Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

W. 10. Dec. [Dienstag] 99. 

Das Stück folgt hier zurück; das beste, was zu seinem Vortheil gesagt werden kann, ist gestern gesagt worden. Je tiefer man in die Handlung hinein kommt, desto schwächer erscheint das Werk. Die Motive sind schwach, zum Theil sehr gemein und plump. Antonius ist gar zu einfältig, und es ergiebt sich aus der Vorrede, daß der Dichter diesen Einwurf voraussah, und sonderbar genug sich durch die Zeugnisse der Geschichte entschuldigt glaubte. Cleopatra ist nur widerwärtig, ohne Größe, selbst Octavia begreift man nicht das Motiv mit den Kindern kommt immer wieder, in jeder Gestalt und muß die Armuth an andern Mitteln ersetzen. 

Es bleibt also bei unserm gestrigen Ausspruch, der rednerische Theil ist brav, der poetische und dramatische ins besondere wollen nicht viel heißen. 

S.


Bemerkungen

1 Um welches Stück es sich handelt, weiß ich nicht. Düntzer denkt an ein handschriftlich eingesandtes Stück. Ich möchte eher an ein Stück des alten englischen Theaters denken, mit dem sich Goethe damals beschäftigte. Vgl. an Sch. vom 6. Dez. 1799.