Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar 18. Febr. [Donnerstag] 1802.

Herzlichen Dank für die Melodien; Du hast mich mit der schnellen Erscheinung derselben in der That überrascht. Ich habe sie noch nicht spielen hören, aber unsern Damen sogleich zum Einlernen zugeschickt. Unser Kränzchen ist auf einige Tage verschoben, weil Göthe nicht hier ist, und weil wir den Erbprinzen, der d. 23. von hier abreist, um die große Tour zu machen, zum Abschied noch regalieren wollen. 

Was Du über die Ausfälle gegen die christl. Religion in meinem Gedicht anmerkst, ist gegründet; auch meinte ich vorzüglich diese Stelle, als ich Dir schrieb, daß dem Gedichte noch die lezte Hand fehle. 

Ich habe noch verschiedene andere angefangen, die mir aber ihrem Stoffe nach zu ernsthaft und zu poetisch sind, um bei einer vermischten Societät und bei Tische zu coursieren. Es ist eine erstaunliche Klippe für die Poesie, Gesellschaftslieder zu verfertigen – die Prosa des wirklichen Lebens hängt sich bleischwer an die Phantasie, und man ist immer in Gefahr, in den Ton der FreyMäurerlieder zu fallen, der (mit Erlaubniß zu sagen) der heilloseste von allen ist. So hat Göthe selbst einige platte Sachen bei dieser Gelegenheit ausgehen lassen; wiewohl auch einige sehr glückliche Liedchen mit unterliefen, die aus seiner besten Zeit sind. 

Der Succeß der Johanna beim Churfürsten hat uns großen Spaß gemacht; das hätten wir uns in unsrer Philosophie nicht träumen lassen. 

Ich sende Dir hier einen Brief an unsern Advocaten; es ist von einem Vergleich der Partheien die Rede, welchen das General-Kriegs-Gericht vorschlägt. Du wirst es von Brannasch umständlicher hören. Sei so gut, mit ihm darüber zu sprechen. Wir sind den Vergleich zufrieden und ich habe den Advocaten bevollmächtigt, unter den 2 Arten, die man vorschlug, diejenige zu ergreifen, welche Richtenfeld erwählen wird, wodurch wir mit diesem gemeinschaftliche Sache gegen die Legatarien bekommen. Der Vorschlag ist nehmlich, den ganzen Bestand der Erbschaft von 3800 Thlrn. in 3 Theile zu theilen, davon 1/3 den drei Intestat-Erbinnen, das andere den Legatarien, und das lezte dem Richtenfeld zuzusprechen, welcher bei diesem Arrangement einige 100 Thlr. zu gewinnen hat. Es kommt nun alles darauf an, ob sich die Frau von Benkendorf, welche den meisten Verlust dabei erleidet, dazu verstehen wird. 

Lebewohl. Wir umarmen euch aufs herzlichste.

D. 

Sch.


Bemerkungen

1 Zu S. 354. Z. 3. Vgl. Nr. 1755 u. X. Zu Z. 5. Vgl. Nr. 1764. Zu Z. 10. Die von Schiller geänderte, von Körner in X. getadelte Stelle in seinem Gedicht Der Sänger (Die vier Weltalter) ist in ihrem ursprünglichen Wortlaut nicht bekannt. Zu Z. 25. Der Kurfürst hatte geäußert, noch kein Stück hätte auf ihn eine sensation aussi profonde gemacht. Zu Z. 28. Vgl. Nr. 1763.