Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar 16. Nov. [Montag] 1801.

Während daß sich der Winter mit starken Schritten naht und Leib und Seele in seine düstere Nebelluft einwickelt, bin ich froh eine Arbeit gefunden zu haben, die meine Thätigkeit nicht ganz stocken läßt und doch keine große Anforderungen an mich macht. Zunächst bestimmte mich das Bedürfnis unsers Theaters dazu, wir brauchen ein neues Stück, und wo möglich aus einer neuen Region; dazu taugt nun dieses Gozzische Mährchen vollkommen. Ich schreibe es in Jamben, und ob ich gleich an der Handlung selbst nichts zu ändern weiß, so hoffe ich ihm doch durch eine poetische Nachhilfe bei der Ausführung einen höheren Werth zu geben. Es ist mit dem größten Verstand componiert, aber es fehlt ihm an einer gewissen Fülle, an poetischem Leben. Die Figuren sehen wie Marionetten aus, die am Draht bewegt werden; eine gewisse pedantische Steifigkeit herrscht durch das Ganze, die überwunden werden muß. Ich habe also wirklich Gelegenheit, mir einiges Verdienst zu erwerben, und die 6, 7 Wochen, die auf dieses Geschäft gehen mögen, werden nicht verloren seyn. Alsdann hoffe ich mit der gehörigen Lust an den Warbeck gehen zu können. 

Sorge nicht, daß ich den Jamben entsagen werde. Ich würde es thun, wenn ich an Erfindungen zu Theaterstücken fruchtbarer und in der Ausführung behender wäre; denn der Jambe vermehrt die theatralische Wirkung nicht, u: oft geniert er den Ausdruck. Solche Stücke gewinnen oft am meisten, wenn sie nur Skitzen sind. Aber, wie gesagt, ich finde mich zu diesem Fach nicht berufen und weder fähig noch geneigt. Ich will daher meinen alten Weg fortsetzen, und mit meinen dramatischen Herren Collegen nicht um den erbärmlichen Marktpreiß streiten. 

Wir suchen uns hier aufs beste durch den Winter hindurch zu helfen. Göthe hat eine Anzahl harmonirender Freunde zu einem Clubb oder Kränzchen vereinigt, das alle 14 Tage zusammenkommt und soupiert. Es geht recht vergnügt dabei zu, obgleich die Gäste zum Theil sehr heterogen sind, denn der Herzog selbst und die fürstlichen Kinder werden auch eingeladen. Wir laßen uns nicht stören, es wird fleißig gesungen und poculiert. Auch soll dieser Anlaß allerlei lyrische Kleinigkeiten erzeugen, zu denen ich sonst bei meinen größeren Arbeiten niemals kommen würde. Was etwa bei dieser Gelegenheit zu Tage gefördert wird, soll euch, ihr Lieben, warm in die Hände kommen. 

Lebewohl. Wir leben oft in Gedanken unter euch, und ich bin mehr als jemals mit dem Gedanken beschäftigt, nächsten Sommer bei euch zu seyn. Herzliche Grüße an alle 

Dein 

S.


Bemerkungen

1 Zu S. 315. Z. 9. Körner hatte in X. darnach gefragt.