Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Die Philosophen

 

Lehrling.
Gut, dass ich Euch, Ihr Herrn, in pleno beisammen hier finde,
  Denn das eine, was Not, treibt mich herunter zu Euch.

Aristoteles.
Gleich zur Sache, mein Freund! Wir halten die Jenaer Zeitung
  Hier in der Hölle und sind längst schon von allem belehrt.

Lehrling.
Desto besser! So gebt mir, ich geh Euch nicht eher vom Halse,
  Einen allgültigen Satz und der auch allgemein gilt.

Erster.
Cogito ergo sum. Ich denke und mithin so bin ich!
  Ist das eine nur wahr, ist es das and’re gewiss.

Lehrling.
Denk ich, so bin ich! Wohl! Doch wer wird immer auch denken!
  Oft schon war ich und hab’ wirklich an gar nichts gedacht.

Zweiter.
Weil es Dinge doch gibt, so gibt es ein Ding aller Dinge,
  In dem Ding aller Ding schwimmen wir, wie wir so sind.

Dritter.
Just das Gegenteil sprech ich. Es gibt kein Ding als mich selber,
  Alles and’re in mir steigt es als Blase nur auf.

Vierter.
Zweierlei Dinge lass ich passieren, die Welt und die Seele,
  Keins weiß vom andern und doch deuten sie beide auf eins.

Fünfter.
Von dem Ding weiß ich nichts und weiß auch nichts von der Seele,
  Beide erscheinen mir nur, aber sie sind doch kein Schein.

Sechster.
Ich bin ich und setze mich selbst und setz ich mich selber
  Als n i c h t gesetzt, nun gut, hab’ ich ein Nicht-Ich gesetzt.

Siebenter.
Vorstellung wenigstens ist! Ein Vorgestelltes ist also,
  Ein Vorstellendes auch, macht mit der Vorstellung d r e i.

Lehrling.
Damit lock’ ich, ihr Herrn, noch keinen Hund aus dem Ofen!
  Einen erklecklichen Satz will ich und der auch was setzt!

Achter.
Auf theoretischem Feld ist weiter nichts mehr zu finden,
  Aber der praktische Satz gilt doch: Du kannst, denn Du sollst!

Lehrling.
Dacht’ ichs doch! Wissen sie nicht Vernünftiges mehr zu erwidern,
  Schieben sie’s einem geschwind in das Gewissen hinein.

David Hume.
Rede nicht mit dem Volk! Der Kant hat sie alle verwirret,
  Mich frag, ich bin mir selbst auch in der Hölle noch gleich.

Rechtsfrage.
Jahre lang schon bedien’ ich mich meiner Nase zum Riechen,
  Hab’ ich denn wirklich an sie auch ein erweisliches Recht?

Pufendorf.
Ein bedenklicher Fall! Doch die erste Possession scheint
  Für Dich zu sprechen und so brauche sie immerhin fort!

Gewissensskrupel.
Gern dien’ ich den Freunden, doch tu’ ich es leider mit Neigung,
  Und so wurmt es mir oft, dass ich nicht tugendhaft bin.

Entscheidung.
Da ist kein anderer Rat, Du musst suchen sie zu verachten,
  Und mit Abscheu alsdann tun, wie die Pflicht Dir gebeut.

 


 

Überarbeitet auf Basis folgender Quellen:

  1. Gedichte von Friedrich Schiller. Siegfried Lebrecht Crusius, Leipzig, 1804. Seite 6-182. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.
  2. Friedrich von Schillers sämmtliche Werke. Neunter Band. J.G. Cotta’sche Buchhandlung. 1814. Seite 4-264. Unveränderter Originaltext auf dieser Seite.