Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Friedrich Cotta

Weimar, 6. Febr. [Freitag] 1801.

Göthe ist wieder hergestellt und befindet sich recht wohl. Seine gute Natur und die Geschicklichkeit des D. Starke seines Arztes haben ihn gerettet. 

Ich versäume keine Zeit, Ihren Brief wegen der Londner Angelegenheit zu beantworten. Mellisch muß noch kein Wort aus England erfahren haben, denn er erwartete längst die fertig gedruckte Maria, so wie auch ich sie erwartete. Ich kann Ihnen in dieser Sache nicht rathen, lieber Freund. Nach meiner Ueberzeugung müßten Sie den Druck ohne alles Bedenken fortsetzen; denn die Einwendungen gegen die Maria gründen sich sichtbar theils auf Unwissenheit, theils auf niedrige Kabale. Der gute Hüttner, den ich für einen ehrlichen Mann halte, hat selbst kein Urtheil und hat sich von gemeinen Krämermäßig denkenden Buchhändlern und den soidisant Gelehrten, welche diese an der Hand haben, ins Bockshorn jagen lassen. Wie könnte Ihnen Geisweiler die Proposition machen, die er Ihnen that, wenn das Manuscript nicht zu brauchen wäre? Und ein gebildeter gelehrter Engländer, der erst seit wenigen Jahren in Deutschland ist, der alle neue und alte klassische Litteratur aus dem Grunde kennt, sollte seine Muttersprache nicht schrieben können, Er, der mir selbst die schändlichsten Uebersetzungsfehler in den Piccolominis die Coleridge übersezte nachgewiesen hat? Und welche abgeschmackte Meinung, daß es dem Werk zum Präjudiz gereichen könnte, daß es von einem Engländer in Deutschland übersezt ist, der unter des Verfassers Augen gearbeitet hat. Wenn ich zum Beispiel ein englisches Werk in England übersezt, würde man meine Uebersetzung darum in Deutschland nicht lesen? Und wie sollte es ein Vorurtheil gegen das Werk erregen, wenn in der Vorrede gesagt wird, daß man es einem englischen Theater angeboten und keine Antwort erhalten? Man hat ja das Manuscript nicht hingeschickt, sondern nur angefragt, ob man dasselbe ansehen wolle, und Hr. Sheridan, denn an diesen ist geschrieben worden, kann ja ein Werk nicht verurtheilen, das er nicht zu Gesichte bekam, und das er wahrscheinlich darum nicht kaufen wollte, weil er es nach der Herausgabe umsonst haben konnte. Sie sehen aus diesem, wie seicht von den Herren, denen wir unsere Sache in London übergeben haben raisonniert wird. Mir thut in der That leid, daß durch diese Tracasserien eine gute Speculation ganz zu Grunde geht, und der Erfolg wird Ihnen in wenigen Jahren zeigen, daß wir mit der Maria Stuart ein ansehnliches Glück in England hätten machen können. Wenn Sie dem Hrn. v. Mellisch die Sache schreiben, wie sie ist und ihm das Manuscript zurückgeben so wird er auf kein Honorar dringen; die abgedruckten Bogen rathe ich, einstweilen nur liegen zu lassen, denn es könnte leicht geschehen, daß man das Werk doch zu Ende druckte, sobald man das Urtheil eines sachkundigen engelländischen Gelehrten über den Werth der Uebersetzung eingezogen. Sollte aber das Gedruckte Maculatur bleiben, so trage ich, als die unschuldige Veranlassung des Verlustes recht gern die Hälfte desselben mit Ihnen; übrigens finde ich es sonderbar von Hüttnern, daß er den Druck des Werks soweit hat kommen lassen, da er doch soviel Uebles von der Uebersetzung hörte. Machen Sie ihm mit diesem Werk doch ja keine Mühe mehr, da er soviele schon damit gehabt hat. In Geisweilers Vorschlag würden Mellisch und ich nie willigen, weil wir zu erwarten hätten, daß eine fremde grobe Hand das Werk verpfuschte. 

Nun bitte ich Sie, werther Freund, Mellischen bald von der Sache Nachricht zu geben und das Manuscript zurückkommen zu lassen. 

Diese leidige Geschichte hat mich so verdrießlich gemacht, daß ich lieber den ganzen Verlust tragen, als mich noch einmal darüber explizieren möchte. Die Deutsche Maria soll uns wie ich hoffe über diesen Fehlschlag der englischen Speculation trösten; leid sollte mirs wenigstens thun, wenn Sie nur einen Augenblick Ihre Freude an diesem Verlag verlören, den Ihnen zwey andere Buchhandlungen gern entrissen hätten. 

Leben Sie recht wohl lieber Freund. Ihrer lieben Frau die beßten Grüße von unserm Hause. Ganz der Ihrige 

Sch.


Bemerkungen

Empfangs- u. Beantwortungsvermerk:
15. Febr.
16. Febr.

1 Nach K. am 5. abgesandt.
Zum Inhalt vgl. X. u. Hüttners u. Geisweilers Briefe an Cotta vom 6. Januar u. Mitte Januar. AB. S. 417. u. 422. Die Übersetzung erschien nach 1801. Vgl. AB. S. 433.