Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar 7. Jan. [Freitag] 1803.

Du hast mir dießmal zuviel zugetraut, wenn Du glaubtest, daß ich so bald mit meinem Werk fertig seyn würde. Bei mir geht es so rasch nicht, weil ich gar zu oft durch meine unstäte Gesundheit und Schlaflosigkeit unterbrochen werde, und wegen zerstörten Kopfs oft Wochenlang pausieren muß. Demohngeachtet bin ich nicht weit mehr vom Ziele, und denke in den ersten Tagen des Februars fertig zu seyn. Das Stück ist von der Länge eines gewöhnlichen FünfActenStücks, und wenn ich bedenke, daß ich seit der Mitte Augusts erst an die Ausführung gegangen bin, so bin ich noch immer mit meinem Fleiße zufrieden. 

Für das Theater möchte es aber keine Speculation seyn, und am wenigsten für das eurige, weil man da aufs Poetische gar nicht eingerichtet ist. Die Handlung wird zwar theatralisch genug seyn, aber die Ausführung ist durchaus zu lyrisch für den gemeinen Zweck, und, ich darf mit gutem Gewissen hinzusetzen, für das Talent gemeiner Schauspieler zu antik. Doch Du wirst dieses selbst beurtheilen wenn ich Dir das fertige Mscrpt schicke, und je nachdem Du es findest, wollen wir uns mit Opitz einlassen oder nicht. 

Ich weiß nicht ob ich Dir zu Deiner übernommenen theatralischen Bemühung glückwünschen soll. Je besser Du es zu machen glaubst, desto schlechter wird man Dirs danken, und am Ende für alle Deine Mühe wird Deine Belohnung seyn, daß sie Dir bei der Vorstellung die Idee des ganzen Gedichts zerstören. Es ist eine böse Aufgabe, für dieses Lumpenpack zu arbeiten. 

Du hast mir noch nichts von dem Aeschylus geschrieben, den ich Dir überschickt. Ich wünschte, daß er auf Dich dieselbe Wirkung möchte gemacht haben wie auf mich, denn noch nichts hat mir eine so ächt poetische und hohe Stimmung gegeben. Wenn Du ihn nicht mehr brauchst, so sende mir ihn wieder. 

Hat Minna das Paradies der Liebe gelesen, das in Ungers Journal der Romane steht1? Es ist ein possierliches Product; ich kann es euch schicken. Der Verfasser ist ein Engländer, der sich jetzt hier aufhält, und der das Werk zuerst ins Deutsche übersetzt herausgab, eh er das Original wollte drucken lassen. Er kündigt der Ehe den Krieg an und trägt alles auf Einen Haufen, was sich dagegen sagen läßt. Sein eignes persönliches Interesse, weil er ein MaltheserRitter und dabey ein häßlicher Affe ist, giebt den Schlüssel zu der Sache. Das Sujet, in der Form des Candide bearbeitet, hätte sehr glücklich ausfallen können; und auch so ist es, bei aller Rohheit, nicht ohne Interesse u. Verdienst.

Zum neuen Jahre sagen wir euch unsre herzlichsten Grüße. Möge uns dieses Jahr wieder vereinigen. 

Notire mir doch, welche Bände der Memoires Dir noch fehlen. 

Dein 

Sch.


1 Bd. VI-IX.


Bemerkungen

1 Nach K. abgesandt d. 10. Januar 1803.
X. Vom 31. Dezember 1802 (eingetr. d. 4. Januar 1803). Z. Vom 18. Januar (eingetr. d. 20.).
Zu S. 1. Z. 4. Das Werk ist die Braut von Messina. Zu Z. 23. Körner hatte den Wallenstein für das Dresdener Theater bearbeitet in 6 Akten. Vgl. X.
Zu S. 2. Z. 3. Vgl. Nr. 1833. Gemeint ist Stolbergs Aeschylus. Zu Z. 10. Der Verfasser des Paradieses der Liebe war Lawrence. Vgl. über ihn Gödeke, Geschftsbrfe. 245. Wolzogen, Nachlaß II. 208 u. Urlichs, Charlotte v. Schiller I. 457.