Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Charlotte von Schiller

Weimar 10. Octobr [Montag] 1803.

Wenn die Chere Mere 10 Tage länger hier geblieben wäre, so hätte Sie, zwar kein goldenes Würstchen, aber doch das Aequivalent davon ankommen sehen, das ich diesen Vormittag erhalte. Dießmal sind es Wienerische Bankzettel, die nach Abzug des darauf zu erleidenden Verlustes (denn von jedem 100 gehen 27 verloren) etwa 100 Carolin betragen können, wenigstens in Wien soviel gelten. Der Schatz hat uns also doch in gutem Gedächtniß, nur will er, wie es scheint, seinen eigenen Weg einschlagen und sich an nichts bestimmtes binden. Auch das ist gut, daß wir nun das Mittel gefunden haben, ihn an uns zu erinnern, und daran wollen wir es künftig nicht fehlen lassen, so oft es etwas an ihn zu schicken giebt. 

Liebchen wird bei der Chere Mere sich recht wohl befinden, und die Ruhe von einigen Monaten wird auch Dir wohl thun, daher ich das gute Mäuschen gern so lange entbehre, wenns der Chere Mere Vergnügen macht. 

Wir befinden uns wohl, nur Karl leidet an seinen Würmern und hat einen Husten der ihn zu Hause einsperrt. Es ist derselbe Husten, mit dem krampfhaften Reiz, den er schon oft gehabt, ich lasse ihn heute etwas dagegen brauchen. Carolinchen ist sehr vergnügt und lobt mich an einem fort, dass ich sein höfliches Hofrätchen sey. Auch Ernstchen ist wohl auf und meint aber, die Mama könnte wohl auch wieder kommen. 

Ich war gestern am Hofe, wo ich die Stein sah und recht gesund gefunden. 

Die Brachmann habe ich in Jena einmal in großer Gesellschaft gesehen und dieses schreckliche Abentheuer mit Noth, aber doch glücklich überstanden. Freilich habe ich sie mit kaltem Waßer begossen heimgeschickt, sie wird mich nicht loben, aber ich konnte mir nicht anders helfen, denn um jeden Preiss mußte ich mir dieses Gespenst vom Halse schaffen. 

Sonst ist hier nichts besondres vorgefallen, Becker hat die Mad. Miller geheirathet. Die Fritschin ist nicht mit nach Dresden, weil sie schwanger ist und der Doctor es nicht erlaubte. Fritsch wird mit d alten Gore von Dresden zurückkommen und Einsiedeln dort bei der Herzogin lassen. 

Bleibe gesund liebes Herz, grüße die Chere Mere recht schön und auch Gleichens. Sage dem Kleinen, daß ich mich ihres Muths freue und an ihrem Zustand den innigsten Antheil nehme. 

Dein 

Sch. 

[Adresse:]
       an Frau von Schiller
   gebohrne von Lengefeld
                                  in
   frey.                             Rudolstadt.


Bemerkungen

1 Zu S. 84. Z. 14. Der Schatz ist Karl v. Dalberg, der Schiller öfters ein Ehrengeschenk sandte. In K. heißt es unter dem 10.: „Anonym aus Regensburg mit Bancozetteln à 620 Rthlr.“ Ein Brief von ihm vom 29. Sept. (eingetr. d. 5. Okt. K. Archichancelier) bei Urlichs, Brfe. an Sch. Nr. 395. Da heißt es: „Erhaben und unaussprechlich schön ist ihr Rudolf von Habsburg.“ Zu Z. 20. Liebchen ist die kleine Tochter Caroline. Sie sollte Ende des Monats auf einige Zeit zur Großmutter nach Rudolstadt.
Zu Z. 3. In K. steht unter dem 30. Sept.: „War Luise Brachmann hier.“ Zu Z. 9. Der Schauspieler Heinrich Becker hatte am 7. Oktober Frau Amalie Müller geb. Malcolmi geheiratet. Zu Z. 12. Charles Gore ein reicher englischer Kaufmann, der 1791 nach Weimar zog u. dort 1807 gestorben ist. Zu Z. 15. Das Kleine ist Frau v. Gleichen geb. v. Holleben, die am 28. Nov. 1803 ihren Sohn Adalbert, Schs. späteren Schwiegersohn, gebor. Sch. wurde auch sein Pate.
Zu S. 86. Z. 14. G. = Goethe. Z. 22. Rudolph ist Schillers Diener. Zu Z. 27. Die Schwester des Fürsten zu Rudolstadt. Zu Z. 28. Christel ist Christiane von Wurmb.