Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar, 5. Jul. [Montag] 1802.

Indem Du mich, meines langen Stillschweigens halber, tief in der Arbeit sitzend glaubtest, habe ich mich hier, mit der ganzen Familie, an einem krampfigen Husten, der bei meinem Ernst ein böser Keichhusten war, recht miserabel befunden, und bin noch nicht ganz hergestellt. Es ruht ein wahrer Unstern über diesem Jahr, daß alle Plagen abwechselnd auf uns hereinstürmen, und uns nicht zur Besinnung kommen lassen. Dabei stockt meine ganze Thätigkeit, da ich ohnehin schon Mühe genug hatte, mich von den Zerstreuungen des Auszugs, des Baues in meinem neuen Hause und hundert andern Widerwärtigkeiten zu sammeln.

Unter diesen Umständen kann ich mir freilich keine Hoffnung machen, Euch dieses Jahr zu sehen, denn ich muß alles Mögliche anwenden, um endlich in eine suivirte Arbeit zu kommen; auch erlauben es die Finanzen nicht, da ich etliche 100 Thaler mehr in mein Haus verwenden mußte, als ich gerechnet hatte1. Nächstes Jahr soll es, hoffe ich, anders um uns stehen, und da wollen wir das Versäumte hereinbringen. 

Mich freut, daß Du mit dem Taucher von Zelter so zufrieden bist. Mir ist auch nicht leicht etwas Musikalisches vorgekommen, das in seiner Gattung so trefflich wäre. 

Mit dem Alarkos hat sich Goethe allerdings compromittirt; es ist seine Krankheit, sich der Schlegels anzunehmen, über die er doch selbst bitterlich schimpft und schmählt. Das Stück ist aber hier nur einmal, und völlig ohne allen Beifall gegeben worden. Die Intention des Stücks wäre wirklich zu loben, wenn die Manier in der Ausführung nicht so widerwärtig wäre. 

Der Jon von Wilhelm Schlegel ist schon deswegen genießbarer, weil er auf das Stück des Euripides gebaut ist, dem er im Ganzen, und oft auch wörtlich im Einzelnen folgt. Dieses Stück enthält wirklich manches Geistreiche und schön Gesagte, aber die Schlegelsche Natur schimmert dann wieder sehr zum Nachtheil hindurch. Der Jon selbst hat an Interesse verloren, die Mutter hingegen hat hier und da gewonnen. Diese hat auch auf der Bühne das Stück getragen. 

Lebe wohl. Ich bin noch nicht fähig, viel zu schreiben. Herzlich umarmen wir Euch. 

Dein 

Sch.


1 Schiller hatte 4200 Thlr. für das Haus bezahlt. Kal. 124. ­


Bemerkungen

1 Zu S. 400. Z. 19. Zum Ausdruck hereinbringen vgl. zu Nr. 112.