Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar 10. März [Donnerstag] 1803.

Dein Karl wird, wie wir hoffen, jetzt wieder ganz hergestellt seyn, und Ihr alle euch außer Sorge befinden. Ich wünschte euch nur einen recht guten Arzt, da man einmal ohne diese Hausplage nicht leben kann. Frage den Deinigen, ob die Emma nicht die Eselsmilch trinken sollte. Es haben sie hier viele schwächliche Personen gebraucht und mit gutem Erfolge; auch mir ist sie vorigen Sommer wohl bekommen. Es ist die feinste animalische Bereitung der Kräuter und man glaubt eine Pflanzenmilch zu schmecken. In eurem Weinberge könnte sich ein solches Thier recht gut halten lassen, und Minna selbst könnte wahrscheinlich diese Cur auch mit Erfolg gebrauchen. 

Was Du über mein Werk schreibst, musste mich sehr freuen, weil ich gerade das hinein legen wollte, was Du Dir aus dem Werke heraus nahmst. Wegen des Chors bemerke ich noch, dass ich in ihm einen doppelten Charakter darzustellen hatte, einen allgemein menschlichen nehmlich, wenn er sich im Zustand der ruhigen Reflexion befindet, und einen specifischen, wenn er in Leidenschaft geräth und zur handelnden Person wird. In der ersten Qualität ist er gleichsam außer dem Stück und bezieht sich also mehr auf den Zuschauer. Er hat, als solcher, eine Ueberlegenheit über die handelnden Personen, aber bloß diejenige, welche der ruhige über den passionierten hat, er steht am sichern Ufer, wenn das Schiff mit d. Wellen kämpft. In der zweiten Qualität, als selbsthandelnde Person, soll er die ganze Blindheit, Beschränktheit, dumpfe Leidenschaftlichkeit der Masse darstellen, und so hilft er die Hauptfiguren herausheben. 

Das Ideencostüme, das ich mir erlaubte, hat dadurch seine Rechtfertigung, daß die Handlung nach Messina versezt ist, wo sich Christenthum, Griechische Mythologie und Mahomedanismus wirklich begegnet und vermischt haben. Das Christenthum war zwar die Basis und die herrschende Religion; aber das griechische Fabelwesen wirkte noch in der Sprache, in den alten Denkmälern in dem Anblick der Städte selbst, welche von Griechen gegründet waren, lebendig fort, und der Mährchenglaube, sowie das Zauberwesen schloß sich an die Maurische Religion an. Die Vermischung dieser drey Mythologien, die sonst den Charakter aufheben würde, wird also hier selbst zum Charakter. Auch ist sie vorzüglich in den Chor gelegt, welcher einheimisch und ein lebendiges Gefäß der Tradition ist. 

Was Du in Vorschlag bringst, um den Chor auf dem Theater darzustellen, wird hier wirklich in Ausübung gebracht werden, und nach einer einzig Leseprobe zu urtheilen, verspreche ich mir vielen Succeß. Sende mir das Exemplar zurück, ich will Dir dafür das TheaterExemplar zuschicken. 

An Opitz schicke ich das Stück nicht. Das hiesige Theater wünscht damit in Lauchstädt als mit einer Novität aufzutreten und bat mich, es für Leipzig solang zurückzuhalten; wofür es mir das Honorar vergütet. Weil es doch ohnehin von Opitz schlecht executiert werden würde, so bin ich wohl zufrieden, daß der erste Eindruck an jenen Orten durch das Lesen geschieht. 

Lebe recht wohl und laß mich bald hören, daß sich alles bei Dir wieder wohl befindet. Wir helfen uns auch nur so mit Noth durch diese harte Jahreszeit hindurch, zwischen Wohlseyn und Krankseyn, ob ich mich gleich im ganzen ziemlich wohl befinde. Aufs herzlichste umarmen wir euch. 

Dein 

Sch.


Bemerkungen

1 Zu S. 23. Z. 26. Karl (d. i. Theodor) Körner war ernstlich erkrankt, so daß die Eltern erst ein Nervenfieber befürchtet hatten. In Z. meldete Körner, daß seine beiden Kinder, wie sich ergeben hätte, das Scharlachfieber überstanden hätten.
Zu S. 25. Z. 1. Körners Vorschlag ging dahin, nur einzelne im Namen des Chors sprechen zu lassen bis auf einzelne Sätze, wo der ganze Chor einfiele.