Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

[Weimar, 24. Januar. Montag. 1805.]

Ich schicke Ihnen einstweilen zurück, was ich von dem Rameau durchlesen, der Rest soll morgen nachfolgen. Es ist sehr wenig, was ich dabei zu notieren gefunden, und manches mag darunter seyn, was auch nur Mir auffiel. 

Ich habe acht gegeben, ob die Uebersetzung des französischen Vous durch das Ihr nicht hie und da eine Ungeschicklichkeit haben könnte, aber ich habe nichts der Art bemerkt. Es war auf jeden Fall besser als sich des Sie zu bedienen. 

Im Punkt der Dezenz wüßte ich nicht viel zu erinnern. Allenfalls könnte man sich bei den unanständigen Worten mit den Anfangsbuchstaben begnügen und dadurch dem Wohlstand seine Verbeugung machen, ohne die Sache aufzuopfern. 

In meinem Hause sieht es noch wie im Lazareth aus, doch vertröstet uns der Doctor daß es mit dem Kleinen nichts zu bedeuten habe. 

Nehmen Sie sich vielleicht der Phaedra ein wenig an? In den einzelnen Rollen meine ich; besonders möchte nöthig seyn, dem Hippolyt auf die rechte Spur zu helfen. Er hatte, als er neulich las, allzuviel Heftigkeit in seiner Declamation, bis er mit Kraft und Pathos verwechselt. 

Leben Sie recht wohl und mögen Sie uns bald wieder als ein guter Geist erscheinen. 

S. 

[Adresse:]
   HE. Geh. Rath
      v. Goethe
      Exzellenz.


Bemerkungen

1 S. 209. Z. 2. Lies: 24. Januar. Donnerstag.
Zu S. 209. z. 21. Am 20. Jan. war nach K. Leseprobe gewesen.