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wilhelm Reinwald

Jena 8. Dec. [Sonntag] 99. 

               Lieber Bruder, 

Du wirst mir gern verzeihen, daß ich euch von der Niederkunft meiner Frau und von ihrem unglücklichen Wochenbette so spät Nachricht gebe. Hätte ich vermuthen können, daß ihr durch jemand anders früher davon hören würdet so hätte ich freilich geschrieben, aber ihr solltet nicht ehr Nachricht davon haben, als bis ich etwas tröstliches würde schreiben können. Seit einer Woche ist sie nun gottlob von allen schlimmen Zufällen frei geblieben und wir haben die Reise nach Weimar seit vorgestern glücklich ausgeführt. 

Sie war in den ersten Wochen nach ihrer Niederkunft, welche sehr durch Krämpfe erschwert wurde und wobey sie einen starken Blutsturz hatte, in Lebensgefahr und zwar an einem bösen Nervenfieber, so daß ich einen Tag alle Hofnung verlor – Nachdem das Fieber gefallen war, verfiel sie in einen Zustand des Wahnsinns, wie man ihn nicht selten bei Wöchnerinnen findet, aber dieser war so anhaltend und gieng durch soviele Grade und Gestalten hindurch, daß ich zuweilen ernstlich für ihren Verstand fürchtete und glaubte, das Uebel möchte gar nicht mehr zu heben seyn. In der siebenten Woche aber fieng es an sich zu geben und seit 8 Tagen hat sie ihre Besinnung völlig wieder, auch ihre Kräfte nehmen täglich wieder zu, sie ist heiter und keine Spur des alten Zustands ist mehr übrig. 

Was ich in diesen 6 Wochen ausgestanden könnt ihr euch denken. Ohne meine Schwiegermutter, die die ganze Zeit über da war, hätten meine Kräfte es nicht ausgehalten, denn meine Frau duldete niemand um sich als uns beide, schon der Anblick der Christine machte ihre Zufälle heftiger. Nur die Grießbachin wurde noch von ihr gelitten, und diese hat uns in diesem großen Elend erstaunliche Dienste gethan. Meine Gesundheit ist indeß doch nicht angegriffen worden, ob ich gleich binnen 12 Tagen 5 Nächte in kein Bette kam und auch den Tag über geängstigt wurde. Dem Hofrath Starke haben wir unendlich viel zu danken, denn es gab kein Mittel, das er nicht versuchte und ihre Wiederherstellung ist sicherlich nur durch seine Kunst bewirkt worden.

Das Kleine, eine Tochter, hat sich in dieser traurigen Zeit immer sehr wohl befunden, und uns durch seinen Anblick oft in unsern Leiden getröstet. Denn es ist ein allerliebstes Kind, schön und blühend und wird bei einer gesunden und fröhlich gesinnten Amme, die wir ihm verschafft haben, zusehends stärker. Karlchen und Ernstchen sind auch recht wohl geblieben. 

Meine Frau sagt euch viele Grüße und ist eures Antheils gewiß. Herzlich umarme ich euch 

Dein treuer Bruder 

Schiller.


Bemerkungen

1 Zu S. 120. Z. 10. Jena Schreibfehler statt Weimar.
Nach K. wäre der Brief schon am 6. abgegangen. Vgl. zu Nr. 1523.
Zu S. 121. Z. 5. Christine, ein schwäbisches Mädchen, das bei Schillers diente (näheres über sie in Charlotte Schillers Brief an Cotta vom 26. Febr. 1800); eine Zeit lang diente auch ihre Schwester bei Schillers.
Frau Prof. Griesbach (Friederike Juliane geb. Schütz), der einst so verspottete „Lorbeerkranz“. Vgl. zu Nr. 413, 415. Vgl. auch ihren Brief. Urlichs, Brfe. an Sch. Nr. 232.