Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Die Blumen

 

Kinder der verjüngten Sonne,
  Blumen der geschmückten Flur,
Euch erzog zu Lust und Wonne,
  Ja, euch liebte die Natur.
Schön das Kleid mit Licht gesticket,
Schön hat Flora euch geschmücket
  Mit der Farben Götterpracht.
Holde Frühlingskinder, klaget,
S e e l e hat sie euch versaget
  Und ihr selber wohnt in Nacht.

Nachtigall und Lerche singen
  Euch der Liebe selig Los,
Gaukelnde Sylphiden schwingen
  Buhlend sich auf eurem Schoß.
Wölbte eures Kelches Krone
Nicht die Tochter der Dione
  Schwellend zu der Liebe Pfuhl?
Zarte Frühlingskinder weinet!
L i e b e hat sie euch verneinet,
  Euch das selige Gefühl.

Aber hat aus Nannys Blicken
  Mich der Mutter Spruch verbannt,
Wenn euch meine Hände pflücken
  Ihr zum zarten Liebespfand?
Leben, Sprache, Seelen, Herzen,
Stumme Boten süßer Schmerzen,
  Goss euch dies Berühren ein,
Und der mächtigste der Götter
Schließt in eure stillen Blätter
  Seine hohe Gottheit ein.

 


 

Überarbeitet von Jürgen Kühnle auf Basis folgender Quellen:

  1. Gedichte von Friedrich Schiller. Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig, 1804. Seite 4-47. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.
  2. Friedrich von Schillers sämmtliche Werke. Erster und Zweiter Band. J.G. Cotta’sche Buchhandlung. 1812. Seite 4-46. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.