Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Breite und Tiefe

 

Es glänzen viele in der Welt,
Sie wissen von allem zu sagen,
Und wo was reizet, und wo was gefüllt,
Man kann es bei ihnen erfragen.
Man dächte, hört man sie reden laut,
Sie hätten wirklich erobert die Braut.

Doch gehn sie aus der Welt ganz still,
Ihr Leben war verloren.
Wer etwas Treffliches leisten will,
Hätt’ gern was Großes geboren,
Der sammle still und unerschlafft
Im kleinsten Punkte die höchste Kraft.

Der Stamm erhebt sich in die Luft
Mit üppig prangenden Zweigen.
Die Blätter glänzen und hauchen Duft,
Doch können sie Früchte nicht zeugen.
Der Kern allein im schmalen Raum
Verbirgt den Stolz des Waldes, den Baum.

 


 

Überarbeitet von Jürgen Kühnle auf Basis folgender Quellen:

  1. Gedichte von Friedrich Schiller. Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig, 1804. Seite 6-202. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.
  2. Friedrich von Schillers sämmtliche Werke. Neunter Band. J.G. Cotta’sche Buchhandlung. 1814. Seite 4-232. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.