Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Friedrich Schiller an Gottfried Körner

Weimar 5. März [Sonnabend] 1805.

Herzlichen Dank für Deinen Brief, den ich kaum erwarten durfte, da ich solange nicht schrieb. Die verwünschte Schnupfenepidemie, die überall herumgeht, hat mich noch recht tüchtig gepackt, und ich habe 14 Tage recht krank gelegen und immer über den dritten Tag einen Fieberparoxysmus gehabt, der oft sehr heftig war. Gottlob, es ist jezt vorbei, u ich bin schneller als ich hoffen konnte wieder zu Kräften, so daß ich auch wieder frisch zu arbeiten angefangen. In keinem Winter habe ich noch soviel ausgestanden als in diesem, und noch so wenig gethan. 

Ich freue mich, daß Du Iffland einmal gesehn hast. In komischen Rollen ist er Meister, und es war ihm sehr günstig, daß bei euch die Comödien und Conversazionsstücke an der Tagesordnung sind.

Ich glaube mit Dir, daß sich die Glocke recht gut zu einer musikalischen Darstellung qualifizierte, aber dann müßte man auch wissen was man will, und nicht ins Gelag hinein schmieren. Dem Meister Glockengießer muß ein kräftiger biederer Charakter gegeben werden, der das ganze trägt und zusammenhält. Die Musik darf nie Worte mahlen und sich mit kleinlichen Spielereien abgeben, sondern muß nur dem Geist der Poesie im Ganzen folgen. Ich danke Gott, daß ich diese Musik (von der ich hier ein Morceau gehört habe) und diese Darstellung durch Opitz und die Hartwig nicht habe mit anhören müssen. 

Die Abschrift der Phaedra habe ich Dir noch immer nicht senden können. Ich wollte, eh ich eine ordentliche Copie davon machen ließ, noch eine strenge Correctur, besonders was die Versification betrift, damit vornehmen, u: bin durch meine Krankheit an dieser verhindert worden. Jezt da ich mich besser befinde, habe ich meine Zeit besser zu nutzen geglaubt, wenn ich an meine Hauptarbeit gienge, und so ist denn die Phaedra zurückgelegt worden; das einzige reinliche Exemplar davon, das ich Dir hätte schicken können, liegt beim Herzog1, und ich muß erwarten, bis ich es zurückerhalte. 

Du hast doch die Memoires von Marmontel2, die in 4 Bänden erschienen sind gelesen? Wenn es noch nicht geschehen so eile ja sie Dir zu verschaffen. Sie werden Dich sehr interessieren, da sie ein halbes Jahrhundert und mehr der französ. Litteratur umfassen, u: selbst über die Revolution helle Blicke eröffnen. 

Wir umarmen euch alle herzlich. Grüße Geßlern aufs beste. 

Dein 

Sch.


1 Ein Brief des Herzogs vom 29. Jan. 1805 in Carl Augusts Anknüpfen m. Sch. Nr. 13.
2 Vgl. Goethe-Schiller-Briefw. Nr. 977, 978.


Bemerkungen

1 Abgesandt nach K. d. 7. März.
X. Vom 25. Febr. (eingetr. d. 1. März). Z. Vom 17. April (fehlt in K.).
S. 219. Z. 2. Lies: 5. März [Dienstag].
Zu S. 219. Z. 16. Vgl. zu der Aufführung der Glocke in Dresden X.