Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Friedrich von Hoven

Weimar 21. April [Donnerstag] 1803.

Aus der Beilage ersiehst Du, liebster Freund, wie Deine Sache steht. Wahrscheinlich wird nun binnen 14 Tagen eine officielle Vocation an Dich ergehen, und ich wünsche, daß Du sie ohne irgend eine Schwierigkeit zu machen annehmen mögest. 

Hundert Carolin kannst Du gleich im ersten Jahre als Honorar verdienen, wenn Du halbjährig 2 Collegia liesest und im Durchschnitt nur 20 bezahlende Zuhörer in jedem zählst. Gewinnst Du vielen Zulauf, so kann sich diese Summe gleich im nächsten Jahre verdoppeln. Auch die Praxis, so wie die Schrifstellerei, welche Dir durch academische Thätigkeit um vieles erleichtert und auch lucratifer gemacht wird, sind Quellen des Erwerbs, welche nicht fehlen können. Der Eintritt in die Facultät selbst kann Dir bei der ersten Vacanz (denn keiner wird über die bestimmte Zahl in die Facultät genommen) nicht fehlen, sobald Du als academischer Lehrer Beyfall hast, und alsdann vermehrt sich Deine Besoldung durch den Ertrag der Doctorpromotionen um mehr als das doppelte. – Eine Expectanz auf den Eintritt in die Facultät wird aber nicht gegeben, Du würdest also, wenn Du diese Bedingung machtest, Deine Sache nur aufhalten, ja vielleicht ganz zum Stocken bringen. 

Deine Plane nach Russland bleiben Dir nicht nur noch immer offen, wenn Du auch hieher gehst, denn Du verpflichtest Dich ja nicht mehr als Himly auch gethan hat; Du kannst jene Plane vielmehr noch weit sicherer realisieren, wenn Du erst auf einer so angesehenen Universität gewesen bist. Denn die Vocationen finden einen viel schwerer in einem practischen Amt wie etwa ein Physicat ist, als auf einem academischen Lehrstuhl. Du müßtest also schon deßwegen, wenn selbst Deine Jenaischen Aufsichten weit weniger vortheilhaft wären, diese Gelegenheit mit beiden Händen ergreifen, weil sie eine entscheidende Stufe zu einem besseren Platze ist. 

Examiniert wird kein Professor, aber man erwartet, daß Du selbst bei vorfallenden Gelegenheiten als Examinator werdest zu brauchen seyn, welches Loder eigentlich damit sagen wollte, daß er von seinem künftigen Collega gute Schulkenntnisse fordert, denn das Examinieren geschieht in lateinischer Sprache. 

Kannst Du vor Johannis noch eine Vorlesung hier anfangen, so gewinnst Du dadurch sehr. Man rechnet gewöhnlich als Mittelzahl 5 Stunden wöchentlich zu einem Collegio. Wenn Du also in Mitte des Sommers eintrittst, folglich 4 Wochen später, als die Collegien angehen, so kannst Du dennoch mit einem Pensum fertig werden, wenn Du nur wöchentlich 2 Stunden mehr dazu nimmst. Ehe Du also den Sommer hingehen lässest, wollte ich lieber raten, Du reistest 4 Wochen früher ab, und ließest die Familie nachkommen, denn es kommt Dir an Geld reichlich herein, und alles liegt daran, Dich so schnell als möglich in Besitz zu setzen. 

Jetzt lebewohl und mögen gute Geister Deinen Entschluß regieren. Herzlich umarmen wir Dich und die Deinigen 

Dein treuer Freund 

Sch. 

Die Schachtel an meine Schwägerin ist angekommen. Sie wird selbst schreiben.


Bemerkungen

1 Nach K. abgesandt d. 22. April.
Z. kam 30. April. Urlichs, Brfe. an Sch. Nr. 374.
Zu S. 32. Z. 3. Die Beilage, ein Brief von Loder vom 20. April, ist in B. abgedruckt.