Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Wolfgang von Goethe

[Weimar, 28. Febr. Montag. 1805.]

Mit wahren Vergnügen habe ich die Reihe der ästhetischen Recensionen gelesen, die ihren Urheber nicht verkennen lassen. Wenn Sie Sich auch nur Stoß- und Ruckweise zu einem solchen Critischen Spaziergang entschließen können, so werden Sie dadurch die gute Sache überhaupt und das Beste der Jenaischen Zeitung insbesondere nicht wenig befördern. Gerade dieses schöpferische Construieren der Werke und der Köpfe und dieses treffende Hinweisen auf die Wirkungspunkte fehlt in allen Critiken und ist doch das einzige was zu etwas führen kann. Die Recensionen sind zugleich in einem behaglichen und heitern Ton geschrieben, der sich auf die angenehmste Art mittheilt. Möchten Sie in eben diesem Sinn und Ton Kotzebues Stücke vornehmen; es würde Ihnen nur die Mühe des Dictierens kosten und gewiß zu nicht weniger glücklichen Saillies Anlaß geben als der Nürnb. Philister mit Bewußtsein ist. 

Sonntags frühe möchte ich wohl in einer reinen und hochdeutschen Dichtersprache lesen, weil die Mundart, wenigstens beim Lesen, immer etwas störendes hat. Das Gedicht ist ganz vortreflich und von unwiderstehlichem Reiz. 

Ich danke für Winckelmanns Briefe. Die Lecture kommt mir eben recht, um meine Reconvaleszenz zu befördern. Es geht noch immer zum Bessern und ich denke nächstens die Luft zu versuchen. 

Wollten Sie mir wohl Schlözers Nestor verschaffen oder nur wissen lassen, wo ich ihn bekommen kann. 

Fahren Sie fort sich immer mehr zu erheitern und zu stärken. Vielleicht wenn der Wind sich legt, wage ich mich morgen heraus und besuche Sie. 

S. 

Müllers academische Vorlesung hat etwas kümmerliches und mageres und verräth den Sand auf dem sie gewachsen. Da dieser Historiograph von Preußen doch schwerlich jemals in den Fall kommen wird, eine Geschichte dieser Monarchie zu schreiben, so hätte er bei dieser ersten und lezten Gelegenheit etwas recht geistreiches und gehaltreiches sagen sollen und können; dann hätte der gute Deutsche ewig bedauert, daß man von einer so vortrefflichen Hand nicht das Ganze erhalten.


Bemerkungen

1 S. 216. Z. 6. Lies: 28. Febr. Donnerstag. Z. 26. B. Die Lektüre.
Zu S. 216. Z. 8. Goethe hatte „ein tüchtiges Bündel Litteraturzeitungen und Winkelmanniana“ geschickt. Zu Z. 21. Der Dialektdichter Grübel. Zu Z. 22. Sonntagsfrühe von Hebel. Zu Z. 30. Nestor, ein russischer Chronist, den Schlözer in seinen Russischen Annalen übersetzte.
Zu S. 217. Z. 5. Müllers Vorlesung über die Gesch. Friedrichs II. in der Berliner Akademie am 24. Jan. 1805.