Friedrich Schiller
Fantasie an Laura
Meine Laura! Nnenne mir den Wirbel,
Der an Körper Körper mächtig reißt,
Nenne, meine Laura, mir den Zauber,
Der zum Geist gewaltig zwingt den Geist!
Sieh! Er lehrt die schwebenden Planeten
Ew’gen Ringgangs um die Sonne fliehn
Und gleich Kindern um die Mutter hüpfend,
Bunte Zirkel um die Fürstin ziehn.
Durstig trinkt den gold’nen Strahlenregen
Jedes rollende Gestirn,
Trinkt aus ihrem Feuerkelch Erquickung,
Wie die Glieder Leben vom Gehirn.
Sonnenstäubchen paart mit Sonnenstäubchen
Sich in trauter Harmonie,
Sphären ineinander lenkt die Liebe,
Weltsysteme dauern nur durch sie.
Tilge sie vom Uhrwerk der Naturen –
Trümmernd auseinander springt das All,
In das Chaos donnern eure Welten,
Weint, Newtone, ihren Riesenfall!
Tilg’ die Göttin aus der Geister Orden,
Sie erstarren in der Körper Tod,
Ohne Liebe kehrt kein Frühling wieder,
Ohne Liebe preist kein Wesen Gott!
Und was ist’s, das, wenn mich Laura küsset,
Purpurflammen auf die Wangen geußt,
Meinem Herzen raschern Schwung gebietet,
Fiebrisch wild mein Blut von hinnen reißt?
Aus den Schranken schwellen alle Sennen,
Seine Ufer überwallt das Blut,
Körper will in Körper überstürzen,
Lodern Seelen in vereinter Glut;
Gleich allmächtig, wie dort in der toten
Schöpfung ew’gem Federtrieb,
Herrscht im arachneischen Gewebe
Der empfindenden Natur die Lieb’.
Siehe, Laura, Fröhlichkeit umarmet
Wilder Schmerzen Überschwung,
An der Hoffnung Liebesbrust erwarmet
Starrende Verzweiflung.
Schwesterliche Wollust mildert
Düst’rer Schwermut Schauernacht.
Und entbunden von den gold’nen Kindern,
Strahlt das Auge Sonnenpracht.
Waltet nicht auch durch des Übels Reiche
Fürchterliche Sympathie?
Mit der Hölle buhlen unsre Laster,
Mit dem Himmel grollen sie.
Um die Sünde flechten Schlangenwirbel
Scham und Reu’, das Eumenidenpaar,
Um der Größe Adlerflügel windet
Sich verräth’risch die Gefahr.
Mit dem Stolze pflegt der Sturz zu tändeln,
Um das Glück zu klammern sich der Neid,
Ihrem Bruder Tode zuzuspringen,
Off’nen Armes, Schwester Lüsternkeit.
Mit der Liebe Flügel eilt die Zukunft
In die Arme der Vergangenheit,
Lange sucht der fliehende Saturnus
Seine Braut – die Ewigkeit.
Einst – so hör’ ich das Orakel sprechen,
Einsten hascht Saturn die Braut.
Weltenbrand wird Hochzeitfackel werden,
Wenn mit Ewigkeit die Zeit sich traut.
Eine schönere Aurora rötet,
Laura, dann auch uns’rer Liebe sich,
Die so lang als jener Brautnacht dauert.
Laura! Laura! Freue Dich!
Überarbeitet auf Basis folgender Quellen:
- Gedichte von Friedrich Schiller. Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig, 1804. Seite 6-80. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.
- Friedrich von Schillers sämmtliche Werke. Erster und Zweiter Band. J.G. Cotta’sche Buchhandlung. 1812. Seite 4-8. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.