Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar, 15. Nov. [Montag] 1802.

Es wird bloß auf Deinen eigenen Fließ ankommen, das Project, von dem Du schreibst, zu realisiren; einer vorläufigen Unterhandlung bedarf es gar nicht. Wie das Mscrpt. zu einem Bande bereit liegt, so soll es gedruckt und bezahlt werden. Auf diesem Fuß bin ich mit Cotta; und da ich an diesem Unternehmen selbst Antheil nehmen kann und will, so brauche ich gar keine Complimente mit ihm zu machen. Weil er aber mein Freund ist, auch bei Werken der Kritik und des Raisonnements nie ein großer Absatz zu erwarten, so kann ich nicht mehr als 2 Carolin für den Bogen von ihm nehmen, bis wir sehen, wie es mit dem Absatz geht. Durch den unglückseligen Gang der Propyläen, von denen nur 300 Exemplare abzusetzen waren, ist er ein wenig eingeschüchtert worden. Glaubst Du von einem andern Buchhändler mehr erhalten zu können, so will ich gern die Unterhandlung für Dich übernehmen; aber ich dürfte alsdann nicht mit an dem Werke arbeiten, weil ich dem Cotta dieses auf seine dringenden Bitten endlich habe zusagen müssen. 

Sei außer Sorgen, daß ich Dich, wenn es zum Treffen kommen sollte, mit meinen Beiträgen stecken lassen werde. Ich weiß, daß Dir an der Ausführung dieses Plans liegt, und das ist mir genug; eine ernsthafte Sache kann ich auch ernsthaft behandeln, und Du sollst mit mir zufrieden seyn. Auch ist das, was ich fürs Erste dazu bestimme, glücklicherweise schon gefunden und von einer solchen Beschaffenheit, daß es in einer fleißigen Woche fertig werden kann. Mehr davon ein andermal. 

Ich erwarte nun mit Sehnsucht die Abschließung der Entschädigungssache in Regensburg, wovon auch meine Finanzen künftig abhängen werden. Der Churfürst von Aschaffenburg1 hat sein altes Engagement gegen mich erneuert, und ich werde gewiß etwas erhalten, sowie er nur erst selbst etwas hat. Seine Sachen sind aber noch ganz leidlich gegangen, und er kann als Privatmann noch viel thun, wenn er auch jetzt als Fürst nicht mehr soviel bedeutet. Nothwendig brauche ich auch diesen Succours, da die kahle Ehre, die mir von Wien erwiesen wird2, mir künftig einigen Aufwand verursacht, auf den nicht gerechnet war.

Die Hauptsache ist der Fleiß; denn dieser giebt nicht nur die Mittel des Lebens, sondern er giebt ihm auch seinen alleinigen Werth. Ich habe seit 6 Wochen mit Eifer und mit Succeß, wie ich denke, gearbeitet. Von der Braut zu Messina sind 1500 Verse bereits fertig. Die ganz neue Form hat auch mich verjüngt, oder vielmehr das Antikere hat mich selbst alterthümlicher gemacht; denn die wahre Jugend ist doch in der alten Zeit. Sollte es mir gelingen, einen historischen Stoff, wie etwa den Tell, in diesem Geist aufzufassen, wie mein jetziges Stück geschrieben ist, und auch viel leichter geschrieben werden konnte, so würde ich alles geleistet zu haben glauben, was billiger Weise jetzt gefodert werden kann. 

Ich werde Dir mit erstem Postwagen Memoires und Floras zusenden, was ich habhaft werden kann. Du wirst bald wünschen, diesen Segen wieder los zu seyn. Aber einen interessanten Artikel will ich beilegen, 4 Stücke vom Aeschylus, welche Friedrich Stolberg noch in seiner guten Zeit übersetzt und jetzt erst herausgegeben hat. Sie lassen sich recht brav lesen, und ich muß gestehen, daß mich seit vielen Jahren nichts so mit Respect durchdrungen hat, als diese hochpoetischen Werke.

Mit Deiner Entscheidung wegen des Processes sind wir vollkommen zufrieden. 

Ich lege Goethens Neuestes3 bei, das Ihr behalten könnt. Es hat treffliche Stellen, die aber auf einen platten Dialog, wie Sterne auf einem Bettlermantel gestickt sind. – In der theatralischen Vorstellung nimmt sichs ganz gut aus, bis auf die allegorischen Knoten, die ein unglücklicher Einfall sind. 

Lebe recht wohl. Herzlich umarmen wir Euch alle.

Dein 

Sch.


1 Der frühere Coadjutor Dalberg, später Fürst Primas.
2 Schiller war unterm 7. Sept. geadelt. Vgl. Wurzbach, Schillerbuch (Wien 1859) S. 228 ff. Nr. 2401-2407, wo die Acten über diese Nobilitirung aus dem Wiener Archive vollständig mitgetheilt sind.
3 Was wir bringen. Vorspiel, bei Eröffnung des neuen Schauspielhauses zu Lauchstädt. (Tübingen 1802). Am 25. Sept. 1802 war auch das Weimarer Theater damit wieder eröffnet.


Bemerkungen

1 Das Original habe ich nach dem Abdruck verglichen. Verzeichne folgende Varianten:
S. 426. Z. 23. project – realisieren. Z. 24. Mscrpt. Z. 26. Cotta. Z. 27. u. will. Z. 28. Complimente. Z. 29. Critik u. das Raisonnement.
S. 427. Z. 1. Carolin. Z. 3. propylaeen – Exemplare. Z. 7. Cotta. Z. 11. liegt und. Z. 14. fürs erste. z. 18. Regenspurg. Z. 20. Engagement. Z. 24. Succurs. Z. 25. Ehre die. Z. 32. antikere.
S. 428. Z. 5. Memoires u. Floras. Z. 9. übersezt und jezt. Z. 11. Respect. Z. 12. hochpoetischen. Z. 15. ihr.
Zu S. 426. Z. 23. Körners Projekt zu einer periodischen Schrift unter dem Titel: Annalen der Dichtkunst habe ich in der Zeitschrift f. Deutsch-Altert., Neue Folge XIII. S. 92 veröffentlicht.
Zu S. 427. Z. 14. Was Schiller für Körners, übrigens nicht zu stande gekommene Zeitschrift bestimmt hatte, weiß ich nicht. Man könnte vielleicht an eine Abhandlung über den Chor im Anschluß an seine Braut v. Messina denken. Zu Z. 25. Die Ehre der Erhebung in den Adelstand.
Zu S. 428. Z. 5. Minna hatte um die Flora bitten lassen. Zu Z. 15. Goethes Vorspiel: Was wir bringen.