Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

Weimar 24. Xbr. [Mitttwoch] 1800.

Ich erwarte Sie und Ihre Arbeit mit großem Verlangen, und wünsche Ihnen Glück, daß Sie diese Besogne noch im alten Jahrhundert abthun konnten. Sie haben nun doch dieses verfloßene Jahr sich im dramatischen aller Art produktiv gezeigt und können mit sich zufrieden seyn. 

Hier erwartet Sie die Iphigenia, von der ich alles Gute hoffe; ich war bei der gestrigen Probe, es ist nur noch wenig zu thun. Die Musik ist so himmlisch, daß sie mich selbst in der Probe unter den Possen und Zerstreuungen der Sänger und Sängerinnen zu Thränen gerührt hat. Ich finde auch den dramatischen Gang des Stücks überaus verständig; übrigens bestätigt sich Ihre neuliche Bemerkung, daß der Anklang der Nahmen und Personen an die alte poetische Zeit unwiderstehlich ist. 

Für die Ihrem Brief beigelegte Novität danke ich sehr. Sie hat mich sehr ergötzt, manche Bonmots sind treflich, noch etwas größern Reichthum in Materie und auch in Formen hätte das Werk vertragen können; so wie es jezt ist, übersieht man und erschöpft man es zu leicht, eine endlose unübersehbare Fülle von Wiz und Bosheit sollte es enthalten. Hier habe ich noch nichts davon sprechen hören. 

Burgsdorf ist hier durchgekommen und Sie haben ihn ohne Zweifel jezt auch gesprochen und sich von unsern Freunden in Paris erzählen lassen, die erst im May zu kommen gedenken. 

Ich habe seit Ihrer Abwesenheit meine Tragödie auch um einige bedeutende Schritte vorwärts gebracht, doch liegt immer noch viel vor mir. Mit dem was jetzt in Ordnung gebracht ist bin ich sehr zufrieden und ich hoffe, es soll Ihren Beyfall haben. Das historische ist überwunden, und doch soviel ich urtheilen kann, in seinem möglichsten Umfang benutzt, die Motive sind alle poetisch und größtentheils von der naiven Gattung. 

Diese Tage habe ich einen Roman der Mad. Genlis gelesen und zu meiner großen Verwunderung eine große Geistesverwandtschaft zwischen ihr und unserm Hermes gefunden, so weit es bei dem großen Unterschied der Nation, des Geschlechts und des Standes möglich ist. 

Leben Sie recht wohl, und kehren vergnügt zu uns zurück. 

Sch.


Bemerkungen

1 Zu S. 231. Z. 22. Goethes Arbeit ist der Tancred.
Zu S. 232. Z. 7. Goethe hatte als Novität geschickt: A. W. Schlegels Ehrenpforte u. Triumphbogen für den Theaterpräsidenten von Kotzebue bei seiner gehofften Rückkehr ins Vaterland. Mit Musik. Gedruckt zu Anfange des neuen Jahrhunderts. Zu Z. 15. Die Freunde sind Humboldts.