Friedrich SchillerFriedrich Schiller

An Minna

 

Träum’ ich? Ist mein Auge trüber?
  Nebelt’s mir ums Angesicht?
Meine Minna geht vorüber?
  Meine Minna kennt mich nicht?
Die am Arme seichter Toren
  Blähend mit dem Fächer ficht,
Eitel in sich selbst verloren –
  Meine Minna ist es nicht.

Von dem Sommerhute nicken
  Stolze Federn, mein Geschenk,
Schleifen, die den Busen schmücken,
  Rufen: Minna, sei gedenk!
Blumen, die ich selbst erzogen,
  Zieren Brust und Locken noch –
Ach, die Brust, die mir gelogen!
  Und die Blumen blühen doch!

Geh! Umhüpft von leeren Schmeichlern!
  Geh! Vergiss auf ewig mich.
Überliefert feilen Heuchlern,
  Eitles Weib, veracht’ ich Dich.
Geh! Dir hat ein Herz geschlagen,
  Dir ein Herz, das edel schlug,
Groß genug, den Schmerz zu tragen,
  Dass es einer Törin schlug.

Schönheit hat Dein Herz verdorben,
  Dein Gesicht’gen! Schäme Dich.
Morgen ist sein Glanz erstorben,
  Seine Rose blättert sich.
Schwalben, die im Lenze minnen,
  Fliehen wenn der Nordwind weht,
Buhler scheucht Dein Herbst von hinnen,
  Einen Freund hast Du verschmäht.

In den Trümmern Deiner Schöne
  Seh ich Dich verlassen gehn,
Weinend in die Blumenscene
  Deines Mais zurücke sehn.
Die mit heißem Liebesgeize
  Deinem Kuss entgegen flohn,
Zischen dem erlosch’nen Reize,
  Lachen Deinem Winter Hohn.

Schönheit hat Dein Herz verdorben,
  Dein Gesicht’gen! – schäme Dich,
Morgen ist sein Glanz erstorben,
  Seine Rose blättert sich –
Ha! Wie will ich dann Dich höhnen!
  Höhnen? Gott bewahre mich!
Weinen will ich bitt’re Tränen,
  Weinen, Minna, über Dich.

 


 

Überarbeitet auf Basis folgender Quellen:

  1. Gedichte von Friedrich Schiller. Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig, 1804. Seite 6-154. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.
  2. Friedrich von Schillers sämmtliche Werke. Erster und Zweiter Band. J.G. Cotta’sche Buchhandlung. 1812. Seite 4-49. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.