Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Geschichte der Unruhen in Frankreich

welche der Regierung Heinrichs IV. vorangingen, bis zum Tod Karls IX 

(Aus der Sammlung historischer Memoires II. Abteilung 1., 2., 3., 4., 5. und 8. Band.) 

   Die Regierungen Karls VIII., Ludwigs XII. und Franz I. hatten für Frankreich eine glänzende Epoche vorbereitet. Die Feldzüge dieser Fürsten nach Italien hatten den Heldengeist des französischen Adels wieder entzündet, den der Despotismus Ludwigs XI. beinahe erstickt hatte. Ein schwärmerischer Rittergeist flammte wieder auf, den eine bessere Taktik unterstützte. 

   Im Kampf mit ihren ungeübten Nachbarn lernte die Nation ihre Überlegenheit kennen. Die Monarchie hatte sich gebildet, die Verfassung des Königreichs eine mehr regelmäßige Gestalt angenommen. Der sonst so furchtbare Trotz übermächtiger Großen fügte sich jetzt wieder in die Schranken eines gemeinschaftlichen Gehorsams. Ordentliche Steuern und stehende Heere befestigten und schirmten den Thron und der König war etwas mehr als ein begüterter Edelmann in seinem Reich. 

   In Italien war es, wo sich die Kraft dieses Königreichs zum ersten Mal offenbarte. Unnütz zwar floss dort das Blut seiner Heldensöhne, aber Europa konnte seine Bewunderung einem Volk nicht versagen, das sich zu gleicher Zeit gegen fünf vereinigte Feinde glorreich behauptete. Das Licht schöner Künste war nicht lange vorher in Italien aufgegangen, und etwas mildere Sitten verrieten bereits seinen veredelnden Einfluss. Bald zeigte es seine Kraft an den trotzigen Siegern und Italiens Künste unterjochten das Genie der Franzosen, wie ehemals Griechenlands Kunst seine römischen Beherrscher sich unterwürfig machte. Bald fanden sie den Weg über die savoyischen Alpen, den der Krieg geöffnet hatte. Von einem verständigen Regenten in Schutz genommen, von der Buchdruckerkunst unterstützt, verbreiteten sie sich bald auf diesem dankbaren Boden. Die Morgenröte der Kultur erschien; schon eilte Frankreich mit schnellen Schritten seiner Zivilisierung entgegen. Die neuen Meinungen erscheinen und gebieten diesem schönen Anfang einen traurigen Stillstand. Der Geist der Intoleranz und des Aufruhrs löscht den noch schwachen Schimmer der Verfeinerung wieder aus, und die schreckliche Fackel des Fanatismus leuchtet. Tiefer als je stürzt dieser unglückliche Staat in seine barbarische* Wildheit zurück, das Opfer eines langwierigen, verderblichen Bürgerkriegs, den der Ehrgeiz entflammt und ein wütender Religionseifer zu einem allgemeinen Brand vergrößert. 

   So feurig auch das Interesse war, mit welchem die eine Hälfte Europas die neuen Meinungen aufnahm und die andre dagegen kämpfte, so eine mächtige Triebfeder der Religionsfanatismus auch für sich selbst ist, so waren es doch großenteils sehr weltliche Leidenschaften, welche bei dieser großen Begebenheit geschäftig waren und größtenteils politische Umstände, welche den untereinander im Kampf begriffenen Religionen zu Hilfe kamen. In Deutschland, weiß man, begünstigte Luther und seine Meinungen das Misstrauen der Stände gegen die wachsende Macht Österreichs; der Hass gegen Spanien und die Furcht vor dem Inquisitionsgericht vermehrte in den Niederlanden den Anhang der Protestanten. Gustav Wasa vertilgte in Schweden zugleich mit der alten Religion eine furchtbare Kabale und auf dem Ruin eben dieser Kirche befestigte die britannische Elisabeth ihren noch wankenden Thron. Eine Reihe schwachköpfiger, zum Teil minderjähriger Könige, eine schwankende Staatskunst, die Eifersucht und der Wettkampf der Großen um das Ruder halfen die Fortschritte der neuen Religion in Frankreich bestimmen. 

   Wenn sie in diesem Königreich jetzt daniederliegt und in einer Hälfte Deutschlands, in England, im Norden, in den Niederlanden thront, so lag es sicherlich nicht an der Mutlosigkeit oder Kälte ihrer Verfechter, nicht an unterlassnen Versuchen, nicht an der Gleichgültigkeit der Nation. Eine heftige, langwierige Gärung erhielt das Schicksal dieses Königreichs im Zweifel; fremder Einfluss und der zufällige Umstand einer neuen indirekten Thronfolge, die gerade damals eintrat, musste den Untergang der kalvinischen Kirche in diesem Staat entscheiden. 

   Gleich im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts fanden die Neuerungen, welche Luther in Deutschland predigte, den Weg in die französischen Provinzen. Weder die Zensuren der Sorbonne im Jahr 1521, noch die Beschlüsse des Pariser Parlaments, noch selbst die Anathemen der Bischöfe vermochten das schnelle Glück aufzuhalten, das sie in wenig Jahren bei dem Volk, bei dem Adel, bei Einigen von der Geistlichkeit machten. Die Lebhaftigkeit, mit welcher das sanguinische, geistreiche Volk der Franzosen jede Neuigkeit zu behandeln pflegt, verleugnete sich weder bei den Anhängern der Reformation, noch bei ihren Verfolgern. Franz des Ersten kriegerische Regierung und die Verständnisse dieses Monarchen mit den deutschen Protestanten trugen nicht wenig dazu bei, die Religionsneuerungen bei seinen französischen Untertanen in schnellen Umlauf zu bringen. Umsonst, dass man in Paris endlich zu dem fürchterlichen Mittel des Feuers und des Schwertes griff – es tat keine bessre Wirkung als es in den Niederlanden, in Deutschland, in England getan hatte, und die Scheiterhaufen, welche der fanatische Verfolgungsgeist ansteckte, dienten zu nichts, als den Heldenglauben und den Ruhm seiner Opfer zu beleuchten. 

   Die Religionsverbesserer führten bei ihrer Verteidigung und bei ihrem Angriff auf die herrschende Kirche, Waffen, welche weit zuverlässiger wirkten, als alle, die der blinde Eifer der stärkern Zahl ihnen entgegensetzen konnte. Geschmack und Aufklärung kämpften auf ihrer Seite; Unwissenheit, Pedanterei waren der Anteil ihrer Verfolger. Die Sinnlosigkeit, die tiefe Ignoranz des katholischen Klerus gaben dem Witz ihrer öffentlichen Redner und Schriftsteller die gefährlichsten Blößen und unmöglich konnte man die Schilderungen lesen, welche der Geist der Satire diese letztern von dem allgemeinen Verderbnis entwerfen ließ, ohne sich von der Notwendigkeit einer Verbesserung überzeugt zu fühlen. Die lesende Welt wurde täglich mit Schriften dieser Art überschwemmt, in welchen, mehr oder minder glücklich, die herrschenden Laster des Hofes und der katholischen Geistlichkeit dem Unwillen, dem Abscheu, dem Gelächter bloßgestellt und die Dogmen der neuen Kirche, in jede Anmut des Stils gekleidet, mit allen Reizen des Schönen, mit aller hinreißenden Kraft des Erhabnen, mit dem unwiderstehlichen Zauber einer edeln Simplizität ausgestattet waren. Wenn man diese Meisterstücke der Beredsamkeit und des Witzes mit Ungeduld verschlang, so waren die abgeschmackten oder feierlichen Gegenschriften des andern Teils nicht dazu gemacht, etwas anders als Langeweile zu erregen. Bald hatte die verbesserte Religion den geistreichen Teil des Publikums gewonnen – eine unstreitig glänzendere Majorität als der bloße blinde Vorteil der größeren Menge, der ihre Gegner begünstigte. 

   Die anhaltende Wut der Verfolgung nötigte endlich den unterdrückten Teil, an der Königin Margarethe von Navarra, der Schwester Franz I., sich eine Beschützerin zu suchen. Geschmack und Wissenschaft waren eine hinreichende Empfehlung bei dieser geistreichen Fürstin, welche, selbst große Kennerin des Schönen und Wahren, für die Religion ihrer Lieblinge, deren Kenntnisse und Geist sie verehrte, nicht schwer zu gewinnen war. Ein glänzender Kreis von Gelehrten umgab diese Fürstin, und die Freiheit des Geistes, welche in diesem geschmackvollen Zirkel herrschte, konnte nicht anders als eine Lehre begünstigen, welche mit der Befreiung vom Joch der Hierarchie und des Aberglaubens angefangen hatte. An dem Hof dieser Königin fand die gedrückte Religion eine Zuflucht; manches Opfer wurde durch sie dem blutdürstigen Verfolgungsgeist entzogen, und die noch kraftlose Partei hielt sich an diesem schwachen Ast gegen das erste Ungewitter fest, das sie sonst in ihrem noch zarten Anfang so leicht hätte hinraffen können. Die Verbindungen, in welche Franz I. mit den deutschen Protestanten getreten war, hatten auf die Maßregeln keinen Einfluss, deren er sich gegen seine eignen protestantischen Untertanen bediente. Das Schwert der Inquisition war in jeder Provinz gegen sie gezückt. und zu eben der Zeit, wo dieser zweideutige Monarch die Fürsten des Schmalkaldischen Bundes gegen Karl V., seinen Nebenbuhler, aufforderte, erlaubt er dem Blutdurst seiner Inquisitoren, gegen das schuldlose Volk der Waldenser, ihre Glaubensgenossen, mit Schwert und Feuer zu wüten. Barbarisch*und schrecklich, sagt der Geschichtsschreiber de Thou, war der Spruch, der gegen sie gefällt ward, barbarischer* noch und schrecklicher seine Vollstreckung. Zweiundzwanzig Dörfer legte man in die Asche, mit einer Unmenschlichkeit, wovon sich bei den rohesten Völkern kein Beispiel findet. Die unglückseligen Bewohner, bei Nachtzeit überfallen und bei dem Schein ihrer brennenden Habe von Gebirge zu Gebirge gescheucht, entrannen hier einem Hinterhalt nur, um dort in einen andern zu fallen. Das jämmerliche Geschrei der Alten, der Frauenspersonen und der Kinder, weit entfernt, das Tigerherz der Soldaten zu erweichen, diente zu nichts, als diese letztern auf die Spur der Flüchtigen zu führen und ihrer Mordbegier das Opfer zu verraten. Über siebenhundert dieser Unglücklichen wurden in der einzigen Stadt Cabrières mit kalter Grausamkeit erschlagen, alle Frauenspersonen dieses Orts im Dampf einer brennenden Scheune erstickt und die, welche sich von oben herab flüchten wollten, mit Piken aufgefangen. Selbst an dem Erdreich, welches der Fleiß dieses sanften Volks aus einer Wüste zum blühenden Garten gemacht hatte, wurde der vermeintliche Irrglaube seiner Pflüger bestraft. Nicht bloß die Wohnungen riss man nieder, auch die Bäume wurden umgehauen, die Saaten zerstört, die Felder verwüstet und das lachende Land in eine traurige Wildnis verwandelt. 

   Der Unwille, den diese ebenso unnütze als beispiellose Grausamkeit erweckte, führte dem Protestantismus mehr Bekenner zu, als der inquisitorische Eifer der Geistlichkeit würgen konnte. Mit jedem Tage wuchs der Anhang der Neuerer, besonders seitdem in Genf Kalvin mit einem neuen Religionssystem aufgetreten war und durch seine Schrift vom christlichen Unterricht die schwankenden Lehrmeinungen fixiert, dem ganzen Gottesdienst eine mehr regelmäßige Gestalt gegeben und die unter sich selbst nicht recht einigen Glieder seiner Kirche unter einer bestimmten Glaubensformel vereinigt hatte. In kurzem gelang es der strengeren und einfacheren Religion des französischen Apostels*, bei seinen Landsleuten Luther selbst zu verdrängen, und seine Lehre fand eine desto günstigere Aufnahme, je mehr sie von Mysterien und lästigen Gebräuchen gereinigt war, und je mehr sie es der lutherischen an Entfernung vom Papsttum zuvortat. 

   Das Blutbad unter den Waldensern zog die Calvinisten, deren Erbitterung jetzt keine Furcht mehr kannte, an das Licht hervor. Nicht zufrieden, wie bisher, sich im Dunkel der Nacht zu versammeln, wagten sie es jetzt, durch öffentliche Zusammenkünfte den Nachforschungen der Obrigkeit Hohn zu sprechen und selbst in den Vorstädten von Paris die Psalmen des Marot in großen Versammlungen abzusingen. Der Reiz des Neuen führte bald ganz Paris herbei, und mit dem Wohlklang und der Anmut dieser Lieder wusste sich ihre Religion selbst in manche Gemüter zu schmeicheln. Der gewagte Schritt hatte ihnen zugleich ihre furchtbare Anzahl gezeigt, und bald folgten die Protestanten in dem übrigen Königreich dem Beispiel, das ihre Brüder in der Hauptstadt gegeben. 

   Heinrich II., ein noch strengerer Verfolger ihrer Partei als sein Vater, nahm jetzt vergebens alle Schrecken der königlichen Strafgewalt gegen sie zu Hilfe. Vergebens wurden die Edikte geschärft, welche ihren Glauben verdammten. Umsonst erniedrigte sich dieser Fürst so weit, durch seine königliche Gegenwart den Eindruck ihrer Hinrichtungen zu erhöhen und ihre Henker zu ermuntern. In den großen Städten Frankreichs rauchten Scheiterhaufen, und nicht einmal aus seiner eigenen Gegenwart konnte Heinrich den Kalvinismus verbannen*. Diese Lehre hatte unter der Armee, auf den Gerichtsstühlen, hatte selbst an seinem Hof zu St. Germain Anhänger gefunden und Franz von Coligny, Herr von Andelot, Obrist des französischen Fußvolks, erklärte dem König mit dreister Stirn ins Gesicht, dass er lieber sterben wolle, als eine Messe besuchen. 

   Endlich aufgeschreckt von der immer mehr um sich greifenden Gefahr, welche die Religion seiner Völker und, wie man ihn fürchten ließ, selbst seinen Thron bedrohte, überließ sich dieser Fürst allen gewalttätigen Maßregeln, welche die Habsucht der Höflinge und der unreine Eifer des Klerus ihm diktierte. Um durch einen entscheidenden Schritt den Mut der Partei auf einmal zu Boden zu schlagen, erschien er eines Tages selbst im Parlament, ließ dort fünf Glieder dieses Gerichtshofs, die sich den neuen Meinungen günstig zeigten, gefangen nehmen und gab Befehl, ihnen schleunig den Prozess zu machen. Von jetzt an erfuhr die neue Sekte keine Schonung mehr. Das verworfne Gezücht der Angeber wurde durch versprochne Belohnungen ermuntert, alle Gefängnisse des Reichs in kurzem mit Schlachtopfern der Unduldsamkeit angefüllt; niemand wagte es, für sie die Stimme zu erheben. Die reformierte Partei in Frankreich stand jetzt, 1559, am Rand ihres Untergangs; ein mächtiger unwiderstehlicher Fürst, mit ganz Europa im Frieden und unumschränkter Herr von allen Kräften des Königreichs, zu diesem großen Werk von dem Papst und von Spanien selbst begünstigt, hatte ihr das Verderben geschworen. Ein unerwarteter Glücksfall musste sich ins Mittel schlagen, dieses abzuwenden, welches auch geschah. Ihr unversöhnlicher Feind starb mitten unter diesen Zurüstungen, von einem Lanzensplitter verwundet, der ihm bei einem festlichen Turnier in das Auge flog. 

   Dieser unverhoffte Hintritt Heinrichs II. war der Eingang zu den gefährlichen Zerrüttungen, welche ein halbes Jahrhundert lang das Königreich zerrissen und die Monarchie ihrem gänzlichen Untergang nahe brachten. Heinrich hinterließ seine Gemahlin Katharina, aus dem herzoglichen Haus von Medicis in Florenz, nebst vier unreifen Söhnen, unter denen der älteste, Franz, kaum das sechzehnte Jahr erreicht hatte. Der König war bereits mit der jungen Königin von Schottland, Maria Stuart, vermählt, und so musste sich das Szepter zweier Reiche in zwei Händen vereinigen, die noch lange nicht geschickt waren, sich selbst zu regieren. Ein Heer von Ehrgeizigen streckte schon gierig die Hände danach aus, es ihnen zu erleichtern, und Frankreich war das unglückliche Opfer des Kampfs, der sich darüber entzündete. 

   Besonders waren es zwei mächtige Fraktionen, welche sich ihren Einfluss bei dem jungen Regentenpaar und die Verwaltung des Königreichs streitig machten. An der Spitze der einen stand der Connetable von Frankreich, Anna von Montmorency, Minister und Günstling des verstorbnen Königs, um den er sich durch seinen Degen und einen strengen, über alle Verführung erhabenen Patriotismus verdient gemacht hatte. Ein gleichmütiger, unbeweglicher Charakter, den keine Widerwärtigkeit erschüttern, kein Glücksfall schwindlicht machen konnte. Diesen gesetzten Geist hatte er bereits unter den vorigen Regierungen bewiesen, wo er mit gleicher Gelassenheit und mit gleich standhaftem Mut den Wankelmut seines Monarchen und den Wechsel des Kriegsglücks ertrug. Der Soldat wie der Höfling, der Finanzier wie der Richter zitterten vor seinem durchdringenden Blick, den keine Täuschung blendete, vor diesem Geist der Ordnung, der keinen Fehltritt vergab, vor dieser festen Tugend, über die keine Versuchung Macht hatte. Aber in der rauen Schule des Kriegs erwachsen und an der Spitze der Armeen gewöhnt, unbedingten Gehorsam zu erzwingen, fehlte ihm die Geschmeidigkeit des Staatsmanns und Höflings, welche durch Nachgeben siegt und durch Unterwerfung gebietet. Groß auf der Waffenbühne, verscherzte er seinen Ruhm auf der andern, welche der Zwang der Zeit ihm jetzt anwies, welche ihm Ehrgeiz und Patriotismus zu betreten befahlen. Solch ein Mann war nirgends an seinem Platz, als wo er herrschte, und nur gemacht, sich auf der ersten Stelle zu behaupten, aber nicht wohl fähig, mit hofmännischer Kunst danach zu ringen.

   Lange Erfahrung, Verdienste um den Staat, die selbst der Neid nicht zu verringern wagte, eine Redlichkeit, der auch seine Feinde huldigten, die Gunst des verstorbnen Monarchen, der Glanz seines Geschlechts schienen den Connetable zu dem ersten Posten im Staat zu berechtigen und jeden fremden Anspruch im voraus zu entfernen. Aber ein Mann gehörte auch dazu, das Verdienst eines solchen Dieners zu würdigen und eine ernstliche Liebe zum allgemeinen Wohl, um seinem gründlichen innern Wert die raue Außenseite zu vergeben. Franz II. war ein Jüngling, den der Thron nur zum Genuss, nicht zur Arbeit rief, dem ein so strenger Aufseher seiner Handlungen nicht willkommen sein konnte, Montmorency’s äußere Tugend, die ihn bei dem Vater und Großvater in Gunst gesetzt hatte, gereichte ihm bei dem leichtsinnigen, schwachen Sohn zum Verbrechen und machte es der entgegen gesetzten Kabale leicht, über diesen Gegner zu triumphieren. 

   Die Guisen, ein nach Frankreich verpflanzter Zweig des Lothringischen Fürstenhauses, waren die Seele dieser furchtbaren Faktion. Franz von Lothringen, Herzog von Guise, Oheim der regierenden Königin, vereinigte in seiner Person alle Eigenschaften, welche die Aufmerksamkeit der Menschen fesseln und eine Herrschaft über sie erwerben. Frankreich verehrte in ihm seinen Retter, den Wiederhersteller seiner Ehre vor der ganzen europäischen Welt. An seiner Geschicklichkeit und seinem Mut war das Glück Karls V. gescheitert; seine Entschlossenheit hatte die Schande der Vorfahren ausgelöscht und den Engländern Calais*, ihre letzte Besitzung auf französischem Boden, nach einem zweihundertjährigen Besitz entrissen. Sein Name war in aller Munde, seine Bewunderung lebte in aller Herzen. Mit dem weit sehenden Herrscherblick des Staatsmanns und Feldherrn verband er die Kühnheit des Helden und die Gewandtheit des Höflings. Wie das Glück, so hatte schon die Natur ihn zum Herrscher der Menschen gestempelt. Edel gebildet, von erhabner Statur, königlichem Anstand und offner, gefälliger Miene, hatte er schon die Sinne bestochen, ehe er die Gemüter sich unterjochte. Den Glanz seines Ranges und seiner Macht erhob eine natürliche, angestammte Würde, die, um zu herrschen, keines äußeren Schmucks zu bedürfen schien. Herablassend, ohne sich zu erniedrigen, mit dem Geringsten gesprächig, frei und vertraulich, ohne die Geheimnisse seiner Politik preiszugeben, verschwenderisch gegen seine Freunde und großmütig gegen den entwaffneten Feind, schien er bemüht zu sein, den Neid mit seiner Größe, den Stolz einer eifersüchtigen Nation mit seiner Macht auszusöhnen. Alle diese Vorzüge aber waren nur Werkzeuge einer unersättlichen stürmischen Ehrbegierde, die, von keinem Hindernis geschreckt, von keiner Betrachtung aufgehalten, ihrem hochgesteckten Ziel furchtlos entgegenging und, gleichgültig gegen das Schicksal von Tausenden, von der allgemeinen Verwirrung nur begünstigt, durch alle Krümmungen der Kabale und mit allen Schrecknissen der Gewalt ihre verwegnen Entwürfe verfolgte. Dieselbe Ehrfurcht, von nicht geringern Gaben unterstützt, beherrschte den Kardinal von Lothringen, Bruder des Herzogs, der, ebenso mächtig durch Wissenschaft und Beredsamkeit, als jener durch seinen Degen, furchtbarer im Scharlach als der Herzog im Panzerhemd, seine Privatleidenschaften mit dem Schwert der Religion bewaffnete und die schwarzen Entwürfe seiner Ehrsucht mit diesem heiligen Schleier bedeckte. Über den gemeinschaftlichen Zweck einverstanden, teilte sich dieses unwiderstehliche Brüderpaar in die Nation, die, ehe sie es wusste, in seinen Fesseln sich krümmte. 

   Leicht war es beiden Brüdern, sich der Neigung des jungen Königs zu bemächtigen, den seine Gemahlin, ihre Nichte, unumschränkt leitete; schwerer, die Königin Mutter Katharine für ihre Absichten zu gewinnen. Der Name einer Mutter des Königs machte sie an einem geteilten Hof mächtig, mächtiger noch die natürliche Überlegenheit ihres Bestandes über das Gemüt ihres schwachen Sohnes; ein verborgner, in Ränken erfinderischer Geist, mit einer grenzenlosen Begierde zum Herrschen vereinigt, konnte sie zu einer furchtbaren Gegnerin machen. Ihre Gunst zu erschleichen, wurde deswegen kein Opfer gespart, keine Erniedrigung gescheut. Keine Pflicht war so heilig, die man nicht verletzte, ihren Neigungen zu schmeicheln; keine Freundschaft so fest geknüpft, die nicht zerrissen wurde, ihrer Rachsucht ein Opfer preiszugeben; keine Feindschaft so tief gewurzelt, die man nicht gegen ihre Günstlinge ablegte. Zugleich unterließ man nichts, was den Connetable bei der Königin stürzen konnte und so gelang es wirklich der Kabale, die gefährliche Verbindung zwischen Katharine und diesem Feldherrn zu verhindern. 

   Unterdessen hatte der Connetable alles in Bewegung gesetzt, sich einen furchtbaren Anhang zu verschaffen, der die lothringische Partei überwiegen könnte. Kaum war Heinrich tot, so wurden alle Prinzen von Geblüt und unter diesen besonders Anton von Bourbon*, König von Navarra, von ihm herbeigerufen, bei dem Monarchen den Posten einzunehmen, zu dem ihr Rang und ihre Geburt sie berechtigte. Aber ehe sie noch Zeit hatten zu erscheinen, waren ihnen die Guisen schon bei dem König zuvorgekommen. Dieser erklärte den Abgesandten des Parlaments, die ihn zu seinem Regierungsantritt begrüßten, dass man sich künftig in jeder Angelegenheit des Staats an die lothringischen Prinzen zu wenden habe. Auch nahm der Herzog sogleich Besitz von dem Kommando der Truppen; der Kardinal von Lothringen erwählte sich den wichtigen Artikel der Finanzen zu seinem Anteil. Montmorency erhielt eine frostige Weisung, sich auf seinen Gütern zur Ruhe zu begeben. Die missvergnügten Prinzen von Geblüt hielten darauf eine Zusammenkunft zu Vendome, welche der Connetable abwesend leitete, um sich über die Maßregeln gegen den gemeinschaftlichen Feind zu bereden. Den Beschlüssen derselben zufolge wurde der König von Navarra an den Hof abgeschickt, bei der Königin Mutter noch einen letzten Versuch der Unterhandlung zu wagen, ehe man sich gewaltsame Mittel erlaubte. Dieser Auftrag war einer allzu ungeschickten Hand anvertraut, um seinen Zweck nicht zu verfehlen. Anton von Navarra, von der Allgewalt der Guisen in Furcht gesetzt, die sich ihm in der ganzen Fülle ihrer Herrlichkeit zeigten, verließ Paris und den Hof unverrichteter Dinge, und die lothringischen Brüder blieben Meister vom Schauplatz. 

   Dieser leichte Sieg machte sie keck und jetzt fingen sie an, keine Schranken mehr zu scheuen. Im Besitz der öffentlichen Einkünfte, hatten sie bereits unsägliche Summen verschwendet, um ihre Kreaturen zu belohnen. Ehrenstellen, Pfründen, Pensionen wurden mit freigebiger Hand zerstreut, aber mit dieser Verschwendung wuchs nur die Gierigkeit der Empfänger und die Zahl der Kandidaten und was sie bei dem kleinern Teil dadurch gewannen, verdarben sie bei einem weit größeren, welcher leer ausging. Die Habsucht, mit der sie sich selbst den besten Teil an dem Raub des Staats zueigneten, der beleidigende Trotz, mit dem sie sich auf Unkosten der vornehmsten Häuser in die wichtigsten Bedienungen eindrängten, machte allgemein die Gemüter schwierig; nichts aber war für die Franzosen empörender, als was sich der hochfahrende Stolz des Kardinals von Lothringen zu Fontainebleau erlaubte. An diesen Lustort, wo der Hof sich damals aufhielt, hatte die Gegenwart des Monarchen eine große Menge von Personen gezogen, die entweder um rückständigen Sold und Gnadengelder zu flehen oder für ihre geleisteten Dienste die verdienten Belohnungen einzufordern gekommen waren. Das Ungestüm dieser Leute, unter denen sich zum Teil die verdientesten Offiziere der Armee befanden, belästigte den Kardinal. Um sich ihrer auf einmal zu entledigen, ließ er nahe am königlichen Schloss einen Galgen aufrichten und zugleich durch den öffentlichen Ausrufer verkündigen, dass jeder, wessen Standes er auch sei, den ein Anliegen nach Fontainebleau geführt, bei Strafe dieses Galgens, innerhalb vierundzwanzig Stunden Fontainebleau zu räumen habe. Behandlungen dieser Art erträgt der Franzose nicht und darf sie unter allen Völkern von seinem König am wenigsten ertragen. Zwar wurde es an einem einzigen Tag dadurch leer in Fontainebleau, aber zugleich wurde auch der Keim des Unmuts in mehr als tausend Herzen nach allen Provinzen des Königreichs mit hinweg getragen. 

   Bei den Fortschritten, welche der Kalvinismus gegen das Ende von Heinrichs Regierung in dem Königreich getan hatte, war es von der größten Wichtigkeit, welche Maßregeln die neuen Minister dagegen ergreifen würden. Aus Überzeugung sowohl als Interesse eifrige Anhänger des Papstes, vielleicht damals schon geneigt, sich beim Drang der Umstände auf spanische Hilfe zu stützen, zugleich von der Notwendigkeit überzeugt, die zahlreichste und mächtigste Hälfte der Nation durch einen wahren oder verstellten Glaubenseifer zu gewinnen, konnten sie sich keinen Augenblick über die Partei bedenken, welche unter diesen Umständen zu ergreifen war. Heinrich II. hatte noch kurz vor seinem Ende den Untergang der Kalvinisten beschlossen, und man brauchte bloß der schon angefangenen Verfolgung den Lauf zu lassen, um dieses Ziel zu erreichen. Sehr kurz also war die Frist, welche der Tod dieses Königs den Protestanten vergönnte. In seiner ganzen Wut erwachte der Verfolgungsgeist wieder, und die lothringischen Prinzen bedachten sich umso weniger, gegen eine Religionspartei zu wüten, die ein großer Teil ihrer Feinde längst im Stillen begünstigte. 

   Der Prozess des berühmten Parlamentsrats Anna du Bourg verkündigte die blutigen Maßregeln der neuen Regierung. Er büßte seine fromme Sündhaftigkeit am Galgen; die vier übrigen Räte, welche zugleich mit ihm gefangen gesetzt worden, erfuhren eine gelindere Behandlung. Dieser unzweideutige, öffentliche Schritt der lothringischen Prinzen gegen den Kalvinismus verschaffte den missvergnügten Großen eine erwünschte Gelegenheit, die ganze reformierte Partei gegen das Ministerium in Harnisch zu bringen und die Sache ihrer gekränkten Ehrsucht zu einer Sache der Religion, zu einer Angelegenheit der ganzen protestantischen Kirche zu machen. Jetzt also geschah die unglücksvolle Verwechselung politischer Beschwerden mit dem Glaubens-Interesse, und wider die politische Unterdrückung wurde der Religionsfanatismus zu Hilfe gerufen. Mit etwas mehr Mäßigung gegen die misstrauischen Kalvinisten war es den Guisen leicht, den durch ihre Zurücksetzung erbitterten Großen eine furchtbare Stütze zu entziehen und so einen schrecklichen Bürgerkrieg in der Geburt zu ersticken. Dadurch, dass sie beide Parteien, die Missvergnügten und die durch ihre Zahl bereits furchtbaren Kalvinisten, aufs Äußerste brachten, zwangen sie beide, einander zu suchen, ihre Rachgier und ihre Furcht sich wechselseitig mitzuteilen, ihre verschiednen Beschwerden zu vermengen und ihre geteilten Kräfte in einer einzigen, drohenden Fraktion zu vereinigen. Von jetzt an sah der Kalvinist in den Lothringern nur die Unterdrücker seines Glaubens und in jedem, den ihr Hass verfolgte, nur ein Opfer ihrer Intoleranz, welches Rache forderte. Von jetzt an erblickte der Katholik in eben diesen Lothringern nur die Beschützer seiner Kirche und in jedem, der gegen sie aufstand, nur den Hugenotten, der die rechtgläubige Kirche zu stürzen suche. Jede Partei erhielt jetzt einen Anführer, jeder ehrgeizige Große eine mehr oder minder furchtbare Partei. Das Signal zu einer allgemeinen Trennung wurde gegeben, und die ganze hintergangene Nation in den Privatstreit einiger gefährlichen Bürger gezogen. 

   An die Spitze der Kalvinisten stellten sich die Prinzen von Bourbon*, Anton von Navarra und Ludwig Prinz von Condé, nebst der berühmten Familie der Chatillons, durch den großen Namen des Admirals von Coligny in der Geschichte verherrlicht. Ungern genug riss sich der wollüstige Prinz von Condé aus dem Schoß des Vergnügens, um das Haupt einer Partei gegen die Guisen zu werden; aber das Übermaß ihres Stolzes und eine Reihe erlittner Beleidigungen hatten seinen schlummernden Ehrgeiz endlich aus einer trägen Sinnlichkeit erweckt; die dringenden Aufforderungen der Chatillons zwangen ihn, das Lager der Wollust mit dem politischen und kriegerischen Schauplatz zu vertauschen. Das Haus Chatillon stellte in diesem Zeitraum drei unvergleichliche Brüder auf, von denen der älteste, Admiral Coligny, der öffentlichen Sache durch seinen Feldherrngeist, seine Weisheit, seinen ausdauernden Mut, der zweite, Franz von Andelot, durch seinen Degen; der dritte, Kardinal von Chatillon, Bischof von Beauvais, durch seine Geschicklichkeit in Unterhandlungen und seine Verschlagenheit diente. Eine seltene Harmonie der Gesinnungen vereinigte diese sich sonst so ungleichen Charaktere zu einem furchtbaren Dreiblatt, und die Würden, welche sie bekleideten, die Verbindungen, in denen sie standen, die Achtung, welche ihr Name zu erwecken gewohnt war, gaben der Unternehmung ein Gewicht, an deren Spitze sie traten. 

   Auf einem von den Schlössern des Prinzen von Condé, an der Grenze der Picardie, hielten die Missvergnügten eine geheime Versammlung, auf welcher ausgemacht wurde, den König aus der Mitte seiner Minister zu entführen und sich zugleich dieser letztern tot oder lebendig zu bemächtigen. So weit war es gekommen, dass man die Person des Monarchen bloß als eine Sache betrachtete, die an sich selbst nichts bedeutete, aber in den Händen derer, welche sich ihres Besitzes rühmten, ein furchtbares Instrument der Macht werden konnte. Da dieser verwegene Entwurf nur mit den Waffen in der Hand konnte durchgesetzt werden, so wurde auf eben dieser Versammlung beschlossen, eine militärische Macht aufzubringen, welche sich alsdann in einzelnen kleinen Haufen, um keinen Verdacht zu erregen, aus allen Distrikten des Königreichs in Blois zusammenziehen sollte, wo der Hof das Frühjahr zubringen würde. Da sich die ganze Unternehmung als eine Religionssache abschildern ließ, so hielt man sich der kräftigsten Mitwirkung der Calvinisten versichert, deren Anzahl im Königreich damals schon auf zwei Millionen geschätzt wurde. Aber auch viele der aufrichtigsten Katholiken zog man durch die Vorstellung, dass es nur gegen die Guisen abgesehen sei, in die Verschwörung. Um den Prinzen von Condé, als den eigentlichen Chef der ganzen Unternehmung, der aber für ratsam hielt, vorjetzt noch unsichtbar zu bleiben, desto besser zu verbergen, gab man ihr einen untergeordneten, sichtbaren Anführer in der Person eines gewissen Renaudie, eines Edelmanns aus Perigord, den sein verwegner, in schlimmen Händeln und Gefahren bewährter Mut, seine unermüdete Tätigkeit, seine Verbindungen im Staat und der Zusammenhang mit den ausgewanderten Kalvinisten zu diesem Posten besonders geschickt machten. Verbrechen halber hatte derselbe längst schon die Rolle eines Flüchtlings spielen müssen, und die Kunst der Verborgenheit, welche sein jetziger Auftrag von ihm forderte, zu seiner eignen Erhaltung in Ausübung bringen lernen. Die ganze Partei kannte ihn als ein entschlossenes, jedem kühnen Streich gewachsenes Subjekt und die enthusiastische Zuversicht, die ihn selbst über jedes Hindernis erhob, konnte sich von ihm aus allen Mitgliedern der Verschwörung mitteilen. 

   Die Vorkehrungen wurden aufs beste getroffen und alle möglichen Zufälle im voraus in Berechnung gebracht, um dem Ungefähr so wenig als möglich anzuvertrauen. Renaudie erhielt eine ausführliche Instruktion, worin nichts vergessen war, was der Unternehmung einen glücklichen Ausschlag zusichern konnte. Der eigentliche verborgene Führer derselben, hieß es, würde sich nennen und öffentlich hervortreten, sobald es zur Ausführung käme. Zu Nantes in Bretagne, wo eben damals das Parlament seine Sitzungen hielt und eine Reihe von Lustbarkeiten, zu denen die Vermählungsfeier einiger Großen dieser Provinz die zufällige Veranlassung gab, die herbeiströmende Menge schicklich entschuldigen konnte, versammelte Renaudie im Jahr 1560 seine Edelleute. Ähnliche Umstände nutzten wenige Jahre nachher die Geusen in Brüssel, um ihr Komplott gegen den spanischen Minister Granvella zustande zu bringen. In einer Rede voll Beredsamkeit und Feuer, welche uns der Geschichtschreiber de Thou aufbehalten hat, entdeckte Renaudie denen, die es noch nicht wussten, die Absicht ihrer Zusammenberufung und suchte die übrigen zu einer tätigen Teilnahme anzufeuern. Nichts wurde darin gespart, die Guisen in das gehässigste Licht zu setzen, und mit arglistiger Kunst alle Übel, von welchen die Nation seit ihrem Eintritt in Frankreich heimgesucht worden, auf ihre Rechnung geschrieben. Ihr schwarzer Entwurf sollte sein, durch Entfernung der Prinzen von Geblüt, der Verdientesten und Edelsten von des Königs Person und der Staatsverwaltung den jungen Monarchen, dessen schwächliche Person, wie man sich merken ließ, in solchen Händen nicht am sichersten aufgehoben wäre, zu einem blinden Werkzeug ihres Willens zu machen, und, wenn es auch durch Ausrottung der ganzen königlichen Familie geschehen sollte, ihrem eigenen Geschlecht den Weg zu dem französischen Thron zu bahnen. Dies einmal vorausgesetzt, war keine Entschließung so kühn, kein Schritt gegen sie so strafbar, den nicht die Ehre selbst und die reinste Liebe zum Staat rechtfertigen konnte, ja gebot. „Was mich betrifft“, schloss der Redner mit dem heftigsten Übergang, „so schwöre ich, so beteure ich und nehme den Himmel zum Zeugen, dass ich weit entfernt bin, etwas gegen den Monarchen, gegen die Königin, seine Mutter, gegen die Prinzen seines Bluts weder zu denken, noch zu reden, noch zu tun; aber ich beteure und schwöre, dass ich bis zu meinem letzten Hauch gegen die Eingriffe dieser Ausländer verteidigen werde die Majestät des Throns und die Freiheit des Vaterlandes.“

   Eine Erklärung dieser Art konnte ihren Eindruck auf Männer nicht verfehlen, die, durch so viele Privatbeschwerden aufgebracht, von dem Schwindel der Zeit und einem blinden Religionseifer hingerissen, der heftigsten Entschließungen fähig waren. Alle wiederholten einstimmig diesen Eidschwur, den sie schriftlich aufsetzten und durch Handschlag und Umarmung besiegelten. Merkwürdig ist die Ähnlichkeit, welche sich zwischen dem Betragen dieser Verschwornen zu Nantes und dem Verfahren der Konföderierten in Brüssel entdecken lässt. Dort wie hier ist es der rechtmäßige Oberherr, den man gegen die Anmaßungen seines Ministers zu verteidigen scheinen will, während dass man kein Bedenken trägt, eins seiner heiligsten Rechte, seine Freiheit in der Wahl seiner Diener, zu kränken; dort, wie hier, ist es der Staat, den man gegen Unterdrückung sicher zu stellen sich das Ansehen geben will, indem man ihn doch offenbar allen Schrecknissen eines Bürgerkriegs überliefert. Nachdem man über die zu nehmenden Maßregeln einig war und den 15. Mai 1560 zum Termin, die Stadt Blois zu dem Ort der Vollstreckung bestimmt hatte, schied man auseinander, jeder Edelmann nach seiner Provinz, um die nötige Mannschaft in Bewegung zu setzen. Dies geschah mit dem besten Erfolg, und das Geheimnis des Entwurfes litt nichts durch die Menge derer, die zur Vollstreckung nötig waren. Der Soldat verdingte sich dem Kapitän, ohne den Feind zu wissen, gegen den er zu fechten bestimmt war. Aus den entlegeneren Provinzen fingen schon kleine Haufen an zu marschieren, welche immer mehr anschwellten, je näher sie ihrem Standort kamen. Truppen häuften sich schon im Mittelpunkt des Reichs, während die Guisen zu Blois, wohin sie den König gebracht hatten, noch in sorgloser Sicherheit schlummerten. Ein dunkler Wink, der sie vor einem ihnen drohenden Anschlag warnte, zog sie endlich aus dieser Ruhe und vermochte sie, den Hof von Blois nach Amboise zu verlegen, welche Stadt ihrer Zitadelle wegen gegen einen unvermuteten Überfall länger, wie man hoffte, zu behaupten war. 

   Dieser Querstreich konnte bloß eine kleine Abänderung in den Maßregeln der Verschworenen bewirken, aber im Wesentlichen ihres Entwurfs nichts verändern. Alles ging ungehindert seinen Gang, und nicht ihrer Wachsamkeit, nicht der Verräterei eines Mitverschwornen, dem bloßen Zufall dankten die Guisen ihre Errettung. Renaudie selbst beging die Unvorsichtigkeit, einem Advokaten* zu Paris, mit Namen Avenelles, seinem Freund, bei dem er wohnte, den ganzen Anschlag zu offenbaren, und das furchtsame Gewissen dieses Mannes gestattete ihm nicht, ein so gefährliches Geheimnis bei sich zu behalten. Er entdeckte es einem Geheimschreiber des Herzogs von Guise, der ihn in größter Eile nach Amboise schaffen ließ, um dort seine Aussage vor dem Herzog zu wiederholen. So groß die Sorglosigkeit der Minister gewesen, so groß war jetzt ihr Schrecken, ihr Misstrauen, ihre Verwirrung. Was sie umgab, wurde ihnen verdächtig. Bis in die Löcher der Gefängnisse suchte man, um dem Komplott auf den Grund zu kommen. Weil man nicht mit Unrecht voraussetzte, dass die Chatillons um den Anschlag wüssten, so berief man sie unter einem schicklichen Vorwand nach Amboise, in der Hoffnung, sie hier besser beobachten zu können. Als man ihnen in Absicht der gegenwärtigen Umstände ihr Gutachten abforderte, bedachte Coligny sich nicht, aufs heftigste gegen die Minister zu reden und die Sache der Reformierten aufs lebhafteste zu verfechten. Seine Vorstellungen, mit der gegenwärtigen Furcht verbunden, wirkten auch so viel auf die Mehrheit des Staatsrats, dass ein Edikt abgefasst wurde, welches die Reformierten, mit Ausnahme ihrer Prediger und aller, die sich in gewalttätige Anschläge eingelassen, vor der Verfolgung in Sicherheit setzte. Aber dieses Notmittel kam jetzt zu spät, und die Nachbarschaft von Amboise fing an, sich mit Verschwornen anzufüllen. Condé selbst erschien in starker Begleitung an diesem Ort, um die Aufrührer im entscheidenden Augenblick unterstützen zu können. Eine Anzahl derselben, hatte man ausgemacht, sollte sich ganz unbewaffnet und unter dem Vorgeben, eine Bittschrift überreichen zu wollen, an den Toren von Amboise melden und, wofern sie keinen Widerstand fänden, mit Hilfe ihrer überlegenen Menge von den Straßen und Wällen Besitz nehmen. Zur Sicherheit sollten sie von einigen Schwadronen unterstützt werden, die auf das erste Zeichen des Widerstandes herbeieilen und in Verbindung mit dem um die Stadt herum verbreiteten Fußvolk sich der Thore bemächtigen würden. Indem dies von außen her vorginge, würden die in der Stadt selbst verborgenen, meistens im Gefolge des Prinzen versteckten Teilhaber der Verschwörung zu den Waffen greifen und sich unverzüglich der lothringischen Prinzen, lebendig oder tot, versichern. Der Prinz von Condé zeigte sich dann öffentlich als das Haupt der Partei und ergriff ohne Schwierigkeit das Steuer der Regierung. 

   Dieser ganze Operationsplan wurde dem Herzog von Guise verräterischerweise mitgeteilt, der sich dadurch in den Stand gesetzt sah, bestimmtere Maßregeln dagegen zu ergreifen. Er ließ schleunig Soldaten werben und schickte allen Statthaltern der Provinzen Befehl zu, jeden Haufen von Gewaffneten, der auf dem Weg nach Amboise begriffen sei, aufzuheben. Der ganze Adel der Nachbarschaft wurde aufgeboten, sich zum Schutz des Monarchen zu bewaffnen. Mittelst scheinbarer Aufträge wurden die Verdächtigsten entfernt, die Chatillons und der Prinz von Condé in Amboise selbst beschäftigt und von Kundschaftern umringt, die königliche Leibwache abgewechselt, die zum Angriff bezeichneten Tore vermauert. Außerhalb der Stadt streiften zahlreiche fliegende Korps, die verdächtigen Ankömmlinge zu zerstreuen oder niederzuwerfen, und der Galgen erwartete jeden, den das Unglück traf, lebendig in ihre Hände zu geraten.

   Unter diesen nachteiligen Umständen langte Renaudie vor Amboise an. Ein Haufen von Verschwornen folgte auf den andern, das Unglück ihrer vorangegangenen Brüder schreckte die Kommenden nicht ab. Der Anführer unterließ nichts, durch seine Gegenwart die Fechtenden zu ermuntern, die Zerstreuten zu sammeln, die Fliehenden zum Stehen zu bewegen. Allein, und nur von einem einzigen Mann begleitet, streifte er durch das Feld umher und wurde in diesem Zustand von einem Trupp königlicher Reiter nach dem tapfersten Widerstand erschossen. Seinen Leichnam schaffte man nach Amboise, wo er mit der Aufschrift: „Haupt der Rebellen“, am Galgen aufgeknüpft wurde. 

   Ein Edikt folgte unmittelbar auf diesen Vorfall, welches jedem seiner Mitschuldigen, der die Waffen sogleich niederlegen würde, Amnestie zusicherte. Im Vertrauen auf dasselbe machten sich viele schon auf den Rückweg, fanden aber bald Ursache, es zu bereuen. Ein letzter Versuch, den die Zurückgebliebnen gemacht hatten, sich der Stadt Amboise zu bemächtigen, der aber wie die vorigen vereitelt wurde, erschöpfte die Mäßigung der Guisen und brachte sie so weit, das königliche Wort zu widerrufen. Alle Provinzstatthalter erhielten jetzt Befehl, sich auf die Rückkehrenden zu werfen, und in Amboise selbst ergingen die fürchterlichsten Prozeduren gegen jeden, der den Lothringern verdächtig war. Hier wie im ganzen Königreich floss das Blut der Unglücklichen, die oft kaum das Verbrechen wussten, um dessentwillen sie den Tod erlitten. Ohne alle Gerichtsform warf man sie, Arme und Füße gebunden, in die Loire, weil die Hände der Nachrichter nicht mehr zureichen wollten. Nur wenige von hervorstechenderem Rang behielt man der Justiz vor, um durch ihre solche Verurteilung das vorhergegangene Blutbad zu beschönigen. 

   Indem die Verschwörung ein so unglückliches Ende nahm und so viele unwissende Werkzeuge derselben der Rache der Guisen aufgeopfert wurden, spielte der Prinz von Condé, der Schuldigste von allen und der unsichtbare Lenker des Ganzen, seine Rolle mit beispielloser Verstellungskunst und wagte es, dem Verdacht Trotz zu bieten, der ihn allgemein anklagte. Auf die Undurchdringlichkeit seines Geheimnisses sich stützend und überzeugt, dass die Tortur selbst seinen Anhängern nicht entreißen könnte, was sie nicht wussten, verlangte er Gehör bei dem König und drang darauf, sich förmlich und öffentlich rechtfertigen zu dürfen. Er tat dieses in Gegenwart des ganzen Hofes und der auswärtigen Gesandten, welche ausdrücklich dazu geladen waren, mit dem edlen Unwillen eines unschuldig Angeklagten, mit der ganzen Festigkeit und Würde, welche sonst nur das Bewusstsein einer gerechten Sache einzuflößen pflegt. 

   „Sollte“, schloss er, „sollte jemand verwegen genug sein, mich als den Urheber der Verschwörung anzuklagen, zu behaupten, dass ich damit umgegangen, die Franzosen gegen die geheiligte Person ihres Königs aufzuwiegeln, so entsage ich hiermit dem Vorrecht meines Ranges und bin bereit, ihm mit diesem Degen zu beweisen, dass er lügt.“ – „Und ich“, nahm Franz von Guise das Wort, „ich werde es nimmermehr zugeben, dass ein so schwarzer Verdacht einen so großen Prinzen entehre. Erlauben Sie mir also, Ihnen in diesem Zweikampf zu sekundieren.“ Und mit diesem Possenspiel wurde eine der blutigsten Verschwörungen geendigt, welche die Geschichte kennt, ebenso merkwürdig durch ihren Zweck und durch das große Schicksal, welches dabei auf dem Spiel stand, als durch ihre Verborgenheit und List, mit der sie geleitet wurde. 

   Noch lange nachher blieben die Meinungen über die wahren Triebfedern und den eigentlichen Zweck dieser Verschwörung geteilt; der Privatvorteil beider Parteien verleitete sie, den richtigen Gesichtspunkt zu verfälschen. Wenn die Reformierten in ihren öffentlichen Schriften ausbreiteten, dass einzig und allein der Verdruss über die unerträgliche Tyrannei der Guisen sie bewaffnet habe und der Gedanke fern von ihnen gewesen sei, durch gewaltsame Mittel die Religionsfreiheit durchzusetzen, so wurde im Gegenteil die Verschwörung in den königlichen Briefen als gegen die Person des Monarchen selbst und gegen das ganze königliche Haus gerichtet vorgestellt, welche nichts Geringeres erzielt haben solle, als die Monarchie zugleich mit der katholischen Religion umzustürzen und Frankreich in einen der Schweiz ähnlichen Republikenbund zu verwandeln. Es scheint, dass der bessere Teil der Nation anders davon geurteilt und nur die Verlegenheit der Guisen sich hinter diesen Vorwand geflüchtet habe, um dem allgemein gegen sie erwachenden Unwillen eine andere Richtung zu geben. Das Mitleid mit den Unglücklichen, die ihre Rachsucht so grausam dahin geopfert hatte, machte auch sogar eifrige Katholiken geneigt, die Schuld derselben zu verringern, und die Protestanten kühn genug, ihren Anteil an dem Komplott laut zu bekennen. Diese ungünstige Stimmung der Gemüter erinnerte die Minister nachdrücklicher, als offenbare Gewalt es nimmermehr gekonnt hätte, dass es Zeit sei, sich zu mäßigen; und so verschaffte selbst der Fehlschlag des Komplotts von Amboise den Kalvinisten im Königreich, auf eine Zeit lang wenigstens, eine gelindere Behandlung. 

   Um, wie man vorgab, den Samen der Unruhen zu ersticken und auf einem friedlichen Weg das Königreich zu beruhigen, verfiel man darauf, mit den Vornehmsten des Reichs eine Beratschlagung anzustellen. Zu diesem Ende beriefen die Minister die Prinzen des Geblüts, den hohen Adel, die Ordensritter und die vornehmsten Magistratspersonen nach Fontainebleau, wo jene wichtigen Materien verhandelt werden sollten. Diese Versammlung erfüllte aber weder die Erwartung der Nation, noch die Wünsche der Guisen, weil das Misstrauen der Bourbons* ihnen nicht erlaubte, darauf zu erscheinen, und die übrigen Anführer der missvergnügten Partei, die den Ruf nicht wohl ausschlagen konnten, den Krieg auf die Versammlung mitbrachten und durch ein zahlreiches, gewaffnetes Gefolge die Gegenpartei in Verlegenheit setzten. Aus den nachherigen Schritten der Minister möchte man den Argwohn der Prinzen nicht ganz für so ungegründet halten, welche diese ganze Versammlung nur als einen Staatsstreich der Guisen betrachteten, um die Häupter der Missvergnügten ohne Blutvergießen in einer Schlinge zu fangen. Da die gute Verfassung ihrer Gegner diesen Anschlag vereitelte, so ging die Versammlung selbst in unnützen Formalitäten und leeren Gezänken vorüber, und zuletzt wurden die streitigen Punkte bis zu einem allgemeinen Reichstag zurückgelegt, welcher mit nächstem in der Stadt Orleans eröffnet werden sollte. 

   Jeder Teil, voll Misstrauen gegen den andern, benutzte die Zwischenzeit, sich in Verteidigungsstand zu setzen und an dem Untergang seiner Gegner zu arbeiten. Der Fehlschlag des Komplotts von Amboise hatte den Intrigen des Prinzen von Condé kein Ziel setzen können. In Dauphiné, Provence und andern Gegenden brachte er durch seine geheimen Unterhändler die Kalvinisten in Bewegung und ließ seine Anhänger zu den Waffen greifen. Seinerseits ließ der Herzog von Guise die ihm verdächtigen Plätze mit Truppen besetzen, veränderte die Befehlshaber der Festungen und sparte weder Geld noch Mühe, von jedem Schritt der Bourbons* Wissenschaft zu erhalten. Mehrere ihrer Unterhändler wurden wirklich entdeckt und in Fesseln geworfen; verschiedene wichtige Papiere, welche über die Machenschaften des Prinzen Licht gaben, gerieten in seine Hände. Dadurch gelang es ihm, den verderblichen Anschlägen auf die Spur zu kommen, welche Condé gegen ihn schmiedete und auf dem Reichstag zu Orleans Willens war, zur Ausführung zu bringen. Eben dieser Reichstag beunruhigte die Bourbons* nicht wenig, welche gleichviel dabei zu wagen schienen, sie mochten sich davon ausschließen, oder auf demselben erscheinen. Weigerten sie sich, den wiederholten Mahnungen des Königs zu gehorchen, so hatten sie alles für ihre Besitzungen, überlieferten sie sich ihren Feinden, so hatten sie nicht minder für ihre persönliche Sicherheit zu fürchten. Nach langen Beratschlagungen blieb es endlich bei dem letzten und beide Bourbons* entschlossen sich zu diesem unglücklichen Gang. 

   Unter traurigen Vorbedeutungen näherte sich dieser Reichstag, und statt des wechselseitigen Vertrauens, welches so nötig war, Haupt und Glieder zu einem Zweck zu vereinigen und durch gegenseitige Nachgiebigkeit den Grund zu einer dauerhaften Versöhnung zu legen, erfüllten Argwohn und Erbitterung die Gemüter. Anstatt der erwarteten Gesinnungen des Friedens brachte jeder Teil ein unversöhnliches Herz und schwarze Anschläge auf die Versammlung mit, und das Heiligtum der öffentlichen Sicherheit und Ruhe war zu einem blutigen Schauplatz des Verrats und der Rache erkoren. Furcht vor Nachstellungen, welche die Guisen unaufhörlich ihm vorspiegelten, vergiftete die Ruhe des Königs, der in der Blüte seiner Jahre sichtbar dahinwelkte, von seinen nächsten Verwandten den Dolch gegen sich gezogen und, unter allen Vorzeichen des öffentlichen Elends, unter seinen Füßen das Grab sich schon öffnen sah. Melancholisch und Unglück weissagend war sein Einzug in die Stadt Orleans und das dumpfe Getöse von Gewaffneten erstickte jeden Ausbruch der Freude. Die ganze Stadt wurde sogleich mit Soldaten angefüllt, welche jedes Tor, jede Straße besetzten. So ungewöhnliche Anstalten verbreiteten überall Unruhe und Angst und ließen einen finstern Anschlag im Hinterhalt befürchten. 

   Das Gerücht davon drang bis zu den Bourbons*, noch ehe sie Orleans erreicht hatten und machte sie eine zeitlang unschlüssig, ob sie die Reise dahin fortsetzen sollten. 

   Aber hätten sie auch ihren Vorsatz geändert, so kam die Reue jetzt zu spät; denn ein Observationskorps des Königs, welches von allen Seiten sie umringte, hatte ihnen bereits jeden Rückweg abgeschnitten. So erschienen sie am 30. Oktober 1560 zu Orleans, begleitet von dem Kardinal von Bourbon*, ihrem Bruder, den ihnen der König mit den heiligsten Versicherungen seiner aufrichtigen Absichten entgegen gesandt hatte. 

   Der Empfang, den sie erhielten, widersprach diesen Versicherungen sehr. Schon von weitem verkündigte ihnen die frostige Miene der Minister und die Verlegenheit der Hofleute ihren Fall. Finsterer Ernst malte sich auf dem Gesicht des Monarchen, als sie vor ihn traten, ihn zu begrüßen, welcher bald gegen den Prinzen in die heftigsten Anklagen ausbrach. Alle Verbrechen, deren man letztern bezichtigte, wurden ihm der Reihe nach vorgeworfen, und der Befehl zu seiner Verhaftung ist ausgesprochen, ehe er Zeit hat, auf diese überraschenden Beschuldigungen zu antworten. 

   Ein so rascher Schritt durfte nicht bloß zur Hälfte getan werden. Papiere, die wider den Gefangenen zeugten, waren schon in Bereitschaft und alle Aussagen gesammelt, welche ihn zum Verbrecher machten; nichts fehlte als die Form des Gerichts. Zu diesem Ende setzte man eine außerordentliche Kommission nieder, welche aus dem Pariser Parlament gezogen war und den Kanzler von Hopital an ihrer Spitze hatte. Vergebens berief sich der Angeklagte auf das Vorrecht seiner Geburt, nach welcher er nur von dem König selbst, den Pairs und dem Parlament bei voller Sitzung gerichtet werden konnte. Man zwang ihn, zu antworten und gebrauchte dabei noch die Arglist, über einen Privataufsatz, der nur für seinen Advokaten*bestimmt, aber unglücklicherweise von des Prinzen Hand unterzeichnet war, als über eine förmliche gerichtliche Verteidigung zu erkennen. Fruchtlos blieben die Verwendungen seiner Freunde, seiner Familie; vergeblich der Fußfall seiner Gemahlin vor dem König, der in dem Prinzen nur den Räuber seiner Krone, seinen Mörder erblickte. Vergeblich erniedrigte sich der König von Navarra vor den Guisen selbst, die ihn mit Verachtung und Härte zurückwiesen. Indem er für das Leben eines Bruders flehte, hing der Dolch der Verräter an einem dünnen Haar über seinem eigenen Haupt. In den eignen Zimmern des Monarchen erwartete ihn eine Rotte von Meuchelmördern, welche, der genommnen Abrede gemäß, über ihn herfallen sollten, sobald der König durch einen heftigen Zank mit demselben ihnen das Zeichen dazu gäbe. Das Zeichen kam nicht, und Anton von Navarra ging unbeschädigt aus dem Kabinett des Monarchen, der zwar unedel genug, einen Meuchelmord zu beschließen, doch zu verzagt war, denselben in seinem Beisein vollstrecken zu lassen. 

   Entschlossener gingen die Guisen gegen Condé zu Werke, umso mehr, da die hinsinkende Gesundheit des Monarchen sie eilen hieß. Das Todesurteil war gegen ihn gesprochen, die Sentenz von einem Teil der Richter schon unterzeichnet, als man den König auf einmal rettungslos daniederliegen sah. Dieser entscheidende Umstand machte die Gegner des Prinzen stutzig und erweckte den Mut seiner Freunde; bald erfuhr der Verurteilte selbst die Wirkungen davon in seinem Gefängnis. Mit bewundernswürdigem Gleichmut und unbewölkter Heiterkeit des Geistes erwartete er hier, von der ganzen Welt abgesondert und von lauernden, feindseligen Wächtern umringt, den Ausschlag seines Schicksals, als ihm unerwartet Vorschläge zu einem Vergleich mit den Guisen getan wurden. „Kein Vergleich“, erwiderte er, „als mit der Degenspitze.“ Der zur rechten Zeit einfallende Tod des Monarchen ersparte es ihm, dieses unglückliche Wort mit seinem Kopf zu bezahlen. 

   Franz II. hatte den Thron in so zarter Jugend bestiegen, unter so wenig günstigen Umständen und bei so wankender Gesundheit besessen und so schnell wieder geräumt, dass man Anstand nehmen muss, ihn wegen der Unruhen anzuklagen, die seine kurze Regierung so stürmisch machten und sich auf seinen Nachfolger vererbten. Ein willenloses Organ der Königin, seiner Mutter, und der Guisen, seiner Oheime, zeigte er sich auf der politischen Bühne nur, um mechanisch die Rolle herzusagen, welche man ihn einlernen ließ, und zu viel war es wohl von seinen mittelmäßigen Gaben gefordert, das lügnerische Gewebe zu durchreißen, worin die Arglist der Guisen ihm die Wahrheit verhüllte. Nur ein einziges Mal schien es, als ob sein natürlicher Verstand und seine Gutmütigkeit die betrügerischen Künste seiner Minister zunichte machen wollte. Die allgemeine und heftige Erbitterung, welche bei dem Komplott von Amboise sichtbar wurde, konnte, wie sehr auch die Guisen ihn hüteten, dem jungen Monarchen kein Geheimnis bleiben. Sein Herz sagte ihm, dass dieser Ausbruch des Unwillens nimmermehr ihm selbst gelten konnte, der noch zu wenig gehandelt hatte, um jemandes Zorn zu verdienen. „Was hab’ ich denn gegen mein Volk verbrochen,“ fragte er seine Oheime voll Erstaunen, „dass es so sehr gegen mich wütet? Ich will seine Beschwerden vernehmen und ihm Recht verschaffen. – Mir deucht“, fuhr er fort, „es liegt am Tag, dass ihr dabei gemeint seid. Es wäre mir wirklich lieb, ihr entferntet euch eine Zeit lang aus meiner Gegenwart, damit es sich aufkläre, wem von uns beiden es eigentlich gilt.“ Aber zu einer solchen Probe bezeigten die Guisen keine Lust und es blieb bei dieser flüchtigen Regung. 

   Franz II. war ohne Nachkommenschaft gestorben, und das Szepter kam an den zweiten von Heinrichs Söhnen, einen Prinzen von nicht mehr als zehn Jahren, jenen unglücklichen Jüngling, dessen Namen das Blutbad der Bartholomäusnacht* einer schrecklichen Unsterblichkeit weiht. Unter unglücksvollen Zeichen begann diese finstere Regierung. Ein naher Verwandter des Monarchen an der Schwelle des Blutgerüstes, ein anderer aus den Händen der Meuchelmörder nur eben durch einen Zufall entronnen; beide Hälften der Nation gegeneinander im Aufruhr begriffen, und ein Teil derselben schon die Hand am Schwert; die Fackel des Fanatismus geschwungen; von fern schon das hohle Donnern eines bürgerlichen Kriegs; der ganze Staat auf dem Weg zu seiner Zertrümmerung; Verräterei im Innern des Hofes, im Innern der königlichen Familie Zwiespalt und Argwohn. Im Charakter der Nation eine widersprechende, schreckliche Mischung von blindem Aberglauben, von lächerlicher Mystik und von Freigeisterei; von Rohheit der Gefühle und verfeinerter Sinnlichkeit; hier die Köpfe durch eine fanatische Mönchsreligion verfinstert, dort durch einen noch schlimmern Unglauben der Charakter verwildert; beide Extreme des Wahnsinns in fürchterlichem Bund gepaart. Unter den Großen selbst Mord gewohnte Hände, Trug gewohnte Lippen, naturwidrige empörende Laster, die bald genug alle Klassen des Volks mit ihrem Gift durchdringen werden. Auf dem Thron ein Unmündiger in machiavellischen Künsten aufgesäugt, heranwachsend unter bürgerlichen Stürmen, durch Fanatiker und Schmeichler erzogen, unterrichtet im Betrug, unbekannt mit dem Gehorsam eines glücklichen Volks, ungeübt im Verzeihen, nur durch das schreckliche Recht des Strafens seines Herrscheramtes sich bewusst, durch Krieg und Henker vertraut gemacht mit dem Blut seiner Untertanen! Von den Drangsalen eines offenbaren Kriegs stürzt der unglücksvolle Staat in die schreckliche Schlinge einer verborgen lauernden Verschwörung; von der Anarchie einer vormundschaftlichen Regierung befreit ihn nur eine kurze fürchterliche Ruhe, während welcher der Meuchelmord seine Dolche schleift. Frankreichs traurigster Zeitraum beginnt mit der Thronbesteigung Karls IX., um über ein Menschenalter lang zu dauern und nicht eher als in der glorreichen Regierung Heinrichs von Navarra zu endigen. 

   Der Tod ihres Erstgebornen und Karls IX. zartes Alter führte die Königin Mutter, Katharina von Medici, auf den politischen Schauplatz, eine neue Staatskunst und neue Szenen des Elends mit ihr. Diese Fürstin, geizig nach Herrschaft, zur Intrige geboren, ausgelernt im Betrug, Meisterin in allen Künsten der Verstellung, hatte mit Ungeduld die Fesseln ertragen, welche der alles verdrängende Despotismus der Guisen ihrer herrschenden Leidenschaft anlegte. Unterwürfig und einschmeichelnd gegen sie, solange sie des Beistands der Königin wider Montmorency und die Prinzen von Bourbon* bedurften, vernachlässigten sie dieselbe, sobald sie sich nur in ihrer usurpierten Würde befestigt sahen. Durch Fremdlinge sich aus dem Vertrauen ihres Sohnes verdrängt und die wichtigsten Staatsgeschäfte ohne sie verhandelt zu sehen, war eine zu empfindliche Kränkung ihrer Herrschbegierde, um mit Gelassenheit ertragen zu werden. Wichtig zu sein, war ihre herrschende Neigung; ihre Glückseligkeit, jeder Partei notwendig sich zu wissen. Nichts gab es, was sie nicht dieser Neigung aufopferte, aber alle ihre Tätigkeit war auf das Feld der Intrige eingeschränkt, wo sie ihre Talente glänzend entwickeln konnte. Die Intrige allein war ihr wichtig, gleichgültig die Menschen. Als Regentin des Reichs und Mutter von drei Königen mit der misslichen Pflicht beladen, die angefochtene Autorität ihres Hauses gegen wütende Parteien zu behaupten, hatte sie dem Trotz der Großen nur Verschlagenheit, der Gewalt nur List entgegen zu setzen. In der Mitte zwischen den streitenden Fraktionen der Guisen und der Prinzen von Bourbon* beobachtete sie lange Zeit eine unsichere Staatskunst, unfähig nach einem festen und unwiderruflichen Plan zu handeln. Heute, wenn der Verdruss über die Guisen ihr Gemüt beherrschte, der reformierten Partei hingegeben, errötete sie morgen nicht, wenn ihr Vorteil es heischte, sich eben diesen Guisen, die ihrer Neigung zu schmeicheln gewusst hatten, zu einem Werkzeug dazu zu borgen*. Dann stand sie keinen Augenblick an, alle Geheimnisse preiszugeben, die ein unvorsichtiges Vertrauen bei ihr niedergelegt hatte. Nur ein einziges Laster beherrschte sie, aber welches die Mutter ist von allen: Zwischen Bös und Gut keinen Unterschied zu kennen. Die Zeitumstände spielten mit ihrer Moralität und der Augenblick fand sie gleich geneigt zur Unmenschlichkeit und zur Milde, zur Demut und zum Stolz, zur Wahrheit und zur Lüge. Unter der Herrschaft ihres Eigennutzes stand jede andre Leidenschaft, und selbst die Rachsucht, wenn das Interesse es forderte, musste schweigen. Ein fürchterlicher Charakter, nicht weniger empörend, als jene verrufenen Scheusale der Geschichte, welche ein plumper Pinsel ins Ungeheure malt. 

   Aber indem ihr alle sittlichen Tugenden fehlten, vereinigte sie alle Talente ihres Standes, alle Tugenden der Verhältnisse, alle Vorzüge des Geistes, welche sich mit einem solchen Charakter vertragen; aber sie entweihte alle, indem sie sie zu Werkzeugen dieses Charakters erniedrigte. Majestät und königlicher Anstand sprach aus ihr; glänzend und geschmackvoll war alles, was sie anordnete; hingerissen jeder Blick, der nur nicht in ihre Seele fiel; alles, was sich ihr nahte, von der Anmut ihres Umgangs, von dem geistreichen Inhalt ihres Gesprächs, von ihrer zuvorkommenden Güte bezaubert. Nie war der französische Hof so glanzvoll gewesen, als seitdem Katharina Königin dieses Hofes war. Alle verfeinerten Sitten Italiens verpflanzte sie auf französischen Boden, und ein fröhlicher Leichtsinn herrschte an ihrem Hof, selbst unter den Schrecknissen des Fanatismus und mitten im Jammer des bürgerlichen Kriegs. Jede Kunst fand Aufmunterung bei ihr, jedes andre Verdienst, als um die gute Sache, Bewunderung. Aber im Gefolge der Wohltaten, die sie ihrem neuen Vaterland brachte, verbargen sich gefährliche Gifte, welche die Sitten der Nation ansteckten und in den Köpfen einen unglücklichen Schwindel erregten. Die Jugend des Hofes, durch sie von dem Zwang der alten Sitte befreit und zur Ungebundenheit eingeweiht, überließ sich bald ohne Rückhalt ihrem Hang zum Vergnügen; mit dem Putz der Ahnen lernte man nur zu bald ihre Schamhaftigkeit und Tugend ablegen. Betrug und Falschheit verdrängten aus dem gesellschaftlichen Umgang die edle Wahrheit der Ritterzeiten und das kostbarste Palladium des Staats, Treu und Glaube, verlor sich, wie aus dem Innern der Familien, so aus dem öffentlichen Leben. Durch den Geschmack an astrologischen* Träumereien, welchen sie mit sich aus ihrem Vaterland brachte, führte sie dem Aberglauben eine mächtige Verstärkung zu; diese Torheit des Hofes stieg schnell zu den untersten Klassen herab, um zuletzt ein verderbliches Instrument in der Hand des Fanatismus zu werden. Aber das traurigste Geschenk, was sie Frankreich machte, waren drei Könige, ihre Söhne, die sie in ihrem Geist erzog und mit ihren Grundsätzen auf den Thron setzte. 

   Die Gesetze der Natur und des Staates riefen die Königin Katharina, während der Minderjährigkeit ihres Sohns, zur Regentschaft, aber die Umstände, unter welchen sie davon Besitz nehmen sollte, schlugen ihren Mut sehr danieder. Die Stände waren in Orleans versammelt, der Geist der Unabhängigkeit erwacht und zwei mächtige Parteien gegeneinander zum Kampf gerüstet. Nach Herrschaft strebten die Häupter beider Fraktionen; keine königliche Gewalt war da, um dazwischen zu treten und ihren Ehrgeiz zu beschränken; und die Anordnung der vormundschaftlichen Regierung, die jenen Mangel ersetzen sollte, konnte nun das Werk ihrer beiderseitigen Übereinstimmung werden. Der König war noch nicht tot, als sich Katharina von beiden Teilen heftig angegangen und zu den entgegen gesetztesten Maßregeln angefordert sah. Die Guisen und ihr Anhang, pochend auf die Hilfe der Stände, deren größter Teil von ihnen gewonnen war, gestützt auf den Beistand der ganzen katholischen Partei, lagen ihr dringend an, die Sentenz gegen den Prinzen von Condé vollstrecken zu lassen und mit diesem einzigen Streich das Bourbonische* Haus zu zerschmettern, dessen furchtbares Aufstreben ihr eignes bedrohte. Auf der andern Seite bestürmte sie Anton von Navarra, die ihr zufallende Macht zur Rettung seines Bruders anzuwenden und sich dadurch der Unterwürfigkeit seiner ganzen Partei zu versichern. Keinem von beiden Teilen fiel es ein, die Ansprüche der Königin auf die Regentschaft anzufechten. Das nachteilige Verhältnis, in welchem der Tod des Königs die Prinzen von Bourbon* überraschte, mochte sie abschrecken, für sich selbst, wie sie sonst wohl getan hätten, nach diesem Ziel zu streben; deswegen verhielten sie sich lieber stumm, um nicht durch die Zweifel, die sie gegen die Rechte Katharines erregt haben würden, dem Ehrgeiz der Guisen eine Ermunterung zu geben. Auch die Guisen wollten durch ihren Widerspruch nicht gerne Gefahr laufen, der Nation die nähern Rechte der Bourbons* in Erinnerung zu bringen. Durch schweigende Anerkennung der Rechte Katharines schlossen beide Parteien einander gegenseitig von der Kompetenz aus, und jede hoffte, unter dem Namen der Königin ihre ehrgeizigen Absichten leichter erreichen zu können.

   Katharina, durch die weisen Rathschläge des Kanzlers von Hopital geleitet, erwählte den staatsklugen Ausweg, sich keiner von beiden Parteien zum Werkzeuge gegen die andere herzugeben und durch ein wohl gewähltes Mittel zwischen beiden den Meister über sie zu spielen. Indem sie den Prinzen von Condé der ungestümen Rachsucht seiner Gegner entriss, machte sie diesen wichtigen Dienst bei dem König von Navarra geltend und versicherte die lothringischen Prinzen ihres mächtigsten Beistands, wenn sich die Bourbons* unter der neuen Regierung an die Misshandlungen, welche sie unter der vorigen erlitten, tätlich erinnern sollten. Mit Hilfe dieser Staatskunst sah sie sich, unmittelbar nach dem Absterben des Monarchen, ohne jemands Widerspruch und selbst ohne Zutun der in Orleans versammelten Stände, die untätig dieser wichtigen Begebenheit zusahen, im Besitz der Regentschaft und der erste Gebrauch, den sie davon machte, war, durch Emporhebung der Bourbons* das Gleichgewicht zwischen beiden Parteien wieder herzustellen. Condé verließ unter ehrenvollen Bedingungen sein Gefängnis, um auf den Gütern seines Bruders die Zeit seiner Rechtfertigung abzuwarten; dem König von Navarra wurde mit dem Posten eines Generalleutnants des Königreichs ein wichtiger Zweig der höchsten Gewalt übergeben. Die Guisen retteten wenigstens ihre künftigen Hoffnungen, indem sie sich bei Hof behaupteten, und konnten der Königin wider den Ehrgeiz der Bourbons* zu einer mächtigen Stütze dienen. 

   Ein Schein von Ruhe kehrte jetzt zwar zurück, aber viel fehlte noch, ein aufrichtiges Vertrauen zwischen so schwer verwundeten Gemütern zu begründen. Um dies zu bewerkstelligen, warf man die Augen auf den Connetable von Montmorency, den der Despotismus der Guisen unter der vorigen Regierung entfernt gehalten hatte und die Thronveränderung jetzt auf seinen alten Schauplatz zurückführte. Voll redlichen Eifers für das Beste des Vaterlands, seinem König treu wie seinem Glauben, war Montmorency just der Mann, der zwischen die Regentin und ihren Minister in die Mitte treten, ihre Aussöhnung verbürgen und die Privatzwecke beider dem Besten des Staats unterwerfen könnte. Die Stadt Orleans, von Soldaten angefüllt, wodurch die Guisen ihre Gegner geschreckt und den Reichstag beherrscht hatten, zeigte überall noch Spuren des Kriegs, als der Connetable davor anlangte und sogleich die Wache an den Toren verabschiedete. „Mein Herr und König“, sagte er, „wird fortan in voller Sicherheit und ohne Leibwache in seinem ganzen Königreich hin- und herwandeln.“ – „Fürchten Sie nichts, Sire!“, redete er den jungen Monarchen an, ein Knie vor ihm beugend und seine Hand küssend, auf die er Tränen fallen ließ. „Lassen Sie sich von den gegenwärtigen Unruhen nicht in Schrecken setzen. Mein Leben geb’ ich hin und alle Ihre guten Untertanen mit mir, Ihnen die Krone zu erhalten.“ – Auch hielt er insofern unverzüglich Wort, dass er die künftige Reichsverwaltung auf einen gesetzmäßigen Fuß setzte und die Grenzen der Gewalt zwischen der Königin Mutter und dem König von Navarra bestimmen half. Der Reichstag von Orleans, in keiner andern Absicht zusammenberufen, als um die Prinzen von Bourbon* in die Falle zu locken, und müßig, sobald jene Absicht vereitelt war, wurde jetzt nach dem theatralischen Gepränge einiger unnützen Beratschlagungen aufgehoben, um sich im Mai desselben Jahrs aufs Neue zu versammeln. Gerechtfertigt und im vollen Glanz seines vorigen Ansehens erschien der Prinz von Condé wieder am Hof, um über seine Feinde zu triumphieren. Seine Partei erhielt an dem Connetable eine mächtige Verstärkung. Jede Gelegenheit wurde nunmehr hervorgesucht, um die alten Minister zu kränken und alles schien sich zu ihrem Untergang vereinigen zu wollen. Ja, wenig fehlte, dass die nun herrschende Partei die Regentin nicht in die Notwendigkeit gesetzt hätte, zwischen Vertreibung der Lothringer und dem Verlust ihrer Regentschaft zu wählen. 

   Die Staatsklugheit der Königin hielt in diesem Sturm zwar die Guisen noch aufrecht, weil für sie selbst, für die Monarchie, vielleicht auch für die Religion alles zu fürchten war, sobald sie jene durch die Bourbonische*Faktion unterdrücken ließ. Aber eine so schwache und wandelbare Stütze konnte die Guisen nicht beruhigen, und noch weniger konnte die untergeordnete Rolle, mit welcher sie jetzt vorlieb nehmen mussten, ihre Ehrsucht befriedigen. Auch hatten sie es nicht an Tätigkeit fehlen lassen, die Protektion der Königin sich künftig entbehrlich zu machen und der voreilige Triumph ihrer Gegner musste ihnen selbst dazu helfen, ihre Partei zu verstärken. Der Hass ihrer Feinde, nicht zufrieden, sie vom Ruder der Regierung verdrängt zu haben, streckte nun auch die Hand nach ihren Reichtümern aus und forderte Rechenschaft von den Geschenken und Gnadengeldern, welche die lothringischen Prinzen und ihre Anhänger unter den vorhergehenden Regierungen zu erpressen gewusst hatten. Durch diese Forderung war außer den Guisen noch die Herzogin von Valentinois, der Marschall von St. André, ein Günstling Heinrichs II., und zum Unglück der Connetable selbst angegriffen, welcher sich die Freigebigkeit Heinrichs aufs Beste zu Nutzen gemacht hatte und noch außerdem durch seinen Sohn mit dem Haus der Herzogin in Verwandtschaft stand. Religionseifer war die einzige Schwäche und Habsucht das einzige Laster, welches die Tugenden des Montmorency befleckte und wodurch er den hinterlistigen Intrigen der Guisen eine Blöße gab. Die Guisen, mit dem Marschall und der Herzogin durch gemeinschaftliches Interesse verknüpft, benutzten diesen Umstand, um den Connetable zu ihrer Partei zu ziehen, und es gelang ihnen nach Wunsch, indem sie die doppelte Triebfeder des Geizes und des Religionseifers bei ihm in Bewegung setzten. Mit arglistiger Kunst schilderten sie ihm den Angriff der Kalvinisten auf ihre Besitzungen als einen Schritt ab, der zum Untergang des katholischen Glaubens abziele, und der betörte Greis ging umso leichter in diese Schlinge, je mehr ihm die Begünstigungen schon missfallen hatten, welche die Regentin seit einiger Zeit den Kalvinisten öffentlich angedeihen ließ. Zu diesem Betragen der Königin, welches so wenig mit ihrer übrigen Denkungsart übereinstimmte, hatten die Guisen selbst durch ihr verdächtiges Einverständnis mit Philipp II., König von Spanien, die Veranlassung gegeben. Dieser furchtbare Nachbar Frankreichs, dessen unersättliche Herrschsucht und Vergrößerungsbegierde fremde Staaten mit lüsternem Auge verschlang, indem er seine eignen Besitzungen nicht zu behaupten wusste, hatte auf die innern Angelegenheiten dieses Reichs schon längst seine Blicke geheftet, mit Wohlgefallen den Stürmen zugesehen, die es erschütterten, und durch die erkauften Werkzeuge seiner Absichten den Hass der Faktionen voll Arglist unterhalten. Unter dem Titel eines Beschützers despotisierte er Frankreich. Ein spanischer Ambassadeur schrieb in den Mauern von Paris den Katholiken das Betragen vor, welches sie in Absicht ihrer Gegner zu beobachten hätten, verwarf oder billigte ihre Maßregeln, je nachdem sie mit dem Vorteile seines Herrn übereinstimmten und spielte öffentlich und ohne Scheu den Minister. Die Prinzen von Lothringen hielten sich aufs Engste an denselben angeschlossen und keine wichtige Entschließung wurde von ihnen gefasst, an welcher der spanische Hof nicht Teil genommen hätte. Sobald die Verbindung der Guisen und des Marschalls von St. André mit Montmorency, welche unter dem Namen des Triumvirats bekannt ist, zustande gekommen war, so erkannten sie, wie man ihnen Schuld gibt, den König von Spanien als ihr Oberhaupt, der sie im Notfall mit einer Armee unterstützen sollte. So erhub sich aus dem Zusammenfluss zweier sonst streitenden Faktionen eine neue furchtbare Macht in dem Königreich, die, von dem ganzen katholischen Teil der Nation unterstützt, das Gleichgewicht in Gefahr setzte, welches zwischen beiden Religionsparteien hervorzubringen Katharina so bemüht gewesen war. Sie nahm daher auch jetzt zu ihrem gewöhnlichen Mittel, zu Unterhandlungen, ihre Zuflucht, um die getrennten Gemüter wenigstens in der Abhängigkeit von ihr selbst zu erhalten. Zu allen Streitigkeiten der Parteien musste die Religion gewöhnlich den Namen geben, weil diese allein es war, was die Katholiken des Königreichs an die Guisen und die Reformierten an die Bourbons* fesselte. Die Überlegenheit, welche das Triumvirat zu erlangen schien, bedrohte den reformierten Teil mit einer neuen Unterdrückung, die Widersetzlichkeit des letztern das ganze Königreich mit einem innerlichen Krieg und einzelne kleine Gefechte zwischen beiden Religionsparteien, einzelne Empörungen in der Hauptstadt, wie in mehreren Provinzen, waren schon Vorläufer desselben. Katharina tat alles, um die ausbrechende Flamme zu ersticken, und es gelang endlich ihren fortgesetzten Bemühungen, ein Edikt zustande zu bringen, welches die Reformierten zwar von der Furcht befreite, ihre Überzeugungen mit dem Tod zu büßen, aber ihnen nichtsdestoweniger jede Ausübung ihres Gottesdienstes und besonders die Versammlungen untersagte, um welche sie so dringend gebeten hatten. Dadurch wurde freilich für die reformierte Partei nur sehr wenig gewonnen, aber doch fürs erste der gefährliche Ausbruch ihrer Verzweiflung gehemmt und zwischen den Häuptern der Parteien am Hof eine scheinbare Versöhnung vorbereitet, welche freilich bewies, wie wenig das Schicksal ihrer Glaubensgenossen, welches sie doch beständig im Mund führten, den Anführern der Hugenotten wirklich zu Herzen ging. Die meiste Mühe kostete die Ausgleichung, welche zwischen dem Prinzen von Condé und dem Herzog von Guise unternommen wurde, und der König selbst wurde angewiesen, sich ins Mittel zu schlagen. Nachdem man zuvor über Worte, Gebärden und Handlungen übereingekommen war, wurde diese Komödie im Beisein des Monarchen eröffnet. „Erzählt uns“, sagte dieser zum Herzog von Guise, „wie es in Orleans eigentlich zugegangen ist?“ Und nun machte der Herzog von dem damaligen Verfahren gegen den Prinzen eine solche künstliche Schilderung, welche ihn selbst von jedem Anteil daran reinigte und alle Schuld auf den verstorbenen König wälzte. – „Wer es auch sei, der mir diese Beschimpfung zufügte“, antwortete Condé, gegen den Herzog gewendet, „so erkläre ich ihn für einen Frevler und einen Niederträchtigen.“ – „Ich auch“, erwiderte der Herzog; „aber mich trifft das nicht.“ 

   Die Regentschaft der Königin Katharina war die Periode der Unterhandlungen. Was diese nicht ausrichteten, sollte der Reichstag zu Pontoise und das Kolloquium zu Poissy zustande bringen, beide in der Absicht gehalten, um sowohl die politischen Beschwerden der Nation beizulegen, als eine wechselseitige Annäherung der Religionen zu versuchen. Der Reichstag zu Pontoise war nur die Fortsetzung dessen, der zu Orleans ohne Wirkung gewesen und auf den Mai dieses Jahrs 1561 ausgesetzt worden war. Auch dieser Reichstag ist bloß durch einen heftigen Angriff der Stände auf die Geistlichkeit merkwürdig, welche sich zu einem freiwilligen Geschenk (Don gratuit) entschloss, um nicht zwei Drittel ihrer Güter zu verlieren. 

   Das gütliche Religionsgespräch, welches zu Poissy, einem kleinen Städtchen unweit St. Germain, zwischen den Lehrern der drei Kirchen gehalten wurde, erregte ebenso vergebliche Erwartungen. In Frankreich sowohl als in Deutschland hatte man schon längst, um die Spaltungen in der Kirche beizulegen, ein allgemeines Konzil gefordert, welches sich mit Abstellung der Missbräuche, mit der Sittenverbesserung des Klerus und mit Festsetzung der bestrittenen Dogmen beschäftigen sollte. Diese Kirchenversammlung war auch wirklich im Jahr 1542 nach Trient zusammen berufen und mehrere Jahre fortgesetzt, aber, ohne die Hoffnung, welche man von ihr geschöpft hatte, zu erfüllen, durch die Kriegsunruhen in Deutschland im Jahre 1552 auseinander gescheucht worden. Seit dieser Zeit war kein Papst mehr zu bewegen gewesen, sie, dem allgemeinen Wunsch gemäß, zu erneuern, bis endlich das Übermaß des Elendes, welches die fortdauernden Irrungen in der Religion auf die Völker Europas häuften, Frankreich besonders vermochte, nachdrücklich darauf zu dringen und die Wiederherstellung desselben dem Papst Pius IV. durch Drohungen abzunötigen. Die Zögerungen des Papstes hatten indessen dem französischen Ministerium den Gedanken eingegeben, durch eine gütliche Besprechung zwischen den Lehrern der drei Religionen über die bestrittenen Punkte die Gemüter einander näher zu bringen und in Widerlegung der ketzerischen Behauptungen die Kraft der Wahrheit zu zeigen. Eine Hauptabsicht dabei war, die große Verschiedenheit bei dieser Gelegenheit an den Tag zu bringen, welche zwischen dem Luthertum und Kalvinismus obwaltete, und dadurch den Anhängern des letztern den Schutz der deutschen Lutheraner zu entreißen, durch den sie so furchtbar waren. Diesem Beweggrunde vorzüglich schreibt man es zu, dass sich der Kardinal von Lothringen mit dem größten Nachdruck des Colloquiums annahm, bei welchem er zugleich durch seine theologische Wissenschaft und seine Beredsamkeit schimmern wollte. Um den Triumph der wahren Kirche über die falsche desto glänzender zu machen, sollten die Sitzungen öffentlich vor sich gehen. Die Regentin erschien selbst mit ihrem Sohn, mit den Prinzen des Geblüts, den Staatsministern und allen großen Bedienten der Krone, um die Sitzung zu eröffnen. Fünf Kardinäle, vierzig Bischöfe, mehrere Doktoren, unter welchen Claude D. Espensa durch seine Gelehrsamkeit und Scharfsinn hervorragte, stellten sich für die römische Kirche; zwölf auserlesene Theologen führten das Wort für die protestantische. Der ausgezeichnetste unter diesen war Theodor Beza, Prediger aus Genf, ein ebenso feiner als feuriger Kopf, ein mächtiger Redner, furchtbarer Dialektiker und der geschickteste Kämpfer in diesem Streit. 

   Aufgefordert, die Lehrsätze seiner Partei zuerst vorzutragen, erhub sich Beza in der Mitte des Saals, kniete hier nieder und sprach mit aufgehobnen Händen ein Gebet. Auf dieses ließ er sein Glaubensbekenntnis folgen, mit allen Gründen unterstützt, welche die Kürze der Zeit ihm erlaubte und endigte mit einem rührenden Blick auf die strenge Begegnung, welche man seinen Glaubensbrüdern bis jetzt in dem Königreich widerfahren ließ. Schweigend hörte man ihm zu; nur als er auf die Gegenwart des Leibes Christi im Abendmahl zu reden kam, entstand ein unwilliges Gemurmel in der Versammlung. Nachdem Beza geendigt, fragte man beieinander erst herum, ob man ihn einer Antwort würdigen sollte, und es kostete dem Kardinal von Lothringen nicht wenig Mühe, die Einwilligung der Bischöfe dazu zu erlangen. Endlich trat er auf und widerlegte in einer Rede voll Kunst und Beredsamkeit die wichtigsten Lehrsätze seines Gegners, diejenigen besonders, wodurch die Autorität der Kirche und die katholische Lehre vom Abendmahl angegriffen war. Man hatte es schon bereut, den jungen König zum Zeugen einer Unterredung gemacht zu haben, wobei die heiligsten Artikel der Kirche mit so viel Freiheit behandelt wurden. Sobald daher der Kardinal seinen Vortrag geendigt hatte, standen alle Bischöfe auf, umringten den König und riefen: „Sire, das ist der wahre Glaube! Das ist die reine Lehre der Kirche! Diese sind wir bereit mit unserm Blut zu versiegeln.“ 

   In den darauf folgenden Sitzungen, von denen man aber ratsamer gefunden, den König wegzulassen, wurden die übrigen Streitpunkte der Reihe nach vorgenommen und die Artikel vom Abendmahl besonders in Bewegung gebracht, um dem Genfischen Prediger seine eigentliche und positive Meinung davon zu entreißen. Da das Dogma der Lutheraner über diesen Punkt sich von dem der Reformierten bekanntlich noch weiter als von der Lehrmeinung der katholischen Kirche entfernt, so hoffte man, jene beiden Kirchen dadurch miteinander in Streit zu bringen. Aber nun wurde aus einem ernsthaften Gespräch, welches Überzeugung zum Zweck haben sollte, ein spitzfindiges Wortgefechte, wobei man sich mehr der Schlingen und Fechterkünste als der Waffen der Vernunft bediente. Ein engerer Ausschuss von fünf Doktoren auf jeder Seite, dem man zuletzt die Vollendung der ganzen Streitigkeit übergab, ließ sie eben so unentschieden und jeder Teil erklärte sich, als man auseinander ging, für den Sieger. 

   So erfüllte also auch dieses Colloquium in Frankreich die Erwartung nicht besser, als ein ähnliches in Deutschland, und man kam wieder zu den alten politischen Intrigen zurück, welche sich bisher immer am wirksamsten bewiesen. Besonders zeigte sich der römische Hof durch seine Legaten sehr geschäftig, die Macht des Triumvirats zu erheben, als auf welchem das Heil der katholischen Kirche zu beruhen schien. Zu diesem Ende suchte man den König von Navarra für dasselbe zu gewinnen und der reformierten Partei ungetreu zu machen; ein Entwurf, der auf den unsteten Charakter dieses Prinzen sehr gut berechnet war. Anton von Navarra, merkwürdiger durch seinen großen Sohn Heinrich IV. als durch eigne Taten, verkündigte durch nichts als durch seine Galanterien und seine kriegerische Tapferkeit den Vater Heinrichs IV. Ungewiss, ohne Selbständigkeit, wie sein kleiner Erbthron zwischen zwei furchtbaren Nachbarn erzitterte, schwankte seine verzagte Politik von einer Partei zur andern, sein Glaube von einer Kirche zur andern, sein Charakter zwischen Laster und Tugend umher. Sein ganzes Leben lang das Spiel fremder Leidenschaften, verfolgte er mit stets betrogner Hoffnung ein lügnerisches Phantom, welches ihm die Arglist seiner Nebenbuhler vorzuhalten wusste. Spanien, durch päpstliche Ränke unterstützt, hatte dem Haus Navarra einen beträchtlichen Teil dieses Königreichs entrissen und Philipp II., nicht dazu gemacht, eine Ungerechtigkeit, die ihm Nutzen brachte, wieder gutzumachen, fuhr fort, diesen Raub seiner Ahnen dem rechtmäßigen Erben zurückzuhalten. Einem so mächtigen Feind hatte Anton von Navarra nichts als die Waffen der Unmacht entgegen zu setzen. Bald schmeichelte er sich, der Billigkeit und Großmut seines Gegners durch Geschmeidigkeit abzugewinnen, was er von der Furcht desselben zu ertrotzen aufgab; bald, wenn diese Hoffnung ihn betrog, nahm er zu Frankreich seine Zuflucht und hoffte mit Hilfe dieser Macht in den Besitz seines Eigentums wieder eingesetzt zu werden. Von beiden Erwartungen getäuscht, widmete er sich im Unmut seines Herzens der protestantischen Sache, die er kein Bedenken trug zu verlassen, sobald nur ein Strahl von Hoffnung ihm leuchtete, dass derselbe Zweck durch ihre Gegner zu erreichen sei. Sklave seiner eigennützigen, furchtsamen Staatskunst, in seinen Entschlüssen wie in seinen Hoffnungen wandelbar, gehörte er nie ganz der Partei, deren Namen er führte und erkaufte sich, mit seinem Blut selbst, den Dank keiner einzigen, weil er es für beide verspritzte. 

   Auf diesen Fürsten richteten jetzt die Guisen ihr Augenmerk, um durch seinen Beitritt die Macht des Triumvirats zu verstärken; aber das Versprechen einer Zurückgabe von Navarra war bereits zu verbraucht, um bei dem oft getäuschten Fürsten noch einigen Eindruck machen zu können. Sie nahmen deshalb ihre Zuflucht zu einer neuen Erfindung, welche, obgleich nicht weniger grundlos als die vorigen, die Absicht ihrer Urheber aufs vollkommenste erfüllte. Nachdem es ihnen fehlgeschlagen war, den misstrauischen Prinzen durch das Anerbieten einer Vermählung mit der verwitweten Königin Maria Stuart und der daran haftenden Aussicht auf die Königreiche Schottland und England zu blenden, musste ihm Philipp II. von Spanien zum Ersatz für das entrissene Navarra die Insel Sardinien anbieten. Zugleich unterließ man nicht, um sein Verlangen danach zu reizen, die prächtigsten Schilderungen von den Vorzügen dieses Königreichs auszubreiten. Man zeigte ihm die nicht sehr entfernten Aussichten auf den französischen Thron, wenn der regierende Stamm in den schwächlichen Söhnen Heinrichs II. erlöschen sollte; eine Aussicht, die er sich durch sein längeres Beharren auf protestantischer Seite unausbleiblich verschließen würde. Endlich reizte man seine Eitelkeit durch die Betrachtung, dass er durch Aufopferung so großer Vorteile nicht einmal gewinne, die erste Rolle bei einer Partei zu spielen, die der Geist des Prinzen von Condé unumschränkt leite. So nachdrücklichen Vorstellungen konnte das schwache Gemüt des Königs von Navarra nicht lange widerstehen. Um bei der reformierten Partei nicht der Zweite zu sein, überließ er sich unbedingt der katholischen, um dort noch viel weniger zu bedeuten; und an dem Prinzen von Condé keinen Nebenbuhler zu haben, gab er sich an dem Herzog von Guise einen Herrn und Gebieter. Die Pomeranzenwälder von Sardinien, in deren Schatten er sich schon im voraus ein paradiesisches Leben träumte, umgaukelten seine Einbildungskraft, und blind warf er sich in die ihm gelegte Schlinge. Die Königin Katharina selbst wurde von ihm verlassen, um sich ganz dem Triumvirat hinzugeben, und die reformierte Partei sah einen Freund, der ihr nicht viel genutzt hatte, in einen offenbaren Feind verwandelt, der ihr noch weniger schadete. 

   Zwischen den Anführern beider Religionsparteien hatten die Bemühungen der Königin Katharina einen Schein des Friedens bewirkt, aber nicht eben so bei den Parteien, welche fort fuhren, einander mit dem grimmigsten Hass zu verfolgen. Jede unterdrückte oder neckte, wo sie die mächtigere war, die andere, und die beiderseitigen Oberhäupter sahen, ohne sich selbst einzumischen, diesem Schauspiel zu, zufrieden, wenn nur der Eifer nicht verglimmte und der Parteigeist dadurch in der Übung blieb. Obgleich das letztere Edikt der Königin Katharina den Reformierten alle öffentlichen Versammlungen untersagte, so kehrte man sich dennoch nirgends daran, wo man sich stark genug fühlte, ihm zu trotzen. In Paris sowohl als in den Provinzstädten wurden, dieses Edikts ungeachtet, öffentlich Predigten gehalten und die Versuche, sie zu stören, liefen nicht immer glücklich ab. Die Königin bemerkte diesen Zustand der Anarchie mit Furcht, indem sie voraussah, dass durch diesen Krieg im Kleinen nur die Schwerter zu einem größeren geschliffen würden. Es war daher dem staatsklugen und duldsamen Kanzler von Hopital, ihrem vornehmsten Ratgeber, nicht schwer, sie zu Aufhebung eines Edikts geneigt zu machen, welches, da es nicht konnte behauptet werden, nur das Ansehen der gesetzgebenden Macht entkräftete, die reformierte Partei mit Ungehorsam und Widersetzlichkeit vertraut machte und durch die Bestrebungen der katholischen, es geltend zu machen, einen unglücklichen Verfolgungsgeist zwischen beiden Teilen unterhielt. Auf Veranlassung dieses weisen Patrioten ließ die Regentin einen Ausschuss von allen Parlamentariern sich in St. Germain versammeln, welcher beratschlagen sollte: „Was in Absicht der Reformierten und ihrer Versammlungen (den innern Wert oder Unwert ihrer Religion durchaus bei Seite gelegt) zum Besten des Staats zu verfügen sei?“ – Die Antwort war in der Frage schon enthalten und ein den Reformierten sehr günstiges Edikt die Folge dieser Beratschlagung. In demselben gestattete man ihnen förmlich, sich, wiewohl außerhalb der Mauern und unbewaffnet, zu gottesdienstlichen Handlungen zu versammeln, und legte allen Obrigkeiten auf, diese Zusammenkünfte in ihren Schutz zu nehmen. Dagegen sollten sie gehalten sein, den Katholischen alle denselben entzogenen Kirchen und Kirchengeräte zurückzustellen, der katholischen Geistlichkeit, gleich den Katholiken selbst, die Gebühren zu entrichten, übrigens die Fest- und Feiertage und die Verwandtschaftsgrade bei ihren Heiraten nach den Vorschriften der herrschenden Kirche zu beobachten. Nicht ohne großen Widerspruch des Pariser Parlaments wurde dieses Edikt, vom Jänner 1562, wo es bekannt gemacht wurde, das Edikt des Jänners genannt, registriert und von den strengen Katholiken und der spanischen Partei mit ebenso viel Unwillen als von den Reformierten mit triumphierender Freude aufgenommen. Der schlimme Wille ihrer Feinde schien durch dasselbe entwaffnet und fürs erste zu einer gesetzmäßigen Existenz in dem Königreich ein wichtiger Schritt getan. Auch die Regentin schmeichelte sich, durch dieses Edikt zwischen beiden Kirchen eine unüberschreitbare Grenze gezogen, dem Ehrgeiz der Großen heilsame Fesseln angelegt und den Zunder des Bürgerkriegs auf lange erstickt zu haben. Doch war es eben dieses Edikt des Friedens, welches durch die Verletzung, die es erlitt, die Reformierten zu den gewaltsamsten Entschließungen brachte und den Krieg herbeiführte, welchen zu verhüten es gegeben war. 

   Dieses Edikt vom Jänner 1562 also, weit entfernt, die Absichten seiner Urheberin zu erfüllen und beide Religionsparteien in den Schranken der Ordnung zu halten, ermunterte die Feinde der letztern nur, desto verdecktere und schlimmere Pläne zu entwerfen. Die Begünstigungen, welche dieses Edikt den Reformierten erteilt hatte und der bedeutende Vorzug, den ihre Anführer, Condé und die Chatillons, bei der Königin genossen, verwundete tief den bigotten* Geist und die Ehrsucht des alten Montmorency, der beiden Guisen und der mit ihnen verbundenen Spanier. Schweigend zwar, aber nicht müßig, beobachteten sich die Anführer wechselweise untereinander und schienen nur das Moment zu erwarten, das dem Ausbruch ihrer verhaltenen Leidenschaft günstig war. Jeder Teil, fest entschlossen, Feindseligkeit mit Feindseligkeit zu erwidern, vermied sorgfältig, sie zu eröffnen, um in den Augen der Welt nicht als der Schuldige zu erscheinen. Ein Zufall leistete endlich, was beide in gleichem Grad wünschten und fürchteten. 

   Der Herzog von Guise und der Kardinal von Lothringen hatten seit einiger Zeit den Hof der Regentin verlassen und sich nach den deutschen Grenzen gezogen, wo sie den gefürchteten Eintritt der deutschen Protestanten in das Königreich desto leichter verhindern konnten. Bald aber fing die katholische Partei an, ihre Anführer zu vermissen und der zunehmende Kredit der Reformierten bei der Königin machte den Wunsch nach ihrer Wiederkunft dringend. Der Herzog trat also den Weg nach Paris an, begleitet von einem starken Gefolge, welches sich, so wie er fortschritt, vergrößerte. Der Weg führte ihn durch Vassy, an der Grenze von Champagne, wo zufälligerweise die reformierte Gemeine bei einer öffentlichen Predigt versammelt war. Das Gefolge des Herzogs, trotzig wie sein Gebieter, geriet mit dieser schwärmerischen Menge in Streit, welcher sich bald in Gewalttätigkeiten endigte; im unordentlichen Gewühl dieses Kampfes wurde der Herzog selbst, der herbeigeeilt war Frieden zu stiften, mit einem Steinwurf im Gesicht verwundet. Der Anblick seiner blutigen Wange setzte seine Begleiter in Wut, die jetzt gleich rasenden Tieren über die Wehrlosen herstürzen, ohne Ansehen des Geschlechts noch des Alters, was ihnen vorkommt, erwürgen und an den gottesdienstlichen Gerätschaften, die sie finden, die größten Entweihungen begehen. Das ganze reformierte Frankreich geriet über diese Gewalttätigkeit in Bewegung und an dem Thron der Regentin wurden durch den Mund des Prinzen von Condé und einer eigenen Deputation die heftigsten Klagen dagegen erhoben. Katharina tat alles, um den Frieden zu erhalten und weil sie überzeugt war, dass es nur auf die Häupter ankäme, um die Parteien zu beruhigen, so rief sie den Herzog von Guise dringend an den Hof, der sich damals zu Monceaux aufhielt, wo sie die Sache zwischen ihm und dem Prinzen von Condé zu vermitteln hoffte. 

   Aber ihre Bemühungen waren vergebens. Der Herzog wagte es, ihr ungehorsam zu sein und seine Reise nach Paris fortzusetzen, wo er, von einem zahlreichen Anhang begleitet und von einer ihm ganz ergebenen Menge tumultuarisch empfangen, einen triumphierenden Einzug hielt. Umsonst suchte Condé, der sich kurz zuvor in Paris geworfen, das Volk auf seine Seite zu neigen. Die fanatischen Pariser sahen in ihm nichts als den Hugenotten, den sie verabscheuten und in dem Herzog nur den heldenmütigen Verfechter ihrer Kirche. Der Prinz musste sich zurückziehen und den Schauplatz dem Überwinder einräumen. Nunmehr galt es, welcher von beiden Teilen es dem andern an Geschwindigkeit, an Macht, an Kühnheit zuvortäte. Indes der Prinz in aller Eile zu Meaux, wohin er entwichen war, Truppen zusammenzog und mit den Chatillons sich vereinigte, um den Triumvirn die Spitze zu bieten, waren diese schon mit einer starken Reiterei nach Fontainebleau aufgebrochen, um durch Besitznehmung von des jungen Königs Person ihre Gegner in die Notwendigkeit zu setzen, als Rebellen gegen ihren Monarchen zu erscheinen. 

   Schrecken und Verwirrung hatten sich gleich auf die erste Nachricht von dem Einzug des Herzogs in Paris der Regentin bemächtigt; in seiner steigenden Gewalt sah sie den Umsturz der ihrigen voraus. Das Gleichgewicht der Fraktionen, wodurch allein sie bisher geherrscht hatte, war zerstört und nur ihr offenbarer Beitritt konnte die reformierte Partei in den Stand setzen, es wieder herzustellen. Die Furcht, unter die Tyrannei der Guisen und ihres Anhangs zu geraten, Furcht für das Leben des Königs, für ihr eigenes Leben siegte über jede Bedenklichkeit. Jetzt unbesorgt vor dem sonst so gefürchteten Ehrgeiz der protestantischen Häupter, suchte sie sich nur vor dem Ehrgeiz der Guisen in Sicherheit zu setzen. Die Macht der Protestanten, welche allein ihr diese Sicherheit verschaffen konnte, bot sich ihrer ersten Bestürzung dar; vor der drohenden Gefahr musste jetzt jede andere Rücksicht schweigen. Bereitwillig nahm sie den Beistand an, der ihr von dieser Partei angeboten wurde und der Prinz von Condé wurde, welche Folgen auch dieser Schritt haben mochte, aufs dringendste angefordert, Sohn und Mutter zu verteidigen. Zugleich flüchtete sie sich, um von ihren Gegnern nicht überfallen zu werden, mit dem König nach Melun und von da nach Fontainebleau; welche Vorsicht aber die Schnelligkeit der Triumvirn vereitelte. 

   Sogleich bemächtigen sich diese des Königs, und der Mutter wird freigestellt, ihn zu begleiten oder sich nach Belieben einen anderen Aufenthalt zu wählen. Ehe sie Zeit hat, einen Entschluss zu fassen, setzt man sich in Marsch und unwillkürlich wird sie mit fortgerissen. Schrecknisse zeigen sich ihr, wohin sie blickt, überall gleiche Gefahr, auf welche Seite sie sich neige. Sie erwählt endlich die gewisse, um sich nicht in den größeren Bedrängnissen einer ungewissen zu verstricken, und ist entschlossen, sich an das Glück der Guisen anzuschließen. Man führt den König im Triumph nach Paris, wo seine Gegenwart dem fanatischen Eifer der Katholiken die Losung gibt, sich gegen die Reformierten alles zu erlauben. Alle ihre Versammlungsplätze werden von dem wütenden Pöbel gestürmt, die Türen eingesprengt, Kanzeln und Kirchenstühle zerbrochen und in Asche gelegt; der Kronfeldherr von Frankreich, der ehrwürdige Greis Montmorency, war es, der diese Heldentat vollführte. Aber diese lächerliche Schlacht war das Vorspiel eines desto ernsthaftern Krieges. 

   Nur um wenige Stunden hatte der Prinz von Condé den König in Fontainebleau verfehlt. Mit einem zahlreichen Gefolge war er, dem Wunsch der Regentin gemäß, sogleich aufgebrochen, sie und ihren Sohn unter seine Obhut zu nehmen; aber er langte nur an, um zu erfahren, dass die Gegenpartei ihm zuvorgekommen und der große Augenblick verloren sei. Dieser erste Fehlstreich schlug jedoch seinen Mut nicht nieder. „Da wir einmal so weit sind“, sagte er zu dem Admiral Coligny, „so müssen wir durchwaten, oder wir sinken unter.“ Er flog mit seinen Truppen nach Orleans, wo er eben noch recht kam, dem Obristen von Andelot, der hier mit großem Nachteil gegen die Katholischen focht, den Sieg zu verschaffen. Aus dieser Stadt beschloss er seinen Waffenplatz zu machen, seine Partei in derselben zu versammeln und seiner Familie, so wie ihm selbst, nach einem Unglücksfall eine Zuflucht darin offen zu halten. 

   Von beiden Seiten fing nun der Krieg mit Manifesten und Gegenmanifesten an, worin alle Bitterkeit des Parteihasses ausgegossen war und nichts als die Aufrichtigkeit vermisst wurde. Der Prinz von Condé forderte in den seinigen alle redlich denkenden Franzosen auf, ihren König und ihres Königs Mutter aus der Gefangenschaft befreien zu helfen, in welcher sie von den Guisen und deren Anhang gehalten würden. Durch eben diesen Besitz von des Königs Person suchten letztere die Gerechtigkeit ihrer Sache zu erweisen und alle getreuen Untertanen zu bewegen, sich unter die Fahnen ihres Königs zu versammeln. Er selbst, der minderjährige Monarch, musste in seinem Staatsrat erklären, dass er frei sei, so wie auch seine Mutter und das Edikt des Jänners bestätigen. Dieselbe Vorstellung wurde von beiden Seiten auch gegen auswärtige Mächte gebraucht. Um die deutschen Protestanten einzuschläfern, erklärten die Guisen, dass die Religion nicht im Spiel sei und der Krieg bloß den Aufrührern gelte. Der nämliche Kunstgriff wurde auch von dem Prinzen von Condé angewendet, um die auswärtigen katholischen Mächte von dem Interesse seiner Feinde abzuziehen. In diesem Wettstreit des Betruges verleugnete Katharina ihren Charakter und ihre Staatskunst nicht und von den Umständen gezwungen, eine doppelte Person zu spielen, verstand sie es meisterlich, die widersprechendsten Rollen in sich zu vereinigen. Sie leugnete öffentlich die Bewilligungen, welche sie dem Prinzen von Condé erteilt hatte und empfahl ihm ernstlich den Frieden, während dass sie im Stillen, wie man sagt, seine Werbungen begünstigte und ihn zu lebhafter Führung des Kriegs ermunterte. Wenn die Ordres des Herzogs von Guise an die Befehlshaber der Provinzen alles, was reformiert sei, zu erwürgen befahlen, so enthielten die Briefe der Regentin ganz entgegen gesetzte Befehle zur Schonung. 

   Bei diesen Maßregeln der Politik verlor man die Hauptsache, den Krieg selbst, nicht aus den Augen, und diese scheinbaren Bemühungen zu Erhaltung des Friedens verschafften dem Prinzen von Condé nur desto mehr Zeit, sich in wehrhaften Stand zu setzen. Alle reformierten Kirchen wurden von ihm aufgefordert, zu einem Krieg, der sie so nahe betraf, die nötigen Kosten herzuschießen, und der Religionseifer dieser Partei öffnete ihm ihre Schätze. Die Werbungen wurden aufs fleißigste betrieben, ein tapferer getreuer Adel bewaffnete sich für den Prinzen, und eine solche ausführliche Akte wurde aufgesetzt, die ganze zerstreute Partei in eins zu verbinden und den Zweck dieser Konföderation zu bestimmen. Man erklärte in derselben, dass man die Waffen ergriffen habe, um die Gesetze des Reichs, das Ansehen und selbst die Person des Königs gegen die gewalttätigen Anschläge gewisser ehrsüchtiger Köpfe in Schutz zu nehmen, die den ganzen Staat in Verwirrung stürzten. Man verpflichtete sich durch ein heiliges Gelübde, allen Gotteslästerungen, allen Entweihungen der Religion, allen abergläubische Meinungen und Gebräuchen, allen Ausschweifungen u.dgl. nach Vermögen sich zu widersetzen, welches ebenso viel war, als der katholischen Kirche förmlich den Krieg ankündigen. Endlich und schließlich erkannte man den Prinzen von Condé als das Haupt der ganzen Verbindung und versprach ihm Gut und Blut und den strengsten Gehorsam. Die Rebellion bekam von jetzt an eine mehr regelmäßige Gestalt, die einzelnen Unternehmungen mehr Beziehung aufs Ganze, mehr Zusammenhang; jetzt erst wurde die Partei zu einem organischen Körper, den ein denkender Geist beseelte. Zwar hatten sich Katholische und Reformierte schon lange vorher in einzelnen kleinen Kämpfen gegeneinander versucht; einzelne Edelleute hatten in verschiedenen Provinzen zu den Waffen gegriffen, Soldaten geworben, Städte durch Überfall gewonnen, das platte Land verheert, kleine Schlachten geliefert; aber diese einzelnen Operationen, so viel Drangsale sie auch auf die Gegenden häuften, die der Schauplatz derselben waren, blieben für das Ganze ohne Folgen, weil es sowohl an einem bedeutenden Platz als an einer Hauptarmee fehlte, die nach einer Niederlage den flüchtigen Truppen eine Zuflucht gewähren konnte. 

   Im ganzen Königreich waffnete man sich jetzt, hier zum Angriff und dort zur Gegenwehr; besonders erklärten sich die vornehmsten Städte der Normandie, und Rouen zuerst, zu Gunsten der Reformierten. Ein schrecklicher Geist der Zwietracht, der auch die heiligsten Bande der Natur und der politischen Gesellschaft auflöste, durchlief die Provinzen. Raub, Mord und mörderische Gefechte bezeichneten jeden Tag; der grausenvolle Anblick rauchender Städte verkündigte das allgemeine Elend. Brüder trennten sich von Brüdern, Väter von ihren Söhnen, Freunde von Freunden, um sich zu verschiedenen Führern zu schlagen und im blutigen Gemenge der Bürgerschaft sich schrecklich wieder zu finden. Unterdessen zog sich eine regelmäßige Armee unter den Augen des Prinzen von Condé in Orleans, eine andre in Paris unter Anführung des Connetable von Montmorency und der Guisen zusammen, beide gleich ungeduldig, das große Schicksal der Religion und des Vaterlands zu entscheiden. 

   Ehe es dazu kam, versuchte Katharina, gleich verlegen über jeden möglichen Ausschlag des Krieges, der ihr, welchen von beiden Teilen er auch begünstige, einen Herrn zu geben drohte, noch einmal den Weg der Vermittlung. Auf ihre Veranstaltung unterhandelten die Anführer zu Toury in Person und als dadurch nichts ausgerichtet wurde, wurde zu Talsy zwischen Chateaudun und Orleans eine neue Konferenz angefangen. Der Prinz von Condé drang auf Entfernung des Herzogs von Guise, des Marschalls von Saint André und des Connetable und die Königin hatte auch wirklich so viel von diesen erhalten, dass sie sich während der Konferenz auf einige Meilen von dem königlichen Lager entfernten. Nachdem auf diese Art der hauptsächlichste Grund des Misstrauens aus dem Weg geräumt war, wusste diese verschlagene Fürstin, der es eigentlich nur darum zu tun war, sich der Tyrannei sowohl des einen als des andern Teils zu entledigen, den Prinzen von Condé durch den Bischof von Valence, ihren Unterhändler, mit arglistiger Kunst dahin zu vermögen, dass er sich erbot, mit seinem ganzen Anhang das Königreich zu verlassen, wenn nur seine Gegner das Nämliche täten. Sie nahm ihn sogleich beim Wort und war im Begriff, über seine Unbesonnenheit zu triumphieren, als die allgemeine Unzufriedenheit der protestantischen Armee und eine reifere Erwägung des übereilten Schrittes den Prinzen bestimmte, die Konferenz schleunig abzubrechen und der Königin Betrug mit Betrug zu bezahlen. So misslang auch der letzte Versuch zu einer gütlichen Beilegung, und der Ausschlag beruhte nun auf den Waffen. 

   Die Geschichtsschreiber sind unerschöpflich in Beschreibung der Grausamkeiten, welche diesen Krieg bezeichneten. Ein einziger Blick in das Menschenherz und in die Geschichte wird hinreichen, uns alle diese Untaten begreiflich zu machen. Die Bemerkung ist nichts weniger als neu, dass keine Kriege zugleich so ehrlos und so unmenschlich geführt werden, als die, welche Religionsfanatismus und Parteihass im Innern eines Staats entzünden. Antriebe, welche in Ertötung alles dessen, was den Menschen sonst das Heiligste ist, bereits ihre Kraft bewiesen, welche das ehrwürdige Verhältnis zwischen dem Souverän und dem Untertan und den noch stärkern Trieb der Natur übermeisterten, finden an den Pflichten der Menschlichkeit keinen Zügel mehr; und die Gewalt selbst, welche Menschen anwenden müssen, um jene starken Bande zu sprengen, reißt sie blindlings und unaufhaltsam zu jedem Äußersten fort. Die Gefühle für Gerechtigkeit, Anständigkeit und Treue, welche sich auf anerkannte Gleichheit der Rechte gründen, verlieren in Bürgerkriegen ihre Kraft, wo jeder Teil in dem andern einen Verbrecher sieht und sich selbst das Strafamt über ihn zueignet. Wenn ein Staat mit dem andern kriegt, und nur der Wille des Souveräns seine Völker bewaffnet, nur der Antrieb der Ehre sie zur Tapferkeit spornt, so bleibt sie ihnen auch heilig gegen den Feind, und eine edelmütige Tapferkeit weiß selbst ihre Opfer zu schonen. Hier ist der Gegenstand der Begierden des Kriegers etwas ganz Verschiedenes von dem Gegenstand seiner Tapferkeit, und es ist fremde Leidenschaft, die durch seinen Arm streitet. In Bürgerkriegen streitet die Leidenschaft des Volks, und der Feind ist der Gegenstand derselben. Jeder einzelne Mann ist hier Beleidiger, weil jeder Einzelne aus freier Wahl die Partei ergriff, für die er streitet. Jeder Mann ist hier Beleidigter, weil man verachtet, was er schätzt, weil man anfeindet, was er liebt, weil man verdammt, was er erwählte. Hier, wo Leidenschaft und Not dem friedlichen Ackermann, dem Handwerker, dem Künstler das ungewohnte Schwert in die Hände zwingen, kann nur Erbitterung und Wut den Mangel an Kriegskunst, nur Verzweiflung den Mangel wahrer Tapferkeit ersetzen. Hier, wo man Herd, Heimat, Familie, Eigentum verließ, wirft man mit schadenfrohem Wohlgefallen den Feuerbrand in Fremdes und achtet nicht auf fremden Lippen die Stimme der Natur, die zu Hause vergeblich erschallte. Hier endlich, wo die Quellen selbst sich trüben, aus denen dem gemeinen Volk alle Sittlichkeit fließt, wo das Ehrwürdige geschändet, das Heilige entweiht, das Unwandelbare aus seinen Fugen gerückt ist, wo die Lebensorgane der allgemeinen Ordnung erkranken, steckt das verderbliche Beispiel des Ganzen jeden einzelnen Busen an, und in jedem Gehirn tobt der Sturm, der die Grundfesten des Staats erschüttert. Dreimal schrecklicheres Los, wo sich religiöse Schwärmerei mit Parteihass gattet und die Fackel des Bürgerkrieges sich an der unreinen Flamme des priesterlichen Eifers entzündet! 

   Und dies war der Charakter dieses Krieges, der jetzt Frankreich verwüstete. Aus dem Schoß der reformierten Religion ging der finstere, grausame Geist hervor, der ihm diese unglückliche Richtung gab, der alle diese Untaten erzeugte. Im Lager dieser Partei erblickte man nichts Lachendes, nichts Erfreuliches; alle Spiele, alle geselligen Lieder hatte der finstere Eifer verbannt*. Psalmen und Gebete ertönten an deren Stelle und die Prediger waren ohne Aufhören beschäftigt, dem Soldaten die Pflichten gegen seine Religion einzuschärfen und seinen fanatischen Eifer zu schüren. Eine Religion, welche der Sinnlichkeit solche Martern auflegte, konnte die Gemüter nicht zur Menschlichkeit einladen, der Charakter der ganzen Partei musste mit diesem düstern und knechtischen Glauben verwildern. Jede Spur des Papsttums setzte den Schwärmergeist des Kalvinisten in Wut; Altäre und Menschen wurden ohne Unterschied seinem unduldsamen Stolz aufgeopfert. Wohin ihn der Fanatismus allein nicht gebracht hatte, dazu zwangen ihn Mangel und Not. Der Prinz von Condé selbst gab das Beispiel einer Plünderung, welches bald durch das ganze Königreich nachgeahmt wurde. Von den Hilfsmitteln verlassen, womit er die Unkosten des Kriegs bisher bestritten hatte, legte er seine Hand an die katholischen Kirchengeräte, deren er habhaft werden konnte, und ließ die heiligen Gefäße und Zierraten einschmelzen. Der Reichtum der Kirchen war eine zu große Lockung für die Habsucht der Protestanten, und die Entweihung der Heiligtümer für ihre Rachbegierde ein viel zu süßer Genuss, um der Versuchung zuwider stehen. Alle Kirchen, deren sie sich bemeistern konnten, die Klöster besonders, mussten den doppelten Ausbruch ihres Geizes und ihres frommen Eifers erfahren. Mit dem Raub allein nicht zufrieden, entweihten sie die Heiligtümer ihrer Feinde durch den bittersten Spott und beflissen sich mit absichtlicher Grausamkeit, die Gegenstände ihrer Anbetung durch einen barbarischen* Mutwillen zu entehren. Sie rissen die Kirchen ein, schleiften die Altäre, verstümmelten die Bilder der Heiligen, traten die Reliquien mit Füßen oder schändeten sie durch den niedrigsten Gebrauch, durchwühlten sogar die Gräber und ließen die Gebeine der Toten den Glauben der Lebenden entgelten. Kein Wunder, dass so empfindliche Kränkungen zu der schrecklichsten Widervergeltung reizten, dass alle katholischen Kanzeln von Verwünschungen gegen die ruchlosen Schänder des Glaubens ertönten, dass der ergriffene Hugenotte bei dem Papisten keine Barmherzigkeit fand, dass Gräueltaten gegen die vermeintliche Gottheit durch Gräueltaten gegen Natur und Menschheit geahndet wurden! 

   Von den Anführern selbst ging das Beispiel dieser barbarischen* Taten aus, aber die Ausschweifungen, zu welchen der Pöbel beider Parteien dadurch hingerissen wurde, ließen sie bald ihre leidenschaftliche Übereilung bereuen. Jede Partei wetteiferte, es der andern an erfinderischer Grausamkeit zuvorzutun. Nicht zufrieden mit der blutig befriedigten Rache, suchte man noch durch neue Künste der Tortur diese schreckliche Lust zu verlängern. Menschenleben war zu einem Spiel geworden, und das Hohnlachen des Mörders schärfte noch die Stacheln eines schmerzhaften Todes. Keine Freistätte, kein beschworner Vertrag, kein Menschen- und Völkerrecht schützte gegen die blinde tierische Wut; Treu und Glaube war dahin; und durch Eidschwüre lockte man nur die Opfer. Ein Schluss des Pariser Parlaments, welcher der reformierten Lehre förmlich und feierlich das Verdammungsurteil sprach und alle Anhänger derselben dem Tod weihte, ein anderer nachdrücklicherer Urteilsspruch, der aus dem Konzil des Königs ausging und alle Anhänger der Prinzen von Condé, ihn selbst ausgenommen, als Beleidiger der Majestät in die Acht erklärte, konnte nicht wohl dazu beitragen, die erbitterten Gemüter zu besänftigen, denn nun feuerte der Name ihres Königs und die gewisse Absicht der Beute den Verfolgungseifer der Papisten an und den Mut der Hugenotten stärkte Verzweiflung. 

   Umsonst hatte Katharina von Medicis alle Künste ihrer Politik aufgeboten, die Wut der Parteien zu besänftigen, umsonst hatte ein Schluss des Konzil alle Anhänger des Prinzen von Condé als Rebellen und Hochverräter erklärt, umsonst das Pariser Parlament die Partei gegen die Kalvinisten ergriffen; der Bürgerkrieg war da und ganz Frankreich stand in Flammen. Wie groß aber auch das Zutrauen der Letztern zu ihren Kräften war, so entsprach der Erfolg doch keineswegs den Erwartungen, welche ihre Zurüstung erweckt hatte. Der reformierte Adel, welcher die Hauptstärke der Armee des Prinzen von Condé ausmachte, hatte in kurzer Zeit seinen kleinen Vorrat verzehrt, und außerstande sich, da nichts Entscheidendes geschah und der Krieg in die Länge gespielt wurde, forthin selbst zu verköstigen, gab er den dringenden Aufforderungen der Selbstliebe nach, welche ihn heim rief, seinen eigenen Herd zu verteidigen. Zerronnen war in kurzer Zeit diese so große Taten versprechende Armee und dem Prinzen, jetzt viel zu schwach, um einem überlegenen Feind im Feld zu begegnen, blieb nichts übrig, als sich mit dem Überrest seiner Truppen in der Stadt Orleans einzuschließen. 

   Hier erwartete er nun die Hilfe, zu welcher einige auswärtige protestantische Mächte ihm Hoffnung gemacht hatten. Deutschland und die Schweiz waren für beide Krieg führende Parteien eine Vorratskammer von Soldaten, und ihre feile Tapferkeit, gleichgültig gegen die Sache, wofür gefochten werden sollte, stand dem Meistbietenden zu Gebot. Deutsche sowohl als schweizerische Miettruppen schlugen sich, je nachdem ihr eigener und ihrer Anführer Vorteil es erheischte, zu entgegen gesetzten Fahnen, und das Interesse der Religion wurde wenig dabei in Betracht gezogen. Indem dort an den Ufern des Rheins ein deutsches Heer für den Prinzen geworben wurde, kam zugleich ein sehr wichtiger Vertrag mit der Königin Elisabeth von England zustande. Die nämliche Politik, welche diese Fürstin in der Folge veranlasste, sich zur Beschützerin der Niederlande gegen ihren Unterdrücker, Philipp von Spanien, aufzuwerfen und diesen neu aufblühenden Staat in ihre Obhut zu nehmen, legte ihr gegen die französischen Protestanten gleiche Pflichten auf und das große Interesse der Religion erlaubte ihr nicht, dem Untergang ihrer Glaubensgenossen in einem benachbarten Königreich gleichgültig zuzusehen. Diese Antriebe ihres Gewissens wurden nicht wenig durch politische Gründe verstärkt. Ein bürgerlicher Krieg in Frankreich sicherte ihren eigenen, noch wankenden Thron vor einem Angriff von dieser Seite und eröffnete ihr zugleich eine erwünschte Gelegenheit, auf Kosten dieses Staats ihre eigenen Besitzungen zu erweitern. Der Verlust von Calais* war eine noch frische Wunde für England; mit diesem wichtigen Grenzplatz hatte es den freien Eintritt in Frankreich verloren. Diesen Schaden zu ersetzen und von einer andern Seite in dem Königreich festen Fuß zu fassen, beschäftigte schon längst die Politik der Elisabeth und der Bürgerkrieg, der sich nunmehr in Frankreich entzündet hatte, zeigte ihr die Mittel, es zu bewerkstelligen. Sechstausend Mann englischer Hilfstruppen wurden dem Prinzen von Condé unter der Bedingung bewilligt, dass die eine Hälfte derselben die Stadt Havre de Grace, die andre die Städte Rouen und Dieppe in der Normandie, als eine Zuflucht der verfolgten Religionsverwandten, besetzt halten sollte. So löschte ein wütender Parteigeist auf eine Zeitlang alle patriotischen Gefühle bei den französischen Protestanten aus und der verjährte Nationalhass gegen die Briten wich auf Augenblicke dem glühendern Sektenhass und dem Verfolgungsgeist erbitterter Fraktionen. 

   Der gefürchtete, nahe Eintritt der Engländer in die Normandie zog die königliche Armee nach dieser Provinz und die Stadt Rouen wurde belagert. Das Parlament und die vornehmsten Bürger hatten sich schon vorher aus dieser Stadt geflüchtet und die Verteidigung derselben blieb einer fanatischen Menge überlassen, die, von schwärmerischen Prädikanten erhitzt, bloß ihrem blinden Religionseifer und dem Gesetz der Verzweiflung Gehör gab. Aber alles Widerstandes von Seiten der Bürgerschaft ungeachtet, wurden die Wälle nach einer monatlangen Gegenwehr im Sturm erstiegen und die Halsstarrigkeit ihrer Verteidiger durch eine barbarische* Behandlung geahndet, welche man zu Orleans auf protestantischer Seite nicht lange unvergolten ließ. Der Tod des Königs von Navarra, welcher auf eine vor dieser Stadt empfangene Wunde erfolgte, macht die Belagerung von Rouen im Jahr 1562 berühmt, aber nicht eben merkwürdig; denn der Hintritt dieses Prinzen blieb gleich unbedeutend für beide kämpfende Parteien.

   Der Verlust von Rouen und die siegreichen Fortschritte der feindlichen Armee in der Normandie drohten dem Prinzen von Condé, der jetzt nur noch wenige große Städte unter seiner Botmäßigkeit sah, den nahen Untergang seiner Partei, als die Erscheinung der deutschen Hilfstruppen, mit denen sich sein Obrist Andelot, nach überstandenen, unsäglichen Schwierigkeiten, glücklich vereinigt hatte, aufs Neue seine Hoffnungen belebte. An der Spitze dieser Truppen, welche in Verbindung mit seinen eigenen ein bedeutendes Heer ausmachten, fühlte er sich stark genug, nach Paris aufzubrechen und diese Hauptstadt durch seine unverhoffte, gewaffnete Ankunft in Schrecken zu setzen. Ohne die politische Klugheit Katharinas wäre diesmal entweder Paris erobert oder wenigstens ein vorteilhafter Friede von den Protestanten errungen worden. Mit Hilfe der Unterhandlungen, ihrem gewöhnlichen Rettungsmittel, wusste sie den Prinzen mitten im Lauf seiner Unternehmung zu fesseln und durch Vorspiegelung günstiger Traktaten Zeit zur Rettung zu gewinnen. Sie versprach: Das Edikt des Jänners, welches den Protestanten die freie Religionsübung zusprach, zu bestätigen, bloß mit Ausnahme derjenigen Städte, in welchen die souveränen Gerichtshöfe ihre Sitzung hätten. Da der Prinz die Religionsduldung auch auf diese letztern ausgedehnt wissen wollte, so wurden die Unterhandlungen in die Länge gezogen, und Katharina erhielt die gewünschte Frist, ihre Maßregeln zu ergreifen. Der Waffenstillstand, den sie während dieser Traktaten geschickt von ihm zu erhalten wusste, wurde für die Konföderierten verderblich, und indem die Königlichen innerhalb der Mauern von Paris neue Kräfte schöpften und sich durch spanische Hilfstruppen verstärkten, schmolz die Armee des Prinzen durch Desertion und strenge Kälte dahin, dass er in kurzem zu einem schimpflichen Aufbruch gezwungen wurde. Er richtete seinen Marsch nach der Normandie, wo er Geld und Truppen aus England erwartete, sah sich aber unweit der Stadt Dreux von der nacheilenden Armee der Königin eingeholt und zu einem entscheidenden Treffen genötigt. Bestürzt und unschlüssig, gleich als hätten die unterdrückten Gefühle der Natur auf einen Augenblick ihre Rechte zurückgefordert, staunten beide Heere einander an, ehe die Kanonen die Losung des Todes gaben, der Gedanke an das Bürger- und Bruderblut, das jetzt verspritzt werden sollte, schien jeden einzelnen Kämpfer mit flüchtigem Entsetzen zu durchschauern. Nicht lange aber dauerte dieser Gewissenskampf; der wilde Ruf der Zwietracht übertäubte bald der Menschlichkeit leise Stimme. Ein desto wütenderer Sturm folgte auf diese bedeutungsvolle Stille. Sieben schreckliche Stunden fochten beide Teile mit gleich kühnem Mut, mit gleich heftiger Erbitterung. Ungewiss schwankte der Sieg von einer Seite zur andern, bis die Entschlossenheit des Herzogs von Guise ihn endlich auf die Seite des Königs neigte. Unter den Verbundenen wurde der Prinz von Condé, unter den Königlichen der Connetable von Montmorency zu Gefangenen gemacht, und von den Letztern blieb noch der Marschall von St. André auf dem Platz. Das Schlachtfeld blieb dem Herzog von Guise, welchen dieser entscheidende Sieg zugleich von einem furchtbaren öffentlichen Feind und von zwei Nebenbuhlern seiner Macht befreite. 

   Hatte Katharina mit Widerwillen die Abhängigkeit ertragen, in welche sie durch die Triumvirn versetzt war, so musste ihr nunmehr die Alleinherrschaft des Herzogs, dessen Ehrgeiz keine Grenzen, dessen gebieterischer Stolz keine Mäßigung kannte, doppelt empfindlich fallen. Der Sieg bei Dreux, weit entfernt, ihre Wünsche zu befördern, hatte ihr einen Herrn in ihm gegeben, der nicht lange säumte, sich der erlangten Überlegenheit zu bedienen und die zuversichtlich stolze Sprache des Herrschers zu führen. Alles stand ihm zu Gebot und die unumschränkte Macht, die er besaß, verschaffte ihm die Mittel, sich Freunde zu erkaufen und den Hof sowohl als die Armee mit seinen Geschöpfen anzufüllen. Katharina, so sehr ihr die Staatsklugheit anriet, die gesunkene Partei der Protestanten wieder aufzurichten und durch Wiederherstellung des Prinzen von Condé die Anmaßungen des Herzogs zu beschränken, wurde durch den überlegenen Einfluss des Letztern zu entgegen gesetzten Maßregeln fortgerissen. Der Herzog verfolgte seinen Sieg und rückte vor die Stadt Orleans, um durch Überwältigung dieses Platzes, welcher die Hauptmacht der Protestanten einschloss, ihrer Partei auf einmal ein Ende zu machen. Der Verlust einer Schlacht und die Gefangenschaft ihres Anführers hatte den Mut derselben zwar erschüttern, aber nicht ganz niederbeugen können. Admiral Coligny stand an ihrer Spitze, dessen erfinderischer, an Hilfsmitteln unerschöpflicher Geist sich in der Widerwärtigkeit immer am glänzendsten zu entfalten pflegte. Er hatte die Trümmer der geschlagenen Armee in kurzem wieder unter seinen Fahnen versammelt und ihr, was noch mehr war, in seiner Person einen Feldherrn gegeben. Durch englische Truppen verstärkt und mit englischem Gelde befriedigt, führte er sie in die Normandie, um sich in dieser Provinz durch kleine Wagestücke zu einer größeren Unternehmung zu stärken. 

   Unterdessen fuhr Franz von Guise fort, die Stadt Orleans zu ängstigen, um durch Eroberung derselben seinen Triumphen die Krone aufzusetzen. Andelot hatte sich mit dem Kern der Armee und den versuchtesten Anführern in diese Stadt geworfen, wo noch überdies der gefangene Connetable in Verwahrung gehalten wurde. Die Einnahme eines so wichtigen Platzes hätte den Krieg auf einmal geendigt, und darum sparte der Herzog keine Mühe, sie in seine Gewalt zu bekommen. Aber anstatt der gehofften Lorbeeren fand er an ihren Mauern das Ziel seiner Größe. Ein Meuchelmörder, Johann Poltrot de Mère, verwundete ihn mit vergifteten Kugeln und machte mit dieser blutigen Tat den Anfang des Trauerspiels, welches der Fanatismus nachher in einer Reihe von ähnlichen Gräueltaten so schrecklich entwickelte. Unstreitig wurde die kalvinische Partei in ihm eines furchtbaren Gegners, Katharina eines gefährlichen Teilhabers ihrer Macht entledigt; aber Frankreich verlor mit ihm zugleich einen Helden und einen großen Mann. Wie hoch sich auch die Anmaßungen dieses Fürsten erstiegen, so war er doch gewiss auch der Mann für seine Pläne; wie viel Stürme auch sein Ehrgeiz im Staat erregt hatte, so fehlte demselben doch, selbst nach dem Geständnis seiner Feinde, der Schwung der Gesinnungen nicht, welcher in großen Seelen jede Leidenschaft adelt. Wie heilig ihm auch mitten unter den verwilderten Sitten des Bürgerkriegs, wo die Gefühle der Menschlichkeit sonst so gerne verstummen, die Pflicht der Ehre war, beweist die Behandlung, welche er dem Prinzen von Condé, seinem Gefangenen nach der Schlacht bei Dreux, widerfahren ließ. Mit nicht geringem Erstaunen sah man diese zwei erbitterten Gegner, so viele Jahre lang geschäftig sich zu vertilgen, durch so viele erlittne Beleidigungen zur Rache, so viele ausgeübte Feindseligkeiten zum Misstrauen gereizt, an einer Tafel vertraulich zusammen speisen und, nach der Sitte jener Zeit, in demselbigen Bett schlafen. 

   Der Tod ihres Anführers hemmte schnell die Tätigkeit der katholischen Partei und erleichterte Katharinas Bemühungen, die Ruhe wieder herzustellen. Frankreichs immer zunehmendes Elend erregte dringende Wünsche nach Frieden, wozu die Gefangenschaft der beiden Oberhäupter, Condé und Montmorency, gegründete Hoffnung machte. Beide, gleich ungeduldig nach Freiheit, von der Königin Mutter unablässig zur Versöhnung gemahnt, vereinigten sich endlich in dem Vergleich von Amboise 1563, worin das Edikt des Jänners mit wenigen Ausnahmen bestätigt, den Reformierten die öffentliche Religionsübung in denjenigen Städten, welche sie zur Zeit in Besitz hatten, zugestanden, auf dem Land hingegen auf die Ländereien der hohen Gerichtsherren und zu einem Privatgottesdienst in den Häusern des Adels eingeschränkt, übrigens das Vergangene einer allgemeinen ewigen Vergessenheit überliefert wurde. 

   So erheblich die Vorteile schienen, welche der Vergleich von Amboise den Reformierten verschaffte, so hatte Coligny dennoch vollkommen recht, ihn als ein Werk der Übereilung von Seiten des Prinzen und von Seiten der Königin als ein Werk des Betrugs zu verwünschen. Dahin waren mit diesem unzeitigen Frieden alle glänzenden Hoffnungen seiner Partei, die im ganzen Lauf dieses Bürgerkriegs vielleicht noch nie so gegründet gewesen waren. Der Herzog von Guise, die Seele der katholischen Partei, der Marschall von St. André, der König von Navarra im Grab, der Connetable gefangen, die Armee ohne Anführer und schwierig wegen des ausbleibenden Soldes, die Finanzen erschöpft; auf der andern Seite eine blühende Armee, Englands mächtige Hilfe, Freunde in Deutschland, und in dem Religionseifer der französischen Protestanten Hilfsquellen genug, den Krieg fortzusetzen. Die wichtigen Waffenplätze Lyon und Orleans, mit so vielem Blut erworben und verteidigt, gingen nunmehr durch einen Federzug verloren; die Armee musste auseinander, die Deutschen nach Hause gehen. Und für alle diese Aufopferungen hatte man, weit entfernt, einen Schritt vorwärts zu der bürgerlichen Gleichheit der Religionen zu tun, nicht einmal die vorigen Rechte zurück erhalten. 

   Die Auswechselung der gefangenen Anführer und die Verjagung der Engländer aus Havre de Grace, welche Montmorency durch die Überreste des abgedankten protestantischen Heeres bewerkstelligte, waren die erste Frucht dieses Friedens, und der gleiche Wetteifer beider Parteien, diese Unternehmung zu beschleunigen, bewies nicht sowohl den wieder auflebenden Gemeingeist der Franzosen, als die unvertilgbare Gewalt des Nationalhasses, den weder die Pflicht der Dankbarkeit noch das stärkste Interesse der Leidenschaft überwinden konnte. Nicht sobald war der gemeinschaftliche Feind von dem vaterländischen Boden vertrieben, als alle Leidenschaften, welche der Sektengeist entflammt, in ihrer vorigen Stärke zurückkehrten und die traurigen Szenen der Zwietracht erneuerten. So gering der Gewinn auch war, den die Kalvinisten aus dem neu errichteten Vergleich schöpften, so wurde ihnen auch dieses Wenige missgönnt und unter dem Vorwand, die Vergleichspunkte zur Vollziehung zu bringen, maßte man sich an, ihnen durch eine willkürliche Auslegung die engsten Grenzen zu setzen. Montmorencys herrschbegieriger Geist war geschäftig, den Frieden zu untergraben, wozu er doch selbst das Werkzeug gewesen war; denn nur der Krieg konnte ihn der Königin unentbehrlich machen. Der unduldsame Glaubenseifer, welcher ihn selbst beseelte, teilte sich mehreren Befehlshabern in den Provinzen mit, und wehe den Protestanten in denjenigen Distrikten, wo sie die Mehrheit nicht auf ihrer Seite hatten! Umsonst reklamierten sie die Rechte, welche der ausdrückliche Buchstabe des Vertrages ihnen zugestand; der Prinz von Condé, ihr Beschützer, von dem Netz der Königin umstrickt und der undankbaren Rolle eines Parteiführers müde, entschädigte sich in der wollüstigen Ruhe des Hoflebens für die langen Entbehrungen, welche der Krieg seiner herrschenden Neigung auferlegt hatte. Er begnügte sich mit schriftlichen Gegenvorstellungen, welche, von keiner Armee unterstützt, natürlicher Weise ohne Folgen blieben, während dass ein Edikt auf das andre erschien, die geringen Freiheiten seiner Partei noch mehr zu beschränken. 

   Mittlerweile führte Katharina den jungen König, der im Jahr 1563 für volljährig erklärt wurde, in ganz Frankreich umher, um den Untertanen ihren Monarchen zu zeigen, die Empörungssucht der Fraktionen durch die königliche Gegenwart niederzuschlagen und ihrem Sohn die Liebe der Nation zu erwerben. Der Anblick so vieler zerstörten Klöster und Kirchen, welche von der fanatischen Wut des protestantischen Pöbels furchtbare Zeugen abgaben, konnte schwerlich dazu dienen, diesem jungen Fürsten einen günstigen Begriff von der neuen Religion einzuflößen, und es ist wahrscheinlich genug, dass sich bei dieser Gelegenheit ein glühender Hass gegen die Anhänger Kalvins in seine Seele prägte. 

   Indem sich unter den missvergnügten Parteien der Zunder zu einem neuen Kriegsfeuer sammelte, zeigte sich Katharina am Hof geschäftig, zwischen den nicht minder erbitterten Anführern ein Gaukelspiel verstellter Versöhnung aufzuführen. Ein schwerer Verdacht befleckte schon seit lange die Ehre des Admirals von Coligny. Franz von Guise war durch die Hände des Meuchelmords gefallen, und der Untergang eines solchen Feindes war für den Admiral eine zu glückliche Begebenheit, als dass die Erbitterung seiner Gegner sich hätte enthalten können, ihn eines Anteils daran zu beschuldigen. Die Aussagen des Mörders, der sich, um seine eigene Schuld zu verringern, hinter den Schirm eines großen Namens flüchtete, gaben diesem Verdacht einen Schein von Gerechtigkeit. Nicht genug, dass die bekannte Ehrliebe des Admirals diese Verleumdung widerlegte – es gibt Zeitumstände, wo man an keine Tugend glaubt. Der verwilderte Geist des Jahrhunderts duldete keine Stärke des Gemüts, die sich über ihn hinweg schwingen wollte. Antoinette von Bourbon*, die Witwe des Ermordeten, klagte den Admiral laut und öffentlich als den Mörder an und sein Sohn, Heinrich von Guise, in dessen jugendlicher Brust schon die künftige Größe pochte, hatte schon den furchtbaren Vorsatz der Rache gefasst. Diesen gefährlichen Zunder neuer Feindseligkeiten erstickte Katharinas geschäftige Politik; denn so sehr die Zwietracht der Parteien ihren Trieb nach Herrschaft begünstigte, so sorgfältig unterdrückte sie jeden offenbaren Ausbruch derselben, der sie in die Notwendigkeit setzte, zwischen den streitenden Fraktionen Partei zu ergreifen und ihrer Unabhängigkeit verlustig zu werden. Ihrem unermüdeten Bestreben gelang es, von der Witwe und dem Bruder des Entleibten eine Ehrenerklärung gegen den Admiral zu erhalten, welche diesen von der angeschuldigten Mordtat reinigte und zwischen beiden Häusern eine verstellte Versöhnung bewirkte. 

   Aber unter dem Schleier dieser erkünstelten Eintracht entwickelten sich die Keime zu einem neuen und wütenderen Bürgerkrieg. Jeder noch so geringe, den Reformierten bewilligte Vorteil dünkte den eifrigern Katholiken ein nie zu verzeihender Eingriff in die Hoheit ihrer Religion, eine Entweihung des Heiligtums, ein Raub, an der Kirche begangen, die auch das kleinste von ihren Rechten sich nicht vergeben dürfe. Kein noch so feierlicher Vertrag, der diese unverletzbaren Rechte kränkte, konnte nach ihrem Systeme Anspruch auf Gültigkeit haben; und Pflicht war es jedem Rechtgläubigen, dieser fremden fluchwürdigen Religionspartei diese Vorrechte, gleich einem gestohlenen Gut, wieder zu entreißen. Indem man von Rom aus geschäftig war, diese widrigen Gesinnungen zu nähren und noch mehr zu erhitzen, indem die Anführer der Katholischen diesen fanatischen Eifer durch das Ansehen ihres Beispiels bewaffneten, versäumte unglücklicherweise die Gegenpartei nichts, den Hass der Papisten durch immer kühnere Forderungen noch mehr gegen sich zu reizen und ihre Ansprüche in eben dem Verhältnis, als sie jenen unerträglicher fielen, weiter auszudehnen. „Vor kurzem“, erklärte sich Karl IX. gegen Coligny, „begnügtet ihr euch damit, von uns geduldet zu werden; jetzt wollt ihr gleiche Rechte mit uns haben; bald will ich erleben, dass ihr uns aus dem Königreich treibt, um das Feld allein zu behaupten.“ 

   Bei dieser widrigen Stimmung der Gemüter konnte ein Friede nicht bestehen, der beide Parteien gleich wenig befriedigt hatte. Katharina selbst, durch die Drohungen der Kalvinisten aus ihrer Sicherheit aufgeschreckt, dachte ernstlich auf einen öffentlichen Bruch und die Frage war bloß, wie die nötige Kriegsmacht in Bewegung zu setzen sei, um einen argwöhnischen und wachsamen Feind nicht zu frühzeitig von seiner Gefahr zu belehren. Der Marsch einer spanischen Armee nach den Niederlanden, unter der Anführung des Herzogs von Alba, welche bei ihrem Vorüberzug die französische Grenze berührte, gab den erwünschten Vorwand zu der Kriegsrüstung her, welche man gegen die innern Feinde des Königreichs machte. Es schien der Klugheit gemäß, eine so gefährliche Macht, als der spanische Generalissimus kommandierte, nicht unbeachtet und unbewacht an den Pforten des Reichs vorüberziehen zu lassen und selbst der argwöhnische Geist der protestantischen Anführer begriff die Notwendigkeit, eine Observationsarmee aufzustellen, welche diese gefährlichen Gäste im Zaum halten und die bedrohten Provinzen gegen einen Überfall decken könnte. Um auch ihrerseits von diesem Umstand Vorteil zu ziehen, erboten sie sich voll Arglist, ihre eigene Partei zum Beistand des Königreichs zu bewaffnen; ein Stratagem, wodurch sie, wenn es gelungen wäre, das Nämliche gegen den Hof zu erreichen hofften, was dieser gegen sie selbst beabsichtigt hatte. In aller Eile ließ nun Katharina Soldaten werben und ein Heer von sechstausend Schweizern bewaffnen, über welche sie, mit Übergehung der Kalvinisten, lauter katholische Befehlshaber setzte. Diese Kriegsmacht blieb, solange sein Zug dauerte, dem Herzog von Alba zur Seite, dem es nie in den Sinn gekommen war, etwas Feindliches gegen Frankreich zu unternehmen. Anstatt aber nun nach Entfernung der Gefahr auseinander zu gehen, richteten die Schweizer ihren Marsch nach dem Herzen des Königreichs, wo man die vornehmsten Anführer der Hugenotten unvorbereitet zu überfallen hoffte. Dieser verräterische Anschlag wurde noch zu rechter Zeit laut, und mit Schrecken erkannten die Letztern die Nähe des Abgrunds, in welchen man sie stürzen wollte. Ihr Entschluss musste schnell sein. Man hielt Rat bei Coligny, in wenig Tagen sah man die ganze Partei in Bewegung. Der Plan war, dem Hof den Vorsprung abzugewinnen und den König auf seinem Landsitz zu Monceaux aufzuheben, wo er sich bei geringer Bedeckung in tiefer Sicherheit glaubte. Das Gerücht von diesen Bewegungen verscheuchte ihn zwar nach Meaux, wohin man die Schweizer aufs eilfertigste beorderte. Diese fanden sich zwar noch frühzeitig genug ein; aber die Reiterei des Prinzen von Condé rückte immer näher und näher; immer zahlreicher wurde das Heer der Verbundenen und drohte, den König in seinem Zufluchtsort zu belagern. Die Entschlossenheit der Schweizer riss den König aus dieser dringenden Gefahr. Sie erboten sich, ihn mitten durch den Feind nach Paris zu führen und Katharina bedachte sich nicht, die Person des Königs ihrer Tapferkeit anzuvertrauen. Der Aufbruch geschah gegen Mitternacht; den Monarchen nebst seiner Mutter in ihrer Mitte, den sie in einem gedrängten Viereck umschloss, wandelte diese bewegliche Festung fort und bildete mit vorgestreckten Piken eine stachlige Mauer, welche die feindliche Reiterei nicht durchbrechen konnte. Der herausfordernde Mut, mit dem die Schweizer einher schritten, angefeuert durch das heilige Palladium der Majestät, das ihre Mitte beherbergte, schlug die Herzhaftigkeit des Feindes danieder und die Ehrfurcht vor der Person des Königs, welche die Brust der Franzosen so spät verlässt, erlaubte dem Prinzen von Condé nicht, etwas mehr als einige unbedeutende Scharmützel zu wagen. Und so erreichte der König noch an demselben Abend Paris und glaubte, dem Degen der Schweizer nichts Geringeres als Leben und Freiheit zu verdanken. 

   Der Krieg war nun erklärt und zwar unter der gewöhnlichen Förmlichkeit, dass man nicht gegen den König, sondern gegen seine und des Staats Feinde die Waffen ergriffen habe. Unter diesen war der Kardinal von Lothringen der Verhassteste und überzeugt, dass er der protestantischen Sache die schlimmsten Dienste zu leisten pflege, hatte man auf den Untergang dieses Mannes ein vorzügliches Absehen gerichtet. Glücklicherweise entfloh er noch zu rechter Zeit dem Streich, welcher gegen ihn geführt werden sollte, indem er seinen Hausrat der Wut des Feindes überließ. 

   Die Kavallerie des Prinzen stand zwar im Feld, aber durch die Zurüstungen des Königs übereilt, hatte sie nicht Zeit gehabt, sich mit dem erwarteten deutschen Fußvolk zu vereinigen und eine ordentliche Armee zu formieren. So mutig der französische Adel war, der die Reiterei des Prinzen größtenteils ausmachte, so wenig taugte er zu Belagerungen, auf welche es doch bei diesem Krieg vorzüglich ankam. Nichtsdestoweniger unternahm dieser kleine Haufen, Paris zu berennen, drang eilfertig gegen diese Hauptstadt vor und machte Anstalten, sie durch Hunger zu überwältigen. Die Verheerung, welche die Feinde in der ganzen Nachbarschaft von Paris anrichteten, erschöpfte die Geduld der Bürger, welche den Ruin ihres Eigentums nicht länger müßig ansehen konnten. Einstimmig drangen sie darauf, gegen den Feind geführt zu werden, der sich mit jedem Tag an ihren Toren verstärkte. Man musste eilen, etwas Entscheidendes zu tun, ehe es ihm gelang, die deutschen Truppen an sich zu ziehen und durch diesen Zuwachs das Übergewicht zu erlangen. So kam es am 10. November des Jahrs 1567 zu dem Treffen bei St. Denis, in welchem die Kalvinisten nach einem hartnäckigen Widerstand zwar den Kürzern zogen, aber durch den Tod des Connetable, der in dieser Schlacht seine merkwürdige Laufbahn beschloss, reichlich entschädigt wurden. Die Tapferkeit der Seinigen entriss diesen sterbenden General den Händen des Feindes und verschaffte ihm noch den Trost, in Paris unter den Augen seines Herrn den Geist aufzugeben. Er war es, der seinen Beichtvater* mit diesen lakonischen Worten von seinem Sterbebett wegschickte: „Lasst es gut sein, Herr Pater! Es wäre Schande, wenn ich in achtzig Jahren nicht gelernt hätte, eine Viertelstunde lang zu sterben!“ 

   Die Kalvinisten zogen sich nach ihrer Niederlage bei St. Denis eilfertig gegen die lothringischen Grenzen des Königreichs, um die deutschen Hilfsvölker an sich zu ziehen, und die königliche Armee setzte ihnen unter dem jungen Herzog von Anjou* nach. Sie litten Mangel an dem Notwendigsten, indem es den Königlichen an keiner Bequemlichkeit fehlte, und die feindselige Jahreszeit erschwerte ihnen ihre Flucht und ihren Unterhalt noch mehr. Nachdem sie endlich unter einem unausgesetzten Kampf mit Hunger und rauer Witterung das jenseitige Ufer der Maas erreicht hatten, zeigte sich keine Spur eines deutschen Heeres und man war nach einem so langwierigen, beschwerdenvollen Marsch nicht weiter, als man im Angesicht von Paris gewesen war. Die Geduld war erschöpft, der gemeine Mann wie der Adel murrte; kaum vermochte der Ernst des Admirals und die Jovialität des Prinzen von Condé eine gefährliche Trennung zu verhindern. Der Prinz bestand darauf, dass kein Heil sei, als in der Vereinigung mit den deutschen Völkern, und dass man sie schlechterdings bis zum bezeichneten Ort der Zusammenkunft aufsuchen müsse. „Aber“, fragte man ihn nachher, „wenn sie nun auch dort nicht wären zu finden gewesen, was würden die Hugenotten alsdann vorgenommen haben?“ – „In die Hände gehaucht und die Finger gerieben, vermute ich“, erwiderte der Prinz, denn es war eine schneidende Kälte. 

   Endlich näherte sich der Pfalzgraf Casimir mit der sehnlich erwarteten deutschen Reiterei; aber nun befand man sich in einer neuen und größeren Verlegenheit. Die Deutschen standen in dem Ruf, dass sie nicht eher zu fechten pflegten, als bis sie Geld sähen; und anstatt der hunderttausend Taler, worauf sie sich Rechnung machten, hatte man ihnen kaum einige Tausend anzubieten. Man lief Gefahr, im Augenblick der Vereinigung aufs schimpflichste von ihnen verlassen zu werden und alle auf diesen Succurs gegründete Hoffnungen auf einmal scheitern zu sehen. Hier in diesem kritischen Moment nahm der Anführer der Franzosen seine Zuflucht zu der Eitelkeit seiner Landsleute und ihrer zarten Empfindlichkeit für die Nationalehre; und seine Hoffnung täuschte ihn nicht. Er gestand den Offizieren sein Unvermögen, die Forderungen der Deutschen zu befriedigen und sprach sie um Unterstützung an. Diese beriefen die Gemeinen zusammen, entdeckten denselben die Not des Generals und strengten alle ihre Beredsamkeit an, sie zu einer Beisteuer zu ermuntern. Sie wurden dabei aufs nachdrücklichste von den Predigern unterstützt, die mit dreister Stirn zu beweisen suchten, dass es die Sache Gottes sei, die sie durch ihre Mildtätigkeit beförderten. Der Versuch glückte, der geschmeichelte Soldat beraubte sich freiwillig seines Putzes, seiner Ringe und aller seiner Kostbarkeiten; ein allgemeiner Wetteifer stellte sich ein, und es brachte Schande, von seinen Kameraden an Großmut übertroffen zu werden. Man verwandelte alles in Geld und brachte eine Summe von fast hunderttausend Livres zusammen, mit der sich die Deutschen einstweilen abfinden ließen. Gewiss das einzige Beispiel seiner Art in der Geschichte, dass eine Armee die andere besoldete! Aber der Hauptzweck war doch nun erreicht und beide vereinigten Heere erschienen nunmehr am Anfang des Jahrs 1568 wieder auf französischem Boden. 

   Ihre Macht war jetzt beträchtlich und wuchs noch mehr durch die Verstärkungen an, welche sie aus allen Enden des Königreichs an sich zogen. Sie belagerten Chartres und ängstigten die Hauptstadt selbst durch ihre angedrohte Erscheinung. Aber Condé zeigte bloß die Stärke seiner Partei, um dem Hof einen desto günstigern Vergleich abzulocken. Mit Widerwillen hatte er sich den Lasten des Kriegs unterzogen und wünschte sehnlich den Frieden, der seinem Hang zum Vergnügen weit mehr Befriedigung versprach. Er ließ sich deswegen auch zu den Unterhandlungen bereitwillig finden, welche Katharina von Medicis, um Zeit zu gewinnen, eingeleitet hatte. Wie viel Ursache auch die Reformierten hatten, ein Misstrauen in die Anerbietungen dieser Fürstin zu setzen und wie wenig sie durch die bisherigen Verträge gebessert waren, so begaben sie sich doch zum zweiten Mal ihres Vorteils und ließen unter fruchtlosen Negotiationen die kostbare Zeit zu kriegerischen Unternehmungen verstreichen. Das zu rechter Zeit ausgestreute Geld der Königin verminderte mit jedem Tag die Armee; und die Unzufriedenheit der Truppen, welche Katharina geschickt zu nähren wusste, nötigte die Anführer am 10. März 1568 zu einem unreifen Frieden. Der König versprach eine allgemeine Amnestie und bestätigte das Edikt des Jänners 1562, das die Reformierten begünstigte. Zugleich machte er sich anheischig, die deutschen Völker zu befriedigen, die noch beträchtliche Rückstände zu fordern hatten; aber bald entdeckte sich, dass er mehr versprochen hatte, als er halten konnte. Man glaubte, sich dieser fremden Gäste nicht schnell genug entledigen zu können, und doch wollten sie ohne Geld nicht von dannen ziehen. Ja, sie drohten, alles mit Feuer und Schwert zu verheeren, wenn man ihnen den schuldigen Sold nicht entrichtete. Endlich, nachdem man ihnen einen Teil der verlangten Summe auf Abschlag bezahlt und den Überrest noch während ihres Marsches nachzuliefern versprochen hatte, traten sie ihren Rückzug an, und der Hof schöpfte Mut, je mehr sie sich von dem Zentrum des Reichs entfernten. Kaum aber fanden sie, dass die versprochenen Zahlungen unterblieben, so erwachte ihre Wut aufs Neue und alle Landstriche, durch welche sie kamen, mussten die Wortbrüchigkeit des Hofes entgelten. Die Gewalttätigkeiten, die sie sich bei diesem Durchzug erlaubten, zwangen die Königin, sich mit ihnen abzufinden und, mit schwerer Beute beladen, räumten sie endlich das Reich. Auch die Anführer der Reformierten zerstreuten sich nach abgeschlossnem Frieden jeder in seine Provinz auf seine Schlösser, und gerade diese Trennung, welche man als gefährlich und unklug beurteilte, rettete sie vom Verderben. Bei allen noch so schlimmen Anschlägen, die man gegen sie gefasst hatte, durfte man sich an keinem einzigen unter ihnen vergreifen, wenn man nicht alle zugleich zugrunde richten konnte. Um aber alle zugleich aufzuheben, hätte man, wie Laboureur sagt, das Netz über ganz Frankreich ausbreiten müssen. 

   Die Waffen ruhten jetzt auf eine Zeitlang, aber nicht so die Leidenschaften; es war bloß die bedenkliche Stille vor dem heranziehenden Sturm. Die Königin, von dem Joch eines mürrischen Montmorency und eines gebieterischen Herzogs von Guise befreit, regierte mit dem überlegenen Ansehen der Mutter und Staatsverständigen beinahe unumschränkt unter ihrem zwar mündigen, aber der Führung noch so bedürftigen Sohn und sie selbst wurde von den verderblichen Ratschlägen des Kardinals von Lothringen geleitet. Der überwiegende Einfluss dieses unduldsamen Priesters unterdrückte bei ihr allen Geist der Mäßigung, nach dem sie bisher gehandelt hatte. Zugleich mit den Umständen hatte sich auch ihre ganze Staatskunst verändert. Voll Schonung gegen die Reformierten, solange sie noch ihrer Hilfe bedurfte, um dem Ehrgeiz eines Guise und Montmorency ein Gegengewicht zu geben, überließ sie sich nunmehr ganz ihrem natürlichen Abscheu gegen diese aufstrebende Sekte, sobald ihre Herrschaft befestigt war. Sie gab sich keine Mühe, diese Gesinnungen zu verbergen und die Instruktionen, die sie den Gouverneuren der Provinzen erteilte, atmeten diesen Geist. Sie selbst verfolgte jetzt diejenige Partei unter den Katholischen, die für Duldung und Frieden gestimmt, und deren Grundsätze sie in den vorhergehenden Jahren selbst zu den ihrigen gemacht hatte. Der Kanzler wurde von dem Anteil an der Regierung entfernt und endlich gar auf seine Güter verwiesen. Man bezeichnete seine Anhänger mit dem zweideutigen Namen der Politiker, der auf ihre Gleichgültigkeit gegen das Interesse der Kirche anspielte und den Vorwurf enthielt, als ob sie die Sache Gottes bloß weltlichen Rücksichten aufopferten. Dem Fanatismus der Geistlichkeit wurde vollkommene Freiheit gegeben, von Kanzeln, Beichtstühlen und Altären auf die Sektierer loszustürmen; und jedem tollkühnen Schwärmer aus der katholischen Klerisei war erlaubt, in öffentlichen Reden den Frieden anzugreifen und die verabscheuungswürdige Maxime zu predigen, dass man Ketzern keine Treue noch Glauben schuldig sei. Es konnte nicht fehlen, dass bei solchen Aufforderungen der blutdürstige Geist des Fanatismus bei dem so leicht entzündbaren Volk der Franzosen nur allzu schnell Feuer fing und in die wildesten Bewegungen ausbrach. Misstrauen und Argwohn zerrissen die heiligsten Bande; der Meuchelmord schliff seinen Dolch im Innern der Häuser und auf dem Land, wie in den Städten, in den Provinzen, wie in Paris, wurde die Fackel der Empörung geschwungen. 

   Die Kalvinisten ließen es ihrerseits nicht an den bittersten Repressalien fehlen; doch, an Anzahl zu schwach, hatten sie dem Dolch der Katholischen bloß ihre Federn entgegen zu setzen. Vor allem sahen sie sich nach festen Zufluchtsorten um, wenn der Kriegssturm aufs Neue ausbrechen sollte. Zu diesem Zweck war ihnen die Stadt Rochelle am westlichen Ozean sehr gelegen; eine mächtige Seestadt, welche sich seit ihrer freiwilligen Unterwerfung unter französische Herrschaft der wichtigsten Privilegien erfreute und, beseelt mit republikanischem Geist, durch einen ausgebreiteten Handel bereichert, durch eine gute Flotte verteidigt, durch das Meer mit England und Holland verbunden, ganz vorzüglich dazu gemacht war, der Sitz eines Freistaats zu sein und der verfolgten Partei der Hugenotten zum Mittelpunkt zu dienen. Hierher verpflanzten sie die Hauptstärke ihrer Macht, und es gelang ihnen viele Jahre lang, hinter den Wällen dieser Festung der ganzen Macht Frankreichs zu trotzen. 

   Nicht lange stand es an, so musste der Prinz von Condé selbst seine Zuflucht in Rochelles Mauern suchen. Katharina, um demselben alle Mittel zum Krieg zu rauben, forderte von ihm die Wiedererstattung der beträchtlichen Geldsummen, die sie in seinem Namen den deutschen Hilfsvölkern vorgestreckt hatte und für die er mit den übrigen Anführern Bürge geworden war. Der Prinz konnte nicht Wort halten, ohne zum Bettler zu werden und Katharina, die ihn aufs Äußerste bringen wollte, bestand auf der Zahlung. Das Unvermögen des Prinzen diese Schuld zu entrichten, berechtigte sie zu einem Bruch der Traktaten und der Marschall von Tavannes erhielt Befehl, den Prinzen auf seinem Schloss Noyers in Burgund* aufzuheben. Schon war die ganze Provinz von den Soldaten der Königin erfüllt, alle Zugänge zu dem Landsitz des Prinzen versperrt, alle Wege zur Flucht abgeschnitten, als Tavannes selbst, der zu dem Untergang des Prinzen nicht gern die Hand bieten wollte, Mittel fand, ihn von der nahen Gefahr zu belehren und seine Flucht zu befördern. Condé entwischte durch die offen gelassenen Pässe glücklich mit dem Admiral Coligny und seiner ganzen Familie und erreichte Rochelle am 18. September 1568. Auch die verwitwete Königin von Navarra, Mutter Heinrichs IV., welche Montluc hatte aufheben sollen, rettete sich mit ihrem Sohn, ihren Truppen und ihren Schätzen in diese Stadt, welche sich in kurzer Zeit mit einer kriegerischen und zahlreichen Mannschaft anfüllte. Der Kardinal von Chatillon entfloh in Matrosenkleidern nach England, wo er seiner Partei durch Unterhandlungen nützlich wurde und die übrigen Häupter derselben säumten nicht, ihre Anhänger zu bewaffnen und die Deutschen aufs eilfertigste zurückzuberufen. Beide Teile greifen zum Gewehr, und der Krieg kehrt in seiner ganzen Furchtbarkeit zurück. Das Edikt des Jänners wird förmlich widerrufen, die Verfolgungen mit größerer Wut gegen die Reformierten erneuert, jede Ausübung der neuen Religion bei Todesstrafe untersagt. Alle Schonung, alle Mäßigung hört auf und Katharina, ihrer wahren Stärke vergessend, wagt an die ungewissen Entscheidungen der blinden Gewalt die gewissen Vorteile, welche ihr die Intrige verschaffte. 

   Ein kriegerischer Eifer beseelt die ganze reformierte Partei und die Wortbrüchigkeit des Hofs, die unerwartete Aufhebung aller ihnen günstigen Verordnungen ruft mehr Soldaten ins Feld, als alle Ermahnungen ihrer Anführer und alle Predigten ihrer Geistlichkeit nicht vermocht haben würden. Alles wird Bewegung und Leben, sobald die Trommel ertönt. Fahnen wehen auf allen Straßen; aus allen Enden des Königreichs sieht man bewaffnete Scharen gegen den Mittelpunkt zusammen strömen. Mit der Menge der erlittenen und erwiesenen Kränkungen ist die Wut der Streiter gestiegen; so viele zerrissene Verträge, so viele getäuschte Erwartungen hatten die Gemüter unversöhnlich gemacht und längst schon war der Charakter der Nation in der langen Anarchie des bürgerlichen Krieges verwildert. Daher keine Mäßigung, keine Menschlichkeit, keine Achtung gegen das Völkerrecht, wenn man einen Vorteil über den Feind erlangte; noch Stand noch Alter wird gescheut und der Marsch der Truppen überall durch verwüstete Felder und eingeäscherte Dörfer bezeichnet. Schrecklich empfindet die katholische Geistlichkeit die Rache des Hugenottenpöbels, und nur das Blut dieser unglücklichen Schlachtopfer kann die finstre Grausamkeit dieser rohen Scharen ersättigen. An Klöstern und Kirchen rächen sie die Unterdrückungen, welche sie von der herrschenden Kirche erlitten hatten. Das Ehrwürdige ist ihrer blinden Wut nicht ehrwürdig, das Heilige nicht heilig; mit barbarischer* Schadenfreude entkleiden sie die Altäre ihres Schmuckes, zerbrechen und entweihen sie die heiligen Gefäße, zerschmettern sie die Bildsäulen der Apostel* und Heiligen und stürzen die herrlichsten Tempel in Trümmer. Ihre Mordgier öffnet sich die Zellen der Mönche und Nonnen und ihre Schwerter werden mit dem Blut dieser Unschuldigen befleckt. Mit erfinderischer Wut schärften sie durch den bittersten Hohn noch die Qualen des Todes, und oft konnte der Tod selbst ihre tierische Lust nicht stillen. Sie verstümmelten selbst noch die Leichname und einer unter ihnen hatte den rasenden Geschmack, sich aus den Ohren der Mönche, die er niedergemacht hatte, ein Halsband zu verfertigen und es öffentlich als ein Ehrenzeichen zu tragen. Ein andrer ließ eine Hydra auf seine Fahnen malen, deren Köpfe mit Kardinalshüten, Bischofsmützen* und Mönchskapuzen auf das seltsamste ausstaffiert* waren. Er selbst war darneben als ein Herkules abgebildet, der alle diese Köpfe mit starken Fäusten herunterschlug. Kein Wunder, wenn so handgreifliche Symbole die Leidenschaften eines fanatischen rohen Haufens noch heftiger entflammten und dem Geist der Grausamkeit eine immerwährende Nahrung gaben. Die Ausschweifungen der Hugenotten wurden von den Papisten durch schreckliche Repressalien erwidert und wehe dem Unglücklichen, der lebendig in ihre Hände fiel. Sein Urteil war einmal für immer gesprochen und eine freiwillige Unterwerfung konnte sein Verderben höchstens nur wenige Stunden verzögern. 

   Mitten im Winter brachen beide Armeen, die königliche unter dem jungen Herzog von Anjou*, dem der kriegserfahrene Tavannes an die Seite gegeben war, und die protestantische unter Condé und Coligny auf und stießen bei Loudun so nahe aneinander, dass weder Fluss noch Graben ihre Schlachtordnungen trennte. Vier Tage blieben sie in dieser Stellung einander gegenüberstehen, ohne etwas Entscheidendes zu wagen, weil die Kälte zu streng war. Der zunehmende Frost zwang endlich die Königlichen zuerst zum Aufbruch; die Hugenotten folgten ihrem Beispiel und der ganze Feldzug endigte sich ohne Entscheidung. 

   Unterdessen versäumten die Letztern nicht, in der Ruhe der Winterquartiere neue Kräfte zu dem folgenden Feldzug zu sammeln. Sie hatten die eroberten Provinzen glücklich behauptet und viele andere Städte des Königreichs erwarteten bloß einen günstigen Augenblick, um sich laut für sie zu erklären. Ansehnliche Summen wurden aus dem Verkauf der Kirchengüter und den Konfiskationen gezogen und von den Provinzen beträchtliche Steuern erhoben. Mit Hilfe derselben sah sich der Prinz von Condé in den Stand gesetzt, seine Armee zu verstärken und in eine blühende Verfassung zu setzen. Fähige Generale kommandierten unter ihm, und ein tapfrer Adel hatte sich unter seinen Fahnen versammelt. Zugleich waren seine Agenten, in England sowohl als in Deutschland, geschäftig, seine dortigen Bundsgenossen zu bewaffnen und seine Gegner neutral zu erhalten. Es gelang ihm, Truppen, Geld und Geschütz aus England zu ziehen, und aus Deutschland führten ihm der Markgraf von Baden und der Herzog von Zweibrücken beträchtliche Hilfsvölker zu, so dass er sich mit dem Antritt des Jahres 1569 an der Spitze einer furchtbaren Macht erblickte, die einen merkwürdigen Feldzug versprach. 

   Er hatte sich eben aus den Winterquartieren hervor gemacht, um den deutschen Truppen den Eintritt in das Königreich zu öffnen, als ihn die königliche Armee am 13. März d. J. unweit Jarnac an der Grenze von Limousin unter sehr nachteiligen Umständen zum Treffen nötigte. Abgeschnitten von dem Überrest seiner Armee, wurde er von der ganzen königlichen Macht angegriffen und sein kleiner Haufen, des tapfersten Widerstandes ungeachtet, von der überlegenen Zahl überwältigt. Er selbst, ob ihm gleich der Schlag eines Pferdes einige Augenblicke vor der Schlacht das Bein zerschmetterte, kämpfte mit der heldenmütigsten Tapferkeit und von seinem Pferde herab gerissen, setzte er noch eine Zeit lang auf der Erde kniend das Gefecht fort, bis ihn endlich der Verlust seiner Kräfte zwang, sich zu ergeben. Aber in diesem Augenblick nähert sich ihm Montesquion, ein Kapitän von der Garde des Herzogs von Anjou*, von hinten und tötet ihn meuchelmörderisch mit einer Pistole.

   Und so hatte auch Condé mit allen damaligen Häuptern der Parteien das Schicksal gemein, dass ein gewaltsamer Tod ihn dahinraffte. Franz von Guise war durch Meuchelmördershände vor Orleans gefallen, Anton von Navarra bei der Belagerung von Rouen, der Marschall von St. André in der Schlacht bei Dreux und der Connetable bei St. Denis geblieben. Den Admiral erwartete ein schrecklicheres Los in der Bartholomäusnacht* und Heinrich von Guise sank wie sein Vater unter dem Dolch der Verräterei. 

   Der Tod ihres Anführers war ein empfindlicher Schlag für die protestantische Partei, aber bald zeigte sich’s, dass die katholische zu früh triumphiert hatte. Condé hatte seiner Partei große Dienste geleistet, aber sein Verlust war nicht unersetzlich. Noch lebte das heldenreiche Geschlecht der Chatillons und der standhafte, unternehmende, an Hilfsquellen unerschöpfliche Geist des Admirals von Coligny riss sie bald wieder aus ihrer Erniedrigung empor. Es war mehr ein Name als ein Oberhaupt, was die Hugenotten durch den Tod des Prinzen Ludwig von Condé verloren; aber auch schon ein Name war ihnen wichtig und unentbehrlich, um den Mut der Partei zu beleben und sich ein Ansehen in dem Königreich zu erwerben. Der nach Unabhängigkeit strebende Geist des Adels ertrug mit Widerwillen das Joch eines Führers, der nur seinesgleichen war und schwer, ja unmöglich wurde es einem Privatmann, diese stolze Soldateska im Zaum zu erhalten. Dazu gehörte ein Fürst, den seine Geburt schon über jede Konkurrenz hinwegrückte und der eine erbliche und unbestrittene Gewalt über die Gemüter ausübte. Und auch dieser fand sich nun in der Person des jungen Heinrichs von Bourbon*, des Helden dieses Werks, den wir jetzt zum ersten Mal auf die politische Schaubühne führen. 

   Heinrich der Vierte, der Sohn Antons von Navarra und Johannes von Albret, war im Jahr 1553 zu Pau in der Provinz Bearn geboren. Schon von den frühesten Jahren einer harten Lebensart unterworfen, stählte sich sein Körper zu seinen künftigen Kriegestaten. Eine einfache Erziehung und ein zweckmäßiger Unterricht entwickelten schnell die Keime seines lebhaften Geistes. Sein junges Herz sog schon mit der Muttermilch den Hass gegen das Papsttum und gegen den spanischen Despotismus ein; der Zwang der Umstände machte ihn schon in den Jahren der Unschuld zum Anführer von Rebellen. Ein früher Gebrauch der Waffen bildete ihn zum künftigen Held und frühes Unglück zum vortrefflichen König. Das Haus Valois, welches Jahrhunderte lang über Frankreich geherrscht hatte, neigte sich unter den schwächlichen Söhnen Heinrichs II. zum Untergang und wenn diese drei Brüder dem Reich keinen Erben gaben, so rief die Verwandtschaft mit dem regierenden Haus, ob sie gleich nur im 21sten Grad statthatte, das Haus von Navarra auf den Thron. Die Aussicht auf den glänzendsten Thron Europas umschimmerte schon Heinrichs IV. Wiege, aber sie war es auch, die ihn schon in der frühesten Jugend den Nachstellungen mächtiger Feinde bloßstellte. Philipp II., König von Spanien, der unversöhnlichste aller Feinde des protestantischen Glaubens, konnte nicht mit Gelassenheit zusehen, dass die verhasste Sekte der Neuerer von dem herrlichsten aller christlichen Throne Besitz nahm und durch denselben ein entscheidendes Übergewicht der Macht in Europa erlangte. Und er war umso weniger geneigt, die französische Krone dem ketzerischen Geschlecht von Navarra zu gönnen, da ihm selbst nach dieser kostbaren Erwerbung gelüstete. Der junge Heinrich stand seinen ehrgeizigen Hoffnungen im Weg und seine Beichtväter überzeugten ihn, dass es verdienstlich sei, einen Ketzer zu berauben, um ein so großes Königreich im Gehorsam gegen den apostolischen Stuhl zu erhalten. Ein schwarzes Komplott wurde nun mit Zuziehung des berüchtigten Herzogs von Alba und des Kardinals von Lothringen geschmiedet, den jungen Heinrich mit seiner Mutter aus ihren Staaten zu entführen und in spanische Hände zu liefern. Ein schreckliches Schicksal erwartete diese Unglücklichen in den Händen dieses blutgierigen Feindes und schon jauchzte die spanische Inquisition diesem wichtigen Schlachtopfer entgegen. Aber Johanna wurde noch zu rechter Zeit und zwar, wie man behauptet, durch Philipps eigne Gemahlin, Elisabeth, gewarnt und der Anschlag noch in der Entstehung vereitelt. Eine so schwere Gefahr umschwebte das Haupt des Knaben und weihte ihn schon früh zu den harten Kämpfen und Leiden ein, die er in der Folge bestehen sollte.

   Jetzt, als die Nachricht von dem Tod des Prinzen von Condé die Anführer der Protestanten in Bestürzung und Verlegenheit setzte, die ganze Partei sich ohne Oberhaupt, die Armee ohne Führer sah, erschien die heldenmütige Johanna mit dem sechzehnjährigen Heinrich und dem ältesten Sohn des ermordeten Condé, der um einige Jahre jünger war, zu Cognac in Angoumois, wo die Armee und die Anführer versammelt waren. Beide Knaben an den Händen führend, trat sie vor die Truppen und machte schnell ihrer Unentschlossenheit ein Ende: „Die gute Sache“, hub sie an, „hat an dem Prinzen von Condé einen trefflichen Beschützer verloren, aber sie ist nicht mit ihm untergegangen Gott wacht über seine Verehrer. Er gab dem Prinzen von Condé tapfere Streitgefährten an die Seite, da er noch lebend unter uns wandelte; er gibt ihm heldenmütige Offiziere zu Nachfolgern, die seinen Verlust uns vergessen machen werden. Hier ist der junge Bearner, mein Sohn. Ich biete ihn euch an zum Fürsten; hier ist der Sohn des Mannes, dessen Verlust ihr betrauert. Euch übergeb’ ich beide. Möchten sie ihrer Ahnherrn* wert sein durch ihre künftigen Taten! Möchte der Anblick dieser heiligen Pfänder euch Einigkeit lehren und begeistern zum Kampf für die Religion!“ 

   Ein lautes Geschrei des Beifalls antwortete der königlichen Rednerin, worauf der junge Heinrich mit edlem Anstand das Wort nahm: „Freunde!“, rief er aus, „ich gelobe euch an, für die Religion und die gemeine Sache zu streiten, bis uns Sieg oder Tod die Freiheit verschafft haben, um die es uns allen zu tun ist.“ Sogleich wurde er zum Oberhaupt der Partei und zum Führer der Armee ausgerufen und empfing als solcher die Huldigung. Die Eifersucht der übrigen Anführer verstummte und bereitwillig unterwarf man sich jetzt der Führung des Admirals von Coligny, der dem jungen Helden seine Erfahrung lieh und unter dem Namen seines Pupillen das Ganze beherrschte. 

   Die deutschen Protestanten, immer die vornehmste Stütze und die letzte Zuflucht ihrer Glaubensbrüder in Frankreich, waren es auch jetzt, die nach dem unglücklichen Tag bei Jarnac das Gleichgewicht der Waffen zwischen den Hugenotten und Katholischen wieder herstellen halfen. Der Herzog Wolfgang von Zweibrücken brach mit einem dreizehntausend Mann starken Heer in das Königreich ein, durchzog mitten unter Feinden, nicht ohne große Hindernisse, fast den ganzen Strich zwischen dem Rhein und dem Weltmeer und hatte die Armee der Reformierten beinahe erreicht, als der Tod ihn dahinraffte. Wenige Tage nachher vereinigte sich der Graf von Mansfeld, sein Nachfolger im Kommando (im Juni 1569), in der Provinz Guienne mit dem Admiral von Coligny, der sich nach einer so beträchtlichen Verstärkung wieder imstande sah, den Königlichen die Spitze zu bieten. Aber misstrauisch gegen das Glück, dessen Unbeständigkeit er so oft erfahren hatte, und seines Unvermögens sich bewusst, bei so geringen Hilfsmitteln einen erschöpfenden Krieg auszuhalten, versuchte er noch vorher, auf einem friedlichen Weg zu erhalten, was er allzu misslich fand mit den Waffen in der Hand zu erzwingen. Der Admiral liebte aufrichtig den Frieden, ganz gegen die Sinnesart der Anführer von Parteien, die die Ruhe als das Grab ihrer Macht betrachten und in der allgemeinen Verwirrung ihre Vorteile finden. Mit Widerwillen übte er die Bedrückungen aus, die sein Posten, die Not und die Pflicht der Selbstverteidigung erheischten, und gern hätte er sich überhoben gesehen, mit dem Degen in der Faust eine Sache zu verfechten, die ihm gerecht genug schien, um durch Vernunftgründe verteidigt zu werden. Er machte jetzt dem Hof die dringendsten Vorstellungen, sich des allgemeinen Elendes zu erbarmen und den Reformierten, die nichts als die Bestätigung der ehemaligen, ihnen günstigen Edikte verlangten, ein so billiges Gesuch zu gewähren. Diesen Vorschlägen glaubte er umso eher eine günstige Aufnahme versprechen zu können, da sie nicht Werk der Verlegenheit waren, sondern durch eine ansehnliche Macht unterstützt wurden. Aber das Selbstvertrauen der Katholiken war mit ihrem Glück gestiegen. Man forderte eine unbedingte Unterwerfung und so blieb es denn bei der Entscheidung des Schwerts. 

   Um die Stadt Rochelle und die Besitzungen der Protestanten längs der dortigen Seeküste vor einem Angriff sicher zu stellen, rückte der Admiral mit seiner ganzen Macht vor Poitiers, welche Stadt er ihres großen Umfanges wegen keines langen Widerstandes fähig glaubte. Aber auf die erste Nachricht der sie bedrohenden Gefahr hatten sich die Herzoge von Guise und von Mayenne, würdige Söhne des verstorbenen Franz von Guise, nebst einem zahlreichen Adel in diese Stadt geworfen, entschlossen, sie bis aufs Äußerste zu verteidigen. Fanatismus und Erbitterung machten diese Belagerung zu einer der blutigsten Handlungen im ganzen Lauf des Krieges, und die Hartnäckigkeit des Angriffs konnte gegen den beharrlichen Widerstand der Besatzung nichts ausrichten. 

   Trotz der Überschwemmungen, die die Außenwerke unter Wasser setzten, trotz des feindlichen Feuers und des siedenden Öls, das von den Wällen herab auf sie regnete, trotz des unüberwindlichen Widerstandes, den der schroffe Abhang der Werke und die heroische Tapferkeit der Besatzung ihnen entgegensetzte, wiederholten die Belagerer ihre Stürme, ohne jedoch mit allen diesen Anstrengungen einen einzigen Vorteil erkaufen oder die Standhaftigkeit der Belagerten ermüden zu können. Vielmehr zeigten diese durch wiederholte Ausfälle, wie wenig ihr Mut zu erschöpfen sei. Ein reicher Vorrat von Kriegs- und Mundbedürfnissen, den man Zeit gehabt hatte in der Stadt aufzuhäufen, setzte sie in Stand, auch der langwierigsten Belagerung zu trotzen, da im Gegenteil Mangel, üble Witterung und Seuchen im Lager der Reformierten bald große Verwüstungen anrichteten. Die Ruhr raffte einen großen Teil der deutschen Kriegsvölker dahin und warf endlich selbst den Admiral von Coligny danieder, nachdem die meisten unter ihm stehenden Befehlshaber zum Dienst unbrauchbar gemacht waren. Da bald darauf auch der Herzog von Anjou* im Feld erschien und Chatellerault, einen festen Ort in der Nachbarschaft, wohin man die Kranken geflüchtet hatte, mit einer Belagerung bedrohte, so ergriff der Admiral diesen Vorwand, seiner unglücklichen Unternehmung noch mit einigem Schein von Ehre zu entsagen. Es gelang ihm auch, den Versuch des Herzogs auf Chatellerault zu vereiteln, aber die immer mehr anwachsende Macht des Feindes nötigte ihn bald, auf seinen Rückzug zu denken. 

   Alles vereinigte sich, die Standhaftigkeit dieses großen Mannes zu erschüttern. Er hatte wenige Wochen nach dem Unglück bei Jarnac seinen Bruder d’Andelot durch den Tod verloren, den treusten Teilnehmer seiner Unternehmungen und seinen rechten Arm im Feld. Jetzt erfuhr er, dass das Pariser Parlament – dieser Gerichtshof, der zuweilen ein wohltätiger Damm gegen die Unterdrückung, oft aber auch ein verächtliches Werkzeug derselben war – ihm als einem Aufrührer und Beleidiger der Majestät das Todesurteil gesprochen und einen Preis von fünfzigtausend Goldstücken auf seinen Kopf gesetzt habe. Abschriften dieses Urteils wurden nicht nur in ganz Frankreich, sondern auch durch Übersetzungen in ganz Europa zerstreut, um durch den Schimmer der versprochenen Belohnung Mörder aus andern Ländern anzulocken, wenn sich etwa in dem Königreich selbst zur Vollziehung dieses Bubenstücks keine entschlossene Faust finden sollte. Aber sie fand sich selbst im Gefolge des Admirals und sein eigner Kammerdiener war es, der einen Anschlag gegen sein Leben schmiedete. Diese nahe Gefahr wurde zwar durch eine zeitige Entdeckung noch von ihm abgewandt, aber der unsichtbare Dolch der Verräterei verscheuchte von jetzt an seine Ruhe auf immer. 

   Diese Widerwärtigkeiten, die ihn selbst betrafen, wurden durch die Last seines Heerführeramtes und durch die öffentlichen Unfälle seiner Partei noch drückender gemacht. Durch Desertion, Krankheiten und das Schwert des Feindes war seine Armee sehr geschmolzen, während dass die königliche immer mehr anwuchs und immer hitziger ihn verfolgte. Die Überlegenheit der Feinde war viel zu groß, als dass er es auf den bedenklichen Ausschlag eines Treffens durfte ankommen lassen, und doch verlangten dieses die Soldaten, besonders die Deutschen, mit Ungestüm. Sie ließen ihm die Wahl, entweder zu schlagen oder ihnen den rückständigen Sold zu bezahlen; und da ihm das Letztere unmöglich war, so musste er ihnen notgedrungen in dem ersteren willfahren. 

   Die Armee des Herzogs von Anjou* überraschte ihn (am 3. Oktober des Jahrs 1569) bei Montcontour in einer sehr ungünstigen Stellung und besiegte ihn in einer entscheidenden Schlacht. Alle Entschlossenheit des protestantischen Adels, alle Tapferkeit der Deutschen, alle Geistesgegenwart des Generals konnte die völlige Niederlage seines Heers nicht verhindern. Beinahe die ganze deutsche Infanterie wurde niedergehauen, der Admiral selbst verwundet, der Rest der Armee zerstreut, der größte Teil des Gepäckes verloren. Keinen unglücklichern Tag hatten die Hugenotten während dieses ganzen Krieges erlebt. Die Prinzen von Bourbon*rettete man noch während der Schlacht nach St. Jean d’Angely, wo sich auch der geschlagene Coligny mit dem kleinen Überrest der Truppe einfand. Von einem fünfundzwanzigtausend Mann starken Heer konnte er kaum sechstausend Mann wieder sammeln; dennoch hatte der Feind wenig Gefangene gemacht. Die Wut des Bürgerkrieges machte alle Gefühle der Menschlichkeit schweigen, und die Rachbegier der Katholischen konnte nur durch das Blut ihrer Gegner gesättigt werden. Mit kalter Grausamkeit stieß man den, der die Waffen streckte und um Quartier bat, nieder; die Erinnerung an eine ähnliche Barbarei*, welche die Hugenotten gegen die Papisten bewiesen hatten, machte die letztern unversöhnlich. 

   Die Mutlosigkeit war jetzt allgemein und man hielt alles für verloren. Viele sprachen schon von einer gänzlichen Flucht aus dem Königreich und wollten sich in Holland, in England, in den nordischen Reichen ein neues Vaterland suchen. Ein großer Teil des Adels verließ den Admiral, dem es an Geld, an Mannschaft, an Ansehen, an allem, nur nicht an Heldenmut fehlte. Sein schönes Schloss und die anliegende Stadt Chatillon waren ungefähr um eben diese Zeit von den Königlichen überfallen und mit allem, was darin niedergelegt war, ein Raub des Feuers geworden. Dennoch war er der einzige von allen, der in dieser drangvollen Lage die Hoffnung nicht sinken ließ. Seinem durchdringenden Blick entgingen die Rettungsmittel nicht, die der reformierten Partei noch immer geöffnet waren und er wusste sie mit großem Erfolg bei seinen Anhängern geltend zu machen. Ein hugenottischer Anführer, Montgomery, hatte in der Provinz Bearn glücklich gefochten und war bereit, ihm sein siegreiches Heer zuzuführen. Deutschland war noch immer ein reiches Magazin von Soldaten, und auch von England durfte man Beistand erwarten. Dazu kam, dass die Königlichen, anstatt ihren Sieg mit rascher Tätigkeit zu benutzen und den geschlagenen Feind bis zu seinen letzten Schlupfwinkeln zu verfolgen, mit unnützen Belagerungen eine kostbare Zeit verloren und dem Admiral die gewünschte Frist zur Erholung vergönnten. 

   Das schlechte Einverständnis unter den Katholiken selbst trug nicht wenig zu seiner Rettung bei. Nicht alle Provinzstatthalter taten ihre Schuldigkeit; vorzüglich wurde Damville, Gouverneur von Languedoc, ein Sohn des berühmten Connetable von Montmorency, beschuldigt, die Flucht des Admirals durch sein Gouvernement begünstigt zu haben. Dieser stolze Vasall der Krone, sonst ein erbitterter Feind der Hugenotten, glaubte sich von dem Hof vernachlässigt und sein Ehrgeiz war empfindlich gereizt, dass andre in diesem Krieg sich Lorbeeren sammelten und andre den Kommandostab führten, den er doch als ein Erbstück seines Hauses betrachtete. Selbst in der Brust des jungen Königs und der ihn zunächst umgebenden Großen hatten die glänzenden Successe des Herzogs von Anjou*, die doch gar nicht auf Rechnung des Prinzen gesetzt werden konnten, Neid und Eifersucht angefacht. Der ruhmbegierige Monarch erinnerte sich mit Verdruss, dass er selbst noch nichts für seinen Ruhm getan habe; die Vorliebe der Königin Mutter für den Herzog von Anjou*und das Lob dieses begünstigten Lieblings auf den Lippen der Hofleute beleidigte seinen Stolz. Da er den Herzog von Anjou* mit guter Art von der Armee nicht entfernen konnte, so stellte er sich selbst an die Spitze derselben, um sich gemeinschaftlich mit demselben den Ruhm der Siege zuzueignen, an welchen beide gleich wenig Anspruch hatten. Die schlechten Maßregeln, welche dieser Geist der Eifersucht und Intrige die katholischen Anführer ergreifen ließ, vereitelten alle Früchte der erfochtenen Siege. Vergebens bestand der Marschall von Tavannes, dessen Kriegserfahrung man das bisherige Glück allein zu verdanken hatte, auf Verfolgung des Feindes. Sein Rat war, dem flüchtigen Admiral mit dem größeren Teil der Armee so lange nachzusetzen, bis man ihn entweder aus Frankreich herausgejagt oder genötigt hätte, irgend in einen festen Ort sich zu werfen, der alsdann unvermeidlich das Grab der ganzen Partei werden müsste. Da diese Vorstellungen keinen Eingang fanden, so legte Tavannes sein Kommando nieder und zog sich in sein Gouvernement Burgund* zurück. 

   Jetzt säumte man nicht, die Städte anzugreifen, die den Hugenotten ergeben waren. Der erste Anfang war glücklich, und schon schmeichelte man sich, alle Vormauern von Rochelle mit gleich wenig Mühe zu zertrümmern und alsdann diesen Mittelpunkt der ganzen Bourbonischen* Macht desto leichter zu überwältigen. Aber der tapfre Widerstand, den St. Jean d’Angely leistete, stimmte diese stolzen Erwartungen sehr herunter. Zwei Monate lang hielt sich diese Stadt, von ihrem unerschrockenen Kommandanten de Piles verteidigt; und als endlich die höchste Not sie zwang, sich zu ergeben, war der Winter herbeigerückt und der Feldzug geendigt. Der Besitz einiger Städte war also die ganze Frucht eines Sieges, dessen weise Benutzung den Bürgerkrieg vielleicht auf immer hätte endigen können. 

   Unterdessen hatte Coligny nichts versäumt, die schlechte Politik des Feindes zu seinem Vorteil zu kehren. Sein Fußvolk war im Treffen bei Montcontour beinahe gänzlich aufgerieben worden und dreitausend Pferde machten seine ganze Kriegsmacht aus, die es kaum mit dem nachsetzenden Landvolk aufnehmen konnte. Aber dieser kleine Haufen verstärkte sich in Languedoc und Dauphiné mit neu geworbenen Völkern und mit dem siegreichen Heer des Montgomery, das er an sich zog. Die vielen Anhänger, welche die Reformation in diesem Teil Frankreichs zählte, begünstigten sowohl die Rekrutierung als den Unterhalt der Truppen und die Leutseligkeit der Bourbonischen* Prinzen, die alle Beschwerden dieses Feldzuges teilten und frühzeitige Proben des Heldenmuts ablegten, lockte manchen Freiwilligen unter ihre Fahnen. Wie sparsam auch die Geldbeiträge einflossen, so wurde dieser Mangel einigermaßen durch die Stadt Rochelle ersetzt. Aus dem Hafen derselben liefen zahlreiche Kaperschiffe aus, die viele glückliche Prisen machten und dem Admiral den Zehenten von jeder Beute entrichten mussten. Mit Hilfe aller dieser Vorkehrungen erholten sich die Hugenotten während des Winters so vollkommen von ihrer Niederlage, dass sie im Frühjahr des 1570sten Jahrs gleich einem reißenden Strom aus Languedoc hervorbrachen und furchtbarer als jemals im Feld erscheinen konnten. 

   Sie hatten keine Schonung erfahren und übten auch keine aus. Gereizt durch so viele erlittene Misshandlungen und durch eine lange Reihe von Unglücksfällen verwildert, ließen sie das Blut ihrer Feinde in Strömen fließen, drückten mit schweren Brandschatzungen alle Distrikte, durch die sie zogen, oder verwüsteten sie mit Feuer und Schwert. Ihr Marsch war gegen die Hauptstadt des Reichs gerichtet, wo sie mit dem Schwert in der Hand einen billigen Frieden zu ertrotzen hofften. Eine königliche Armee, die sich ihnen in dem Herzogtum Burgund* unter dem Marschall von Cossé, dreizehntausend Mann stark, entgegenstellte, konnte ihren Lauf nicht aufhalten. Es kam zu einem Gefecht, worin die Protestanten über einen weit überlegeneren Feind verschiedene Vorteile davon trugen. Längs der Loire verbreitet, bedrohten sie Orleanois und Isle de France mit ihrer nahen Erscheinung und die Schnelligkeit ihres Zuges ängstigte schon Paris. 

   Diese Entschlossenheit tat Wirkung und der Hof fing endlich an, vom Frieden zu sprechen. Man scheute den Kampf mit einer, wenn gleich nicht zahlreichen, doch von Verzweiflung beseelten Schar, die nichts mehr zu verlieren hatte und bereit war, ihr Leben um einen teuren Preis zu verkaufen. Der königliche Schatz war erschöpft, die Armee durch den Abzug der italienischen, deutschen und spanischen Hilfsvölker sehr vermindert und in den Provinzen hatte sich das Glück fast überall zum Vorteil der Rebellen erklärt. Wie hart es auch die Katholischen ankam, dem Trotz der Sektierer nachgeben zu müssen, wie ungern sich sogar viele der letztern dazu verstanden, die Waffen aus den Händen zu legen und ihren Hoffnungen auf Beute, ihrer gesetzlosen Freiheit zu entsagen: So machte doch die überhand nehmende Not jeden Widerspruch schweigen und die Neigung der Anführer entschied so ernstlich für den Frieden, dass er endlich im August dieses Jahrs unter folgenden Bedingungen wirklich erfolgte. 

   Den Reformierten wurde von Seiten des Hofes eine allgemeine Vergessenheit des Vergangenen, eine freie Ausübung ihrer Religion in jedem Teil des Reichs, nur den Hof ausgenommen, die Zurückgabe aller der Religion wegen eingezogenen Güter und ein gleiches Recht zu allen öffentlichen Bedienungen zugestanden. Außerdem überließ man ihnen noch auf zwei Jahre lang vier Sicherheitsplätze, die sie mit ihren eignen Truppen zu besetzen und Befehlshabern ihres Glaubens zu untergeben berechtigt sein sollten. Die Prinzen von Bourbon* nebst zwanzig aus dem vornehmsten Adel mussten sich durch einen Eid verbindlich machen, diese vier Plätze (man hatte Rochelle, Montauban, Cognac und la Charité gewählt) nach Ablauf der gesetzten Zeit wieder zu räumen. So war es abermals der Hof, welcher nachgab, und, weit entfernt, durch Bewilligungen, die ihm nicht von Herzen gehen konnten, bei den Religionsverbesserern Dank zu verdienen, bloß ein erniedrigendes Geständnis seiner Ohnmacht ablegte. 

   Alles trat jetzt wieder in seine Ordnung zurück und die Reformierten überließen sich mit der vorigen Sorglosigkeit dem Genuss ihrer schwer errungenen Glaubensfreiheit. Je mehr sie überzeugt sein mussten, dass sie die eben erhaltenen Vorteile nicht dem guten Willen, sondern der Schwäche ihrer Feinde und ihrer eigenen Furchtbarkeit verdankten, desto notwendiger war es, sich in diesem Verhältnis der Macht zu erhalten und die Schritte des Hofs zu bewachen. Die Nachgiebigkeit des letztern war auch wirklich viel zu groß, als dass man Vertrauen dazu fassen konnte und ohne gerade aus dem Erfolg zu argumentieren, kann man mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit behaupten, dass der erste Entwurf zu der Gräueltat, welche zwei Jahre darauf in Ausübung gebracht wurde, in diese Zeit zu setzen ist. 

   So viele Fehlschläge, so viele überraschende Wendungen des Kriegsglücks, so viele unerwartete Hilfsquellen der Hugenotten hatten endlich den Hof überzeugen müssen, dass es ein vergebliches Unternehmen sei, diese immer frisch auflebende und immer mehr sich verstärkende Partei durch offenbare Gewalt zu besiegen und auf dem bisher betretenen Weg einen entscheidenden Vorteil über sie zu erlangen. Durch ganz Frankreich ausgebreitet, war sie sicher, nie eine totale Niederlage zu erleiden und die Erfahrung hatte gelehrt, dass alle Wunden, die man ihr teilweise schlug, ihrem Leben selbst nie gefährlich werden konnten. An einer Grenze des Königreichs unterdrückt, erhob sie sich nur desto furchtbarer an der andern, und jeder neue, erlittene Verlust schien bloß ihren Mut anzufeuern und ihren Anhang zu vermehren. Was ihr an innern Kräften gebrach, das ersetzte die Standhaftigkeit, Klugheit und Tapferkeit ihrer Anführer, die durch keine Unfälle zu ermüden, durch keine List einzuwiegen, durch keine Gefahr zu erschüttern waren. Schon der einzige Coligny galt für eine ganze Armee. „Wenn der Admiral heute sterben sollte“, erklärten die Abgeordneten des Hofs, als sie des Friedens wegen mit den Hugenotten in Unterhandlung traten, „so werden wir euch morgen nicht ein Glas Wasser anbieten. Glaubt sicher, dass sein einziger Name euch mehr Ansehen gibt, als eure ganze Armee doppelt genommen.“ – Solange die Sache der Reformierten in solchen Händen war, mussten alle Versuche zu ihrer Unterdrückung fehlschlagen. Er allein hielt die zerstreute Partei in ein Ganzes zusammen, lehrte sie ihre innern Kräfte kennen und benutzen, verschaffte ihr Ansehen und Unterstützung von außen, richtete sie von jedem Fall wieder auf und hielt sie mit festem Arm am Rand des Verderbens. 

   Überzeugt, dass auf dem Untergang dieses Mannes das Schicksal der ganzen Partei beruhe, hatte man schon im vorhergehenden Jahre das Pariser Parlament jene schimpfliche Achtserklärung gegen ihn aussprechen lassen, die den Dolch der Meuchelmörder gegen sein Leben bewaffnen sollte. Da aber dieser Zweck nicht erreicht wurde, vielmehr der jetzt geschlossene Friede jenen Parlamentsspruch wieder vernichtete, so musste man dasselbe Ziel auf einem anderen Weg verfolgen. Ermüdet von den Hindernissen, die der Freiheitssinn der Hugenotten der Befestigung des königlichen Ansehens schon so lange entgegengesetzt hatte, zugleich aufgefordert von dem römischen Hof, der keine Rettung für die Kirche sah, als in dem gänzlichen Untergang dieser Sekte, von einem finstern und grausamen Fanatismus erhitzt, der alle Gefühle der Menschlichkeit schweigen machte, beschloss man endlich, sich dieser gefährlichen Partei durch einen einzigen entscheidenden Schlag zu entledigen. Gelang es nämlich, sie auf einmal aller ihrer Anführer zu berauben und durch ein allgemeines Blutbad ihre Anzahl schnell und beträchtlich zu vermindern, so hatte man sie – wie man sich schmeichelte – auf immer in ihr Nichts zurückgestürzt, von einem gesunden Körper ein brandiges Glied abgesondert, die Flamme des Kriegs auf ewige Zeiten erstickt und Staat und Kirche durch ein einziges hartes Opfer gerettet. Durch solche betrügliche Gründe fanden sich Religionshass, Herrschsucht und Rachbegierde mit der Stimme des Gewissens und der Menschlichkeit ab und ließen die Religion eine Tat verantworten, für welche selbst die rohe Natur keine Entschuldigung hat. 

   Aber um diesen entscheidenden Streich zu führen, musste man sich der Opfer, die er treffen sollte, vorher versichert haben, und hier zeigte sich eine kaum zu überwindende Schwierigkeit. Eine lange Kette von Treulosigkeiten hatte das wechselseitige Vertrauen erstickt und von katholischer Seite hatte man zu viele und zu unzweideutige Proben der Maxime gegeben, dass „gegen Ketzer kein Eid bindend, keine Zusage heilig sei.“ Die Anführer der Hugenotten erwarteten keine andere Sicherheit, als welche ihnen ihre Entfernung und die Festigkeit ihrer Schlösser verschaffte. Selbst nach geschlossenem Frieden vermehrten sie die Besatzungen in ihren Städten und zeigten durch schleunige Ausbesserung ihrer Festungswerke, wie wenig sie dem königlichen Wort vertrauten. Welche Möglichkeit, sie aus diesen Verschanzungen hervorzulocken und dem Schlachtmesser entgegenzuführen? Welche Wahrscheinlichkeit, sich aller zugleich zu bemächtigen, gesetzt, dass auch einzelne sich überlisten ließen? Längst schon gebrauchten sie die Vorsicht, sich zu trennen und wenn auch einer unter ihnen sich der Redlichkeit des Hofs anvertraute, so blieb der andere desto gewisser zurück, um seinem Freund einen Rächer zu erhalten. Und doch hatte man gar nichts getan, wenn man nicht alles tun konnte; der Streich musste schlechterdings tödlich, allgemein und entscheidend sein oder ganz und gar unterlassen werden. 

   Es kam also darauf an, den Eindruck der vorigen Treulosigkeiten gänzlich auszulöschen und das verlorene Vertrauen der Reformierten, welchen Preis es auch kosten möchte, wieder zu gewinnen. Dieses ins Werk zu richten, änderte der Hof sein ganzes bisheriges System. Anstatt der Parteilichkeit in den Gerichten, über welche die Reformierten auch mitten im Frieden so viel Ursache gehabt hatten, sich zu beklagen, wurde von jetzt an die gleichförmigste Gerechtigkeit beobachtet, alle Beeinträchtigungen, die man sich von katholischer Seite bisher ungestraft gegen sie erlaubte, eingestellt, alle Friedensstörungen auf das strengste geahndet, alle billigen Forderungen derselben ohne Anstand erfüllt. In kurzem schien aller Unterschied des Glaubens vergessen und die ganze Monarchie gleich einer ruhigen Familie, deren sämtliche Glieder Karl der Neunte als gemeinschaftlicher Vater mit gleicher Gerechtigkeit regierte und mit gleicher Liebe umfasste. Mitten unter den Stürmen, welche die benachbarten Reiche erschütterten, welche Deutschland beunruhigten, die spanische Macht in den Niederlanden umzustürzen drohten, Schottland verheerten und in England den Thron der Königin Elisabeth wankend machten, genoss Frankreich einer ungewohnten tiefen Ruhe, die von einer gänzlichen Revolution in den Gesinnungen und einer allgemeinen Umänderung der Maximen zu zeugen schien, da keine Entscheidung der Waffen vorhergegangen war, auf die sie gegründet werden konnte. 

   Margaretha von Valois, die jüngste Tochter Heinrichs II., war noch unverheiratet und der Ehrgeiz des jungen Herzogs von Guise vermaß sich, seine Hoffnungen zu dieser Schwester seines Monarchen zu erheben. Um die Hand dieser Prinzessin hatte schon der König von Portugal geworben, aber ohne Erfolg, da der noch immer mächtige Kardinal von Lothringen sie keinem andern als seinem Neffen gönnte. „Der älteste Prinz meines Hauses“, erklärte sich der stolze Prälat gegen den Gesandten Sebastians, „hat die ältere Schwester davon getragen; dem jüngern gebührt die jüngere.“ Da aber Karl IX., dieser auf seine Hoheit eifersüchtige Monarch, die dreiste Anmaßung seines Vasallen mit Unwillen aufnahm, so eilte der Herzog von Guise, durch eine geschwinde Heirat mit der Prinzessin von Cleves seinen Zorn zu besänftigen. Aber einen Feind und Nebenbuhler im Besitze derjenigen zu sehen, zu der ihm nicht erlaubt worden war die Augen zu erheben, musste den Stolz des Herzogs desto empfindlicher kränken, da er sich schmeicheln konnte, das Herz der Prinzessin zu besitzen. 

   Der junge Heinrich, Prinz von Bearn, war es, auf den die Wahl des Königs fiel; sei es, dass letzterer wirklich die Absicht hatte, durch diese Heirat eine enge Verbindung zwischen dem Haus Valois und Bourbon* zu stiften und dadurch den Samen der Zwietracht auf ewige Zeiten zu ersticken, oder dass er dem Argwohn der Hugenotten nur dieses Blendwerk vormachte, um sie desto gewisser in die Schlinge zu locken. Genug, man erwähnte dieser Heirat schon bei den Friedenstraktaten und so groß auch das Misstrauen der Königin von Navarra sein mochte, so war der Antrag doch viel zu schmeichelhaft, als dass sie ihn ohne Beleidigung hätte zurückweisen können. Da aber dieser ehrenvolle Antrag nicht mit der Lebhaftigkeit erwidert wurde, die man wünschte und die seiner Wichtigkeit angemessen schien, so zögerte man nicht lang, ihn zu erneuern und die furchtsamen Bedenklichkeiten der Königin Johanna durch wiederholte Beweise der aufrichtigsten Versöhnung zu zerstreuen. 

   Um dieselbe Zeit hatte sich Graf Ludwig von Nassau, Bruder des Prinzen Wilhelm von Oranien, in Frankreich eingefunden, um die Hugenotten zum Beistand ihrer niederländischen Brüder gegen Philipp von Spanien in Bewegung zu setzen. Er fand den Admiral von Coligny in der günstigsten Stimmung, diese Anforderung anzunehmen. Neigung sowohl als Staatsgründe vermochten diesen ehrwürdigen Helden, die Religion und Freiheit, die er in seinem Vaterland mit so viel Heldenmut verfochten, auch im Ausland nicht sinken zu lassen. Leidenschaftlich hing er an seinen Grundsätzen und an seinem Glauben, und sein großes Herz hatte der Unterdrückung, wo und gegen wen sie auch stattfinden möchte, einen ewigen Krieg geschworen. Dieser Gesinnung gemäß betrachtete er jede Angelegenheit, sobald sie Sache des Glaubens und der Freiheit war, als die seinige und jedes Schlachtopfer des geistlichen oder weltlichen Despotismus konnte auf seinen Weltbürgersinn und seinen tätigen Eifer zählen. Es ist ein charakteristischer Zug der vernünftigen Freiheitsliebe, dass sie Geist und Herz weiter macht und im Denken wie im Handeln ihre Sphäre ausbreitet. Gegründet auf ein lebhaftes Gefühl der menschlichen Würde, kann sie Rechte, die sie an sich selbst respektiert, an andern nicht gleichgültig zu Boden treten sehen. 

   Aber dieses leidenschaftliche Interesse des Admirals für die Freiheit der Niederländer und der Entschluss, sich an der Spitze der Hugenotten zum Beistand dieser Republikaner zu bewaffnen, wurde zugleich durch die wichtigsten Staatsgründe gerechtfertigt. Er kannte und fürchtete den leicht zu entzündenden und gesetzlosen Geist seiner Partei, der, wund durch so viele erlittene Beleidigungen, schnell aufgeschreckt von jedem vermeintlichen Angriff und mit tumultuarischen Szenen vertraut, der Ordnung schon zu lange entwöhnt war, um ohne Rückfälle darin verharren zu können. Dem nach Unabhängigkeit strebenden und kriegerischen Adel konnte die Untätigkeit auf seinen Schlössern und der Zwang nicht willkommen sein, den der Friede ihm auflegte. Auch war nicht zu erwarten, dass der Feuereifer der kalvinistischen Prediger sich in den engen Schranken der Mäßigung halten würde, welche die Zeitumstände erforderten. Um also den Übeln zuvorzukommen, die ein missverstandener Religionseifer und das immer noch unter der Asche glimmende Misstrauen der Parteien früher oder später herbeizuführen drohte, musste man darauf denken, diese müßige Tapferkeit zu beschäftigen und einen Mut, welchen ganz zu unterdrücken man weder hoffen noch wünschen durfte, solange in ein anderes Reich abzuleiten, bis man in dem Vaterland seiner bedürfen würde. Dazu nun kam der niederländische Krieg wie gerufen; und selbst das Interesse und die Ehre der französischen Krone schien einen nähern Anteil an demselben notwendig zu machen. Frankreich hatte den verderblichen Einfluss der spanischen Intrigen bereits auf das empfindlichste gefühlt und es hatte noch weit mehr in der Zukunft davon zu befürchten, wenn man diesen gefährlichen Nachbar nicht innerhalb seiner eigenen Grenzen beschäftigte. Die Aufmunterung und Unterstützung, die er den missvergnügten Untertanen des Königs von Frankreich hatte angedeihen lassen, schien zu Repressalien zu berechtigen, wozu sich jetzt die günstigste Veranlassung darbot. Die Niederländer erwarteten Hilfe von Frankreich, die man ihnen nicht verweigern konnte, ohne sie in eine Abhängigkeit von England zu setzen, die für das Interesse des französischen Reichs nicht anders als nachteilig ausschlagen konnte. Warum sollte man einem gefährlichen Nebenbuhler einen Einfluss gönnen, den man sich selbst verschaffen konnte und der noch dazu gar nichts kostete? Denn es waren die Hugenotten, die ihren Arm dazu anboten und bereit waren, ihre der Ruhe der Monarchie so gefährlichen Kräfte in einem ausländischen Krieg zu verzehren. 

   Karl IX. schien das Gewicht dieser Gründe zu empfinden und bezeugte großes Verlangen, sich mit dem Admiral ausführlich und mündlich darüber zu beratschlagen. Diesem Beweis des königlichen Vertrauens konnte Coligny umso weniger widerstehen, da es eine Sache zum Gegenstand hatte, die ihm nächst seinem Vaterland am meisten am Herzen lag. Man hatte die einzige Schwachheit ausgekundschaftet, an der er zu fassen war; der Wunsch, seine Lieblingsangelegenheit bald befördert zusehen, half ihm jede Bedenklichkeit überwinden. Seine eigene, über jeden Verdacht erhabene Denkart, ja seine Klugheit selbst lockte ihn in die Schlinge. Wenn andere seiner Partei das veränderte Betragen des Hofs einem verdeckten Anschlag zuschrieben, so fand er in den Vorschriften einer weiseren Politik, die sich nach so vielen unglücklichen Erfahrungen endlich der Regierung aufdringen mussten, einen viel natürlichern Schlüssel zur Erklärung desselben. Es gibt Untaten, die der Rechtschaffene kaum eher für möglich halten darf, als bis er die Erfahrung davon gemacht hat; und einem Mann von Colignys Charakter war es zu verzeihen, wenn er seinem Monarchen lieber eine Mäßigung zutraute, von der dieser Prinz bisher noch keine Beweise gegeben hatte, als ihn einer Niederträchtigkeit fähig glaubte, welche die Menschheit überhaupt und noch weit mehr die Würde des Fürsten schändet. So viele zuvorkommende Schritte von Seiten des Hofes forderten überdies auch von dem protestantischen Teil eine Probe des Zutrauens; und wie leicht konnte man einen empfindlichen Feind durch längeres Misstrauen reizen, die schlechte Meinung wirklich zu verdienen, welche zu widerlegen man ihm unmöglich machte. 

   Der Admiral beschloss demnach, am Hof zu erscheinen, der damals nach Touraine vorgerückt war, um die Zusammenkunft mit der Königin von Navarra zu erleichtern. Mit widerstrebendem Herzen tat Johanna diesen Schritt, dem sie nicht länger ausweichen konnte und überlieferte dem König ihren Sohn Heinrich und den Prinzen von Condé. Coligny wollte sich dem Monarchen zu Füßen werfen, aber dieser empfing ihn in seinen Armen. „Endlich habe ich Sie“, rief der König. „Ich habe Sie und es soll Ihnen nicht so leicht werden, wieder von mir zu gehen. Ja, meine Freunde“, setzte er mit triumphierendem Blick hinzu: „Das ist der glücklichste Tag in meinem Leben.“ Dieselbe gütige Aufnahme widerfuhr dem Admiral von der Königin, von den Prinzen, von allen anwesenden Großen; der Ausdruck der höchsten Freude und Bewunderung war auf allen Gesichtern zu lesen. Man feierte diese glückliche Begebenheit mehrere Tage lang mit den glänzendsten Festen, und keine Spur des vorigen Misstrauens durfte die allgemeine Fröhlichkeit trüben. Man besprach sich über die Vermählung des Prinzen von Bearn mit Margarethe von Valois; alle Schwierigkeiten, die der Glaubensunterschied und das Zeremoniell der Vollziehung derselben in den Weg legten, mussten der Ungeduld des Königs weichen. Die Angelegenheiten Flanderns veranlassten mehrere lange Konferenzen zwischen dem letzten und Coligny, und mit jeder schien die gute Meinung des Königs von seinem ausgesöhnten Diener zu steigen. Einige Zeit darauf erlaubte er ihm sogar, eine kleine Reise auf sein Schloss Chatillon zu machen; und als sich der Admiral auf den ersten Rappell sogleich wieder stellte, ließ er ihn diese Reise noch in dem ersten Jahr wiederholen. So stellte sich das wechselseitige Vertrauen unvermerkt wieder her und Coligny fing an, in eine tiefe Sicherheit zu versinken. 

   Der Eifer, mit welchem Karl die Vermählung des Prinzen von Navarra betrieb und die außerordentlichen Gunstbezeugungen, die er an den Admiral und seine Anhänger verschwendete, erregten nicht weniger Unzufriedenheit bei den Katholischen, als Misstrauen und Argwohn bei den Protestanten. Man mag entweder mit einigen protestantischen und italienischen Schriftstellern annehmen, dass jenes Betragen des Königs bloße Maske gewesen oder mit de Thon und den Verfassern der Memoires glauben, dass er für seine Person es damals aufrichtig meinte, so blieb seine Stellung zwischen den Reformierten und Katholischen in jedem Fall gleich bedenklich, weil er, um das Geheimnis zu bewahren, diese so gut wie jene betrügen musste. Und wer bürgte selbst denjenigen, die um das Geheimnis wussten, dafür, dass die persönlichen Vorzüge des Admirals nicht zuletzt Eindruck auf einen Fürsten machten, dem es gar nicht an Fähigkeit gebrach, den Verdienst zu beurteilen? Dass ihm dieser bewährte Staatsmann nicht zuletzt unentbehrlich wurde, dass nicht endlich seine Ratschläge, seine Grundsätze, seine Warnungen bei ihm Eingang fanden? Kein Wunder, wenn die katholischen Eiferer daran Ärgernis nahmen, wenn sich der Papst in dieses neue Betragen des Königs gar nicht zu finden wusste, wenn selbst die Königin Katharina unruhig wurde und die Guisen anfingen, für ihren Einfluss zu zittern. Ein desto engeres Bündnis zwischen diesen letztern und der Königin war die Folge dieser Befürchtungen und man beschloss diese gefährlichen Verbindungen zu zerreißen, wie viel es auch kosten möchte. 

   Der Widerspruch der Geschichtsschreiber und das Geheimnisvolle dieser ganzen Begebenheit verschafft uns über die damaligen Gesinnungen des Königs und über die eigentliche Beschaffenheit des Komplotts, welches nachher so fürchterlich ausbrach, kein befriedigendes Licht. Könnte man dem Capi-Lupi1), einem römischen Skribenten und Lobredner der Bartholomäusnacht*, Glauben zustellen, so würde Karl dem Neunten durch den schwärzesten Verdacht nicht zu viel geschehen; aber obgleich die historische Kritik das Böse glauben darf, was ein Feind berichtet, so kann dieses doch alsdann nicht der Fall sein, wenn der Freund (wie hier wirklich geschehen ist) seinen Helden dadurch zu verherrlichen glaubt und als Schmeichler verleumdet. „Ein päpstlicher Legat“, berichtet uns dieser Schriftsteller in der Vorrede zu seinem Werk, „kam nach Frankreich, mit dem Auftrag, den allerchristlichsten König* von seinen Verbindungen mit den Sektierern abzumahnen. Nachdem er dem Monarchen die nachdrücklichsten Vorstellungen getan und ihn aufs Äußerste gebracht hatte, rief dieser mit bedeutender Miene: „Dass ich doch Eurer Eminenz alles sagen dürfte! Bald würden Sie und auch der heilige Vater mir bekennen müssen, dass diese Verheiratung meiner Schwester das ausgesuchteste Mittel sei, die wahre Religion in Frankreich aufrecht zu erhalten und ihre Widersacher zu vertilgen. Aber (fuhr er in großer Bewegung fort, indem er dem Kardinal die Hand drückte und zugleich einen Diamant an seinem Finger befestigte) vertrauen Sie auf mein königliches Wort. Noch eine kleine Geduld und der heilige Vater selbst soll meine Anschläge und meinen Glaubenseifer rühmen.“ Der Kardinal verschmähte den Diamant und versicherte, dass er sich mit der Zusage des Königs begnüge.“ – Aber, gesetzt auch, dass kein blinder Schwärmereifer diesem Geschichtsschreiber die Feder geführt hätte, so kann er seine Nachricht aus sehr unreinen Quellen geschöpft haben. Die Vermutung ist nicht ohne Wahrscheinlichkeit, dass der Kardinal von Lothringen, der sich eben damals zu Rom aufhielt, dergleichen Erfindungen, wo nicht selbst ausgestreut, doch begünstigt haben könnte, um den Fluch des Pariser Blutbads, den er nicht von sich abwälzen konnte, mit dem König wenigstens zu teilen2).

   Das wirkliche Betragen Karls des Neunten bei dem Ausbruch des Blutbades selbst, zeugt unstreitig stärker gegen ihn als diese unerwiesenen Gerüchte; aber wenn er sich auch von der Heftigkeit seines Temperaments hinreißen ließ, dem völlig reifen Komplott seinen Beifall zu geben und die Ausführung desselben zu begünstigen, so kann dieses für seine frühere Mitschuldigkeit nichts beweisen. Das Ungeheure und Grässliche des Verbrechens vermindert seine Wahrscheinlichkeit, und die Achtung für die menschliche Natur muss ihm zur Verteidigung dienen. Eine so zusammengesetzte und lange Kette von Betrug, eine so undurchdringliche, so gehaltene Verstellung, ein so tiefes Stillschweigen aller Menschengefühle, ein so freches Spiel mit den heiligsten Pfändern des Vertrauens scheint einen vollendeten Bösewicht zu erfordern, der durch eine lange Übung verhärtet und seiner Leidenschaften vollkommen Herr geworden ist. Karl der Neunte war ein Jüngling, den sein brausendes Temperament übermeisterte und dessen Leidenschaften ein früher Besitz der höchsten Gewalt von jedem Zügel der Mäßigung befreite. Ein solcher Charakter verträgt sich mit keiner so künstlichen Rolle und ein so hoher Grad der Verderbnis mit keiner Jünglingsseele – selbst dann nicht, wenn der Jüngling ein König und Katharinas Sohn ist. 

   Wie aufrichtig oder nicht aber das Betragen des Königs auch gemeint sein mochte, so konnten die Häupter der katholischen Partei keine gleichgültigen Zuschauer davon bleiben. Sie verließen wirklich mit Geräusch den Hof, sobald die Hugenotten festen Fuß an demselben zu fassen schienen und Karl der Neunte ließ sie unbekümmert ziehen. Die Letztern häuften sich nun mit jedem Tag mehr in der Hauptstadt an, je näher die Vermählungsfeier des Prinzen von Bearn heranrückte. Diese erlitt indessen einen unerwarteten Aufschub durch den Tod der Königin Johanna, die wenige Wochen nach ihrem Eintritt in Paris schnell dahin starb. Das ganze vorige Misstrauen der Kalvinisten erwachte aufs Neue bei diesem Todesfall und es fehlte nicht an Vermutungen, dass sie vergiftet worden sei. Aber da auch die sorgfältigsten Nachforschungen diesen Verdacht nicht bestätigten und der König sich in seinem Betragen völlig gleich blieb, so legte sich der Sturm in kurzer Zeit wieder.

   Coligny befand sich eben damals auf seinem Schloss zu Chatillon, ganz mit seinen Lieblingsentwürfen wegen des niederländischen Kriegs beschäftigt. Man sparte keine Winke, ihn von der nahen Gefahr zu unterrichten, und kein Tag verging, wo er sich nicht von einer Menge warnender Briefe verfolgt sah, die ihn abhalten sollten, am Hof zu erscheinen. Aber dieser gut gemeinte Eifer seiner Freunde ermüdete nur seine Geduld, ohne seine Überzeugungen wankend zu machen. Umsonst sprach man ihm von den Truppen, die der Hof in Poitou versammelte, und die, wie man behauptete, gegen Rochelle bestimmt sein sollten; er wusste besser, wozu sie bestimmt waren und versicherte seinen Freunden, dass diese Rüstung auf seinen eigenen Rat vorgenommen werde. Umsonst suchte man ihn auf die Geldanleihen des Königs aufmerksam zu machen, die auf eine große Unternehmung zu deuten schienen; er versicherte, dass diese Unternehmung keine andere sei, als der Krieg in den Niederlanden, dessen Ausbruch herannahe und worüber er bereits alle Maßregeln mit dem König getroffen habe. Es war wirklich an dem, dass Karl IX. den Vorstellungen des Admirals nachgegeben und – war es entweder Wahrheit oder Maske – sich mit England und den protestantischen Fürsten Deutschlands in eine förmliche Verbindung gegen Spanien eingelassen hatte. Alle dergleichen Warnungen verfehlten daher ihren Zweck und so fest vertraute der Admiral auf die Redlichkeit des Königs, dass er seine Anhänger ernstlich bat, ihn fortan mit allen solchen Hinterbringungen zu verschonen. 

   Er reiste also zurück an den Hof, wo bald darauf im August 1572 das Beilager Heinrichs – jetzt Königs von Navarra – mit Margarethe von Valois unter einem großen Zufluss von Hugenotten und mit königlichem Pomp gefeiert wurde. Sein Eidam Telegny, Rohan, Rochefoucauld, alle Häupter der Kalvinisten waren dabei zugegen, alle in gleicher Sicherheit mit Coligny und ohne alle Ahnung der nahe schwebenden Gefahr. Wenige nur errieten den kommenden Sturm und suchten in einer zeitigen Flucht ihre Rettung. Ein Edelmann, Namens Langoiran, kam zum Admiral, um Urlaub bei ihm zu nehmen. „Warum denn aber jetzt?“, fragte ihn Coligny voll Verwunderung. „Weil man Ihnen zu schön tut“, versetzte Langoiran, „und weil ich mich lieber retten will mit den Toren, als mit den Verständigen umkommen.“ 

   Wenngleich der Ausgang diese Vorhersagungen auf das schrecklichste gerechtfertigt hat, so bleibt es dennoch unentschieden, in wie weit sie damals gegründet waren. Nach dem Bericht glaubwürdiger Zeugen war die Gefahr damals größer für die Guisen und für die Königin, als für die Reformierten. Coligny, erzählen uns jene, hatte unvermerkt eine solche Macht über den jungen König erlangt, dass er es wagen durfte, ihm Misstrauen gegen seine Mutter einzuflößen und ihn ihrer noch immer fortdauernden Vormundschaft zu entreißen. Er hatte ihn überredet, dem flandrischen Krieg in Person beizuwohnen und selbst die Victorien zu erkämpfen, welche Katharina nur allzu gern ihrem Liebling, dem Herzog von Anjou*, gönnte. Bei dem eifersüchtigen und ehrgeizigen Monarchen war dieser Wink nicht verloren und Katharina überzeugte sich bald, dass ihre Herrschaft über den König zu wanken beginne. 

   Die Gefahr war dringend und nur die schnellste Entschlossenheit konnte den drohenden Streich abwenden. Ein Eilbote musste die Guisen und ihren Anhang schleunig an den Hof zurückrufen, um im Notfall von ihnen Hilfe zu haben. Sie selbst ergriff den nächsten Augenblick, wo ihr Sohn auf der Jagd mit ihr allein war und lockte ihn in ein Schloss, wo sie sich in ein Kabinett mit ihm einschloss, mit aller Gewalt mütterlicher Beredsamkeit über ihn herfiel und ihm über seinen Abfall von ihr, seinen Undank, seine Unbesonnenheit, die bittersten Vorwürfe machte. Ihr Schmerz, ihre Klagen erschütterten ihn; einige drohende Winke, die sie fallen ließ, taten Wirkung. Sie spielte ihre Rolle mit aller Schauspielerkunst, worin sie Meisterin war und es gelang ihr, ihn zu einem Geständnis seiner Übereilung zu bringen. Damit noch nicht zufrieden, riss sie sich von ihm los, spielte die Unversöhnliche, nahm eine abgesonderte Wohnung und ließ einen völligen Bruch befürchten. Der junge König war noch nicht so ganz Herr seiner selbst geworden, um sie beim Wort zu nehmen und sich der jetzt erlangten Freiheit zu erfreuen. Er kannte den großen Anhang der Königin und seine Furcht malte ihm denselben noch größer ab, als er wirklich sein mochte. Er fürchtete – vielleicht nicht ganz mit Unrecht – ihre Vorliebe für den Herzog von Anjou* und zitterte für Leben und Thron. Von Ratgebern verlassen und für sich selbst zu schwach, einen kühnen Entschluss zu fassen, eilte er seiner Mutter nach, brach in ihre Zimmer und fand sie von seinem Bruder, von ihren Höflingen, von den abgesagtesten Feinden der Reformierten umgeben. Er will wissen, was denn das neue Verbrechen sei, dessen man die Hugenotten beschuldige, er will alle Verbindungen mit ihnen zerreißen, sobald man ihn nur überführt haben werde, dass ihren Gesinnungen zu misstrauen sei. Man entwirft ihm das schwärzeste Gemälde von ihren Anmaßungen, ihren Gewalttätigkeiten, ihren Anschlägen, ihren Drohungen. Er wird überrascht, hingerissen, zum Stillschweigen gebracht und verlässt seine Mutter mit der Versicherung, ins Künftige behutsamer zu verfahren. 

   Aber mit dieser schwankenden Erklärung konnte sich Katharina noch nicht beruhigen. Dieselbe Schwäche, welche ihr jetzt ein so leichtes Spiel bei dem König machte, konnte ebenso schnell und noch glücklicher von den Hugenotten benutzt werden, ihn ganz von ihren Fesseln zu befreien. Sie sah ein, dass sie diese gefährlichen Verbindungen auf eine gewaltsame und unheilbare Weise zertrennen müsse und dazu brauchte es weiter nichts, als den Empörungsgeist der Hugenotten durch irgendeine schwere Beleidigung aufzuwecken. Vier Tage nach der Vermählungsfeier Heinrichs von Navarra geschah aus einem Fenster ein Schuss auf Coligny, als er eben vom Louvre nach seinem Haus zurückkehrte. Eine Kugel zerschmetterte ihm den Zeigefinger der rechten Hand und eine andere verwundete ihn am linken Arm. Er wies auf das Haus hin, woraus der Schuss geschehen war; man sprengte die Pforten auf, aber der Mörder war schon entsprungen. 

   Colignys Schutzgeist, möchte man sagen, hatte nun das Letzte getan, um diesen großen Mann, durch jenen meuchelmörderischen Angriff gewarnt, seinem Schicksal zu entreißen. Allein, wer entflieht diesem? Oder vielmehr: Unterliegt nicht er bessere Mann, wenn man sich gegen ihn alles, selbst Treulosigkeiten, erlaubt, welche sich zu denken er unfähig ist, mit größerem Ruhm, als wenn er solchen Schlingen entgangen wäre? 

   Coligny fühle – und seine ganze Partie, wie durch einen elektrischen Schlag, empfand es mit ihm – dass mitten in der tiefsten Friedensstille, da erst seit vier Tagen durch die Vermählung Heinrichs von Navarra mit der Schwester Karls IX. die Partien der Häuser Valois und Bourbon*, den Guisen zum Trotz, vor dem Brautaltar sich die Hände gereicht zu haben schienen, eine Gift hauchende Schlange auf ihn und die Seinigen lauere. Es war ihr diesmal nicht, wie sie wollte, gelungen, aus ihrem Hinterhalt in ihm das Haupt der Reformierten zu treffen und mit einem Schlag alle Glieder dieses Körpers zu lähmen. 

   Aber wo mochte sie nun selbst ihren lernäischen Kopf versteckt halten? Aus welchem Winkle zu neuen Anfällen hervor schießen? Dies beizeiten aufzuspüren, hatte Coligny in der Tat von ihrer Art zu wenig in sich. Überall leiteten die Schlangengänge hin, aber bloß, um jeden Nachforschenden desto weiter von dem Geheimnis der Bosheit selbst abzulenken.

   Klug, bedachtsam, umschauend nach allen Seiten war Coligny. Aber was die Furchtsamkeit hierzu beiträgt, fehlte ihm ganz. Das schwache Insekt streckt seine regen Fühlhörner immer nach allen Ecken und die Furcht rettet es vor tausend Gefahren. So wird Klugheit durch Furchtsamkeit zur Schlauheit, die selten berückt worden zu sein sich rühmen kann, aber auch nie mit Größe gehandelt zu haben bekennen muss, weil sie alles für eine Schlinge anzusehen pflegte. Coligny hatte keinen Bund mit dem Glück. Als Feldherr verlor er meistens durch Schwäche seiner Truppen und andere Fehler seiner Lage. Der Zufall tat wenig für ihn. Es schien, er sollte der Mann seiner Partie sein, welcher sich selbst alles schuldig wäre. Nach einem Missgeschick, wenn Mutlosigkeit bei allen die Besonnenheit betäubte, wenn sein zusammengerafftes Heer, halbnackt, ohne Sold, ohne Brot, so schnell zu zerstieben drohte als es herbeigelaufen war, wenn Verräterei und Hofgunst unter seinen nächsten Anhängern wie unwiderstehliche Gespenste spukten – immer war sein Mut ungetrübt. Seine harte Stirn machte die Seinigen das Unbegreifliche glauben, dass er unter den Mitteln zur Hilfe gleichsam noch zu wählen habe. Und sprach er dann, so teilte sich die Ruhe seines Geistes mit jedem Wort den übrigen mit. Er sprach rein, edel, stark, oft originell. Und für die Ausführung hatte er im großen Umfang seiner Geschäfte eine rastlose Arbeitsamkeit. Festigkeit gegen Unterdrückung war die Seele seiner Pläne in der Nähe und Ferne. Mag ihn der höfische Villeroy darüber tadeln, dass er den Protestanten in Frankreich rechtmäßige Freiheit zu sichern strebte, wie sein rat zur Befreiung der Niederlande vom Druck Spaniens vieles beigetragen hatte. Umsturz einer parteiloseren, gerechten Staatsverfassung wäre nie Colignys Plan gewesen. Untadelhafte Sitten, auch in seiner Ehe und gegen seine Kinder, überhaupt die strengste Religiosität, vollendeten seinen Beruf zum Oberhaupt einer religiös- politischen Partie, deren ganze Existenz auf der freiwilligen Unterordnung so vieler tapfern, reichen, ehrsüchtigen Vornehmen unter dem Adel und dem Bürgerstand beruhte, denen nur Überlegenheit des Charakters in ihrem Anführer die unentbehrlichste Folgsamkeit und Einheit abnötigen konnte. 

   Alles dies musste der Gegenpartie in ihm den einzigen zeigen, an dessen Untergang seine ganze Partie gekettet sein würde; umso mehr, da man von ihm als Feind nicht Nachgeben und Versöhnung, nur jene unerbittliche Strenge seines Charakters zu erwarten hatte. Die Kabale fand seine schwache Seite aus. Der Schein so vieler Achtung und eines so festen Zutrauens gegen seine Einsichten und seine Biederkeit, als er zu verdienen sich bewusst war, auch die Aussichten, seinem Vaterland und seiner Partie zugleich durch Vereinigung gegen Spanien, den gemeinschaftlichen Feind seiner Religion und des französischen Staats, zu dienen, zogen ihn nach Hof. Er war gefangen, wenn man ihn mit Schlingen umgab, welchen zu entgehen er minder furchtlos, bieder und großmütig hätte sein müssen. Vor und nach dem meuchelmörderischen Attentat drangen viele Gutgesinnte in ihn, von Paris zu entweichen. „Wenn ich dies tue“, antwortete er ihnen, „so zeige ich entweder Furcht oder Misstrauen. Jenes würde meine Ehre, dies den König beleidigen. Ich würden den Bürgerkrieg wieder beginnen müssen. Und lieber will ich sterben, als das unübersehbare Elend wieder erblicken, das in seinem Gefolge auftritt.“ – Mord und Entehrung waren der Lohn dieses Bürgersinns! 

   Noch am nämlichen Tag der Verwundung kam der König selbst mit einem ganzen Zug von Hofleuten, um Coligny zu besuchen. Karl beteuerte dem Admiral sein Beileid und sein volles Zutrauen gegen ihn als Kriegsanführer und getreuen Untertanen. „Ihr seid verwundet, mein Vater“, rief er ihm zu, „aber die Schmerzen fühle ich. – Bei Gott schwöre ich Euch: Ich werde eine Rache nehmen, die man nie vergessen soll, sobald nur die Schuldigen entdeckt sind.“ Über sich selbst zu schnell beruhigt, klagte der Admiral nur wenig und suchte bald das unruhige Gemüt des Königs von dem glücklich überstandenen Unfall auf die öffentliche Sache, auf den Feldzug nach den Niederlanden hinzulenken. Dieses neue Unternehmen sollte die Laune des ungestümen jungen Fürsten desto fester an den dazu unentbehrlichen Feldherrn und an dessen Partie binden helfen. Aber die Königin Mutter überließ unter dem Vorwand, jetzt den Kranken zu schonen, ihren Sohn dem geheimen Gespräch nicht lange. Mochte dieser immer wieder zu seinem Ballspiel zurückgehen. Denn in dieser, seiner leidenschaftlichen Spielsucht durch die Nachricht von dem Mordanschlag gestört worden zu sein, dies war doch die größte Ursache seines wütenden, ersten Unwillens gewesen. 

   Jeden Augenblick aber stund nun für Katherina nicht weniger als alles auf dem Spiel. Zwar fiel Colignys Verdacht von selbst auf die Guisen. Der Schuss war aus einem Guiseschen Haus geschehen. Die Guisesche Partie schien während der öffentlichen Erhebung der protestantischen so weit zurückgesetzt worden zu sein, dass man von ihr gerade den niederträchtigsten Ausbruch der Rache, heimlichen Mord, argwohnen musste. Und auf eben diese Spur hinzuleiten, fand auch Katharina in der ersten Verwicklung der Umstände fürs Beste. Selbst ihrem Sohn gab sie auf diese Seite hin den Wink, dass wohl der Herzog von Guise noch immer in dem Admiral den Mörder seines Vaters zu sehen glaube. Nicht der unmögliche Einfall, beide Partien zugleich aufzureiben – wäre dies ihr auch noch so erwünscht gewesen – konnte ihr, wie manche glauben, diese Verstellung raten. Sie folgte dem Bedürfnis, einen Augenblick Zeit zu gewinnen, um aus den nächsten Wirkungen des misslungenen Streichs auf die Wirkungen eines glücklicher vollführten grausamern zu schließen. Sie hatte nötig, bei sich selbst für die Vollendung dessen, wofür neben der heißesten Rachsucht die Menschheit in ihr schaudern musste, neue Entschlossenheit zu sammeln. 

   Der König ließ indes den Herzog von Guise wirklich aufsuchen und zur Verantwortung an den Hof fordern und selbst seine Schwester, die Königin von Navarra, hält in ihren Memoires dies noch für einen ernstlichen Schritt der Erbitterung Karls. Er war auch sonst den Anmaßungen des Herzogs von Guise, da er eben diese Prinzessin als Gemahlin suchte, gram gewesen. Aber wie sonderbar! Er schaffte hier seiner Mutter gerade den Mann, dessen Arm ihr für das Bevorstehende unentbehrlich war, auf die unverdächtigste Weise selbst zur Seite. Das Zusammentreffen aller Umstände schien den Moment zu bezeichnen, welcher durch die schwärzesten Taten gebrandmarkt werden sollte.

   Hierzu bedurfte man nur noch das Jawort des Herrschers; und wem konnte dies entgehen, der die unselige Kunst verstand, das unstete Gemüt desselben von einem Extrem auf das andere zu schleudern? Ein gewandter Höfling, sein Vertrauter, war das Werkzeug der Königin Mutter, um ihren Sohn mit einem Mal zum Mitschuldigen zu machen. Unter behutsamen Vorbereitungen verwischt dieser die neuesten vorteilhaften Eindrücke, welche der Besuch beim kranken Admiral im Gemüt Karls zurückgelassen hatte. Er streut Samen des Argwohns ein, weckt den alten, schlafenden Groll und drückt zuletzt dem König den Stachel der Furcht für sein eigenes Leben ins Herz. Der König von Navarra und der Prinz von Condé hatten mit ungewöhnlichem Eifer Genugtuung gefordert. Die wahre Macht der Colignyschen Partei war jetzt in Paris wie auf einem Haufen zusammengedrängt. Von ihr sei alles zu fürchten, aber auch gegen sie alles zu wagen. Hatte nicht einer von ihnen, de Piles, dem König mit der unverschämtesten Dreistigkeit ins Gesicht zu sagen gewagt: Dass man sich selbst Recht zu schaffen wissen werde, wenn es dem König an Kraft oder an Willen dazu mangeln sollte? „Und mit einem Wort“, rief endlich der listige Unterhändler, seines Ziels gewisser: „Wer es treu mit dem König meint, darf es nicht länger anstehen lassen, ihm über die dringendste Gefahr seiner Person und des ganzen Staats die Augen zu öffnen.“ Katharina selbst trat in diesem Augenblick, auf ihren Lieblingssohn, Heinrich von Anjou*, gelehnt, mit ihren Vertrautesten ins Zimmer. Überrascht von gefahrvollen Entdeckungen, betroffen und beschämt über seine bisherige Sorglosigkeit bei einem so nahe drohenden Umsturz, von allen Seiten durch die schreckenvollsten Vorstellungen bestürmt, warf sich Karl seiner Mutter in die Arme. „Schon“, sagte man ihm, „rufen die Hugenotten abermals die verhassten Ausländer, Deutsche und Schweizer, auf französischen Boden. Die Missvergnügten im Land werden haufenweise dem neuen Vereinigungspunkt zueilen. Die Wut der Bürgerkriege droht schon das Reich aufs Neue zu zerfleischen. Der König selbst, von Geld und eigentümlichem Ansehen entblößt, von Hugenotten umringt, bei der Guiseschen Partie als Freund der Ketzer verdächtig, wird die Ehre haben, zuzusehen, wie die Katholiken einen Generalkapitän wählen, und sich gegen ihre Gegner selbst zu helfen wissen werden; während er vom Übermut des alten Admirals zurückgestoßen und vor der Nation verächtlich gemacht, mitten zwischen beiden Partien unmächtig sich hin und wieder werfen lassen muss.“

   Wütend fuhr Karl unter diesen Schreckensbildern auf. Der Tod des Admirals, der Tod der ganzen Partie in allen Grenzen von Frankreich war sein Schwur. Nur dass nicht einer übrig bleibe, der es ihm je vorwerfen könnte! Und dass alles eilend schnell vorbeigehe, damit ihm seine Sicherheit schleunigst wieder geschafft würde! 

   Die erwünschteste Stimmung für die Gegner der Protestanten. Mord war jetzt die Losung, aber die tiefste Verstellung der Schleier, unter welchem auch der König der Erziehung seiner Mutter von diesem Augenblick an völlig entsprach. 

   Zur Hauptrolle war der Herzog von Guise bereit. Seit der tapfern Verteidigung von Poitiers, das ist seit seinem neunzehnten Jahr, hatte dieser seinen Ruhm vor ganz Frankreich gerade dem Admiral gegenüber zu gründen angefangen. Auf Margaretha, die in diesen Tagen des Hugenotten Heinrichs von Navarra Vermählte wurde, war auch sein Blick gerichtet gewesen. Sie hätte ihm, den Thron selbst zu besteigen, einst die Hand bieten können. Verfolgung der Hugenotten schien also nicht bloß eine ererbte Bestimmung zu sein. Er wählte sie selbst und übte sie bei jeder Gelegenheit. Rief ihn der Geist seines Vaters zur Blutrache wider sie auf, so rief ihm noch lauter seine eigene Ehrsucht zu, dass jetzt der Augenblick gekommen sei, seine Partie durch Austilgung der protestantischen zur einzigen herrschenden zu machen, und sich dadurch dreist der Königin Mutter an die Seite zu stellen. 

   Das misslungene Verbrechen wurde die Hülle des neu beschlossenem. Aus Furcht vor Colignys Rache, dessen Verletzung man ihm aufbürde, sei er selbst – erklärte der Herzog von Guise – mit seinen Verwandten genötigt, aus der Königstadt zu flüchten. „Geht“, sagte ihm der König mit zürnender Miene, „seid Ihr schuldig, so werde ich Euch wieder finden!“ Und nun waren Zurüstungen zur Flucht vor den Hugenotten die schnellen verdachtlosesten Vorbereitungen ihres Unterganges. 

   Der Admiral musste vollends selbst seinen Feinden die Schlingen über sich und die Seinigen zusammenziehen helfen. Man warnte ihn von vielen Seiten, dass die Guisen noch vor ihrem Abzug etwas versuchen möchten. Einige rieten ihm, selbst aus der Stadt zu flüchten. Der biedere Mann vertraute, mit den Besten seiner Angehörigen, auf das Wort seines Königs, übergab sich in den Schutz desselben und erhielt eine starke Wache von der in die Stadt kurz zuvor eingezogenen Garde. Auf Befehl vom Hof mussten die Katholiken in der Nähe seines Quartiers allen protestantischen Adeligen Wohnungen einräumen, wenn sie zur Sicherheit ihres Hauptes ihm nahe zu sein wünschten; und hierzu wurden diese selbst aufgefordert. Die Polizei ermunterte sie zur Beschützung Colignys und führte über die Versammelten ein Register – die sichere Totenliste für ihre Mörder. Der König von Navarra wurde gebeten, seine Vertrauten zur Hilfe für den König gegen die Guisen ins Louvre zusammenzuziehen, und zugleich seine Schweizergarde dem Admiral zur Bedeckung zuzuschicken. Um Waffen im Louvre zusammenzubringen, wurde ein Turnier vorgegeben und Coligny selbst vom König davon benachrichtigt. Einzelne Funken von Argwohn verloren bei dieser ängstlichen Anhänglichkeit des Hofes an die Hugenotten alle Kraft und schienen kaum noch die Furchtsamsten beunruhigen zu können. Indes ersah die Kabale mit gierigem Auge ihre volle Beute. Diese war wie in eine Herde zusammen getrieben. In der Mitternachtsstunde des 24. Augusts ihre Rache zu sättigen, wurde in den Tuilerien von dem Blutrat festgesetzt, in welchem zwei Brüdern des Königs, dem Herzog von Anjou* und dem Grafen von Angouleme, ferner dem Herzog von Nevers, dem Siegelbewahrer Birague, den Marschällen von Tavannes und von Retz – Katharina von Medicis präsidiert hatte und wo kaum ihr neuer Tochtermann nebst wenigen der königlichen Blutsverwandten von dem allgemeinen Mordurteil über die kalvinistische Partie in die Ausnahme gesetzt worden war. 

   Wäre wirklich bei diesen Stiftern des Blutbades, wie von Tavannes dies zu erweisen ist, der Glaube, Gott einen Dienst zu tun, die wahre Begeisterung zur Unmenschlichkeit gewesen, man würde die Schwachheit des menschlichen Verstandes betrauern, den Aberglauben des Zeitalters anklagen, aber man würde die Täter nicht verabscheuen. Wir würden, wenn sie aus Pflicht die Menschlichkeit in sich unterdrückt hätten, Achtung ihrer Absicht schuldig sein, indem Entsetzen vor der Handlung uns durchschauerte. Aber von den meisten der Handelnden macht es ihr sonstiger Charakter gewiss, dass sie in den Hugenotten nur eine Partie von Gegnern sahen, wider welche man sich alles erlauben zu dürfen freute, weil sie glücklicherweise zugleich Ketzer seien. Auch Katharina selbst mag Afterglauben genug gehabt haben, um in Coligny den Reformierten von ganzem Herzen zu hassen und diesen Hass sogar für verdienstlich zu halten. Aber ebenso gewiss würde es ihr sehr leid gewesen sein, wenn der Mann, welcher ihrer Herrschsucht Beschränkung drohte, im Augenblick durch einen Gang in die Messe sich weniger hassenswert gemacht hätte. 

   Schon hatte Tavannes ausgesuchte Bürgerwachen, deren Anführer in des Königs Gegenwart hierzu befehligt worden waren, in der tiefsten Stille der unglücksschwangern Bartholomäusnacht* vor dem Stadthaus versammelt. Schon wartete der Grimm des Herzogs von Guise mit dreihundert Mordlustigen auf das verabredete Zeichen, Karl selbst erstickte in diesem Augenblick auch die Stimme der Freundschaft, in deren Gesellschaft das Mitleid ihm zum letzten Mal sich zu nähern versucht hatte. Er ließ nach der Abendtafel und nach einigem Widerstreben seinen sonst geliebten Gesellschafter, den Grafen Franz von la Rochefoucauld, aus dem Schloss unwissend dem lauernden Tod entgegen gehen, welchem er nun sogleich selbst das Signal zum Würgen geben lassen wollte. Noch gefühlloser drängte Katharina die neu vermählte Königin von Navarra, ihre Tochter, diesen Abend recht bald in die Zimmer ihres Gemahls sich zu entfernen, wo doch so leicht Rache der Kalvinisten oder die im Dunkel der Nacht umherirrende Mordgier sie selbst überfallen konnte. Alles mochte aufgeopfert werden, wenn nur ihr eigener Plan seine bestimmten Opfer erhielte.

   Und dennoch, da nun der König, nach gegebenem Mordsignal, über der Pforte des Louvre in den Balkon gegen die Stadt hervortritt, da die wenigen Mitwissenden, die Königin Mutter an der Spitze, durch die einsamen Gänge ihn unter drängenden Beredungen begleitet hatten, da die Furien, jetzt von ihren Fesseln losgelassen zu werden, knirschten, erstarrt diesen Häuptern des Frevels das Herz. Die Menschheit in ihnen fühlt die letzten Zuckungen. Blass und außer sich zittern sie vor sich selbst, starren einander an und sind im Augenblicke eins, durch einen Eilenden den Mordbefehl zurückzunehmen und den Ausbruch der Gräuel zu hemmen, welche gewünscht, beschlossen, geboten zu haben sie sich nun selbst nicht mehr zutrauen. Man hört einen Pistolenschuss. „Ob er jemand beschädigte, weiß ich nicht“, – erzählte Katharinas Lieblingssohn, der Herzog von Anjou* – „aber dass er uns allen Dreien ins Herz ging, dass er uns Gefühl und Besinnung nahm, dies weiß ich. Wir waren außer uns vor Schrecken und Bestürzung über die jetzt begonnenen Verwirrungen.“ 

   Sie kam zu spät – diese feige Reue. Mehr eine schwache Tochter der Unentschlossenheit als der Überlegung, verdient sie nur von dem Menschenkenner als Zeugin aufzutreten, wie überspannt die Wut der Leidenschaft in den Urhebern der jetzt schon ausgebrochenen Jammerszenen gewesen sein muss, dass sie nun im Augenblick der Vollendung in die gewaltsamste Abspannung aller ihrer Nerven und Kräfte plötzlich sich auflöste. 

   Schon hätte Colignys Schatten sine Genugtuung in diesem Anblick des sich selbst peinigenden Lasters mit sich hinübernehmen können. Der Herzog von Guise war, nach dem ersten Schall des Signals von der Frühmettenglocke, mit seiner Rotte gegen des Admirals Wohnung losgebrochen. Auf den Zuruf: „Im Namen des Königs!“, wurde die Pforte geöffnet, ihre Wächter fielen, die Schweizer verkrochen sich vor der hereinstürzenden wütenden Menge, der alte verwundete Coligny raffte sich aus dem ersten Schlaf auf. Schon schallten seine Vorsäle von wilden Stimmen der Mordenden und dem Röcheln der Erwürgten vermischt. Drei französische Obersten brachen in sein Zimmer und schrieen seinen Tod ihm entgegen. Betend hatte sich der fromme Held and die Wand gelehnt. Ein Italiener (Petrucci) und ein Deutscher von Adel (Besme) drängten sich vor. „Bist du Coligny?“, rief dieser. „Ich bin’s“, antwortete mit fester Stimme der Greis – „und hier, junger Mensch, achte du meinen grauen Kopf!“ Besme durchstach ihn in diesem Augenblick gefühlloser, als Marius’ Mörder. Rauchend zog er sein Schwert zurück, gab ihm einige Kreuzhiebe über das Gesicht. Die Tollheit der Nachfolgenden zerfetzte den Körper mit tausend Wunden. „Dies wäre vollbracht!“, grinste Besme auf den Hof hinab und da der Graf von Angouleme, Karls Bastardbruder*, damit noch nicht zufrieden sein wollte, warf man ihm zum Fenster hinaus den Ermordeten vor die Füße. Gierig untersuchte er das Blut triefende Gesicht und da er der Tat gewiss war, stieß er – den toten Löwen – mit einem Fußtritt von sich. 

   Überall leuchteten indes dem sich fortwälzenden Mord Pechkerzen vor den Häusern; die Straßen waren durch Ketten geschlossen; Wachen standen im Hinterhalt gegen die Fliehenden; andere drangen in die Straßen selbst ein, wo, vom Schlummer aufgeschreckt, die schimpflich getäuschten Protestanten, wie sie aus ihren Türen hervorkamen, ihren Feinden in die Hände fielen. Für sie fand sich in dieser unerwartetsten Not weder Rat, noch Führer, noch Sammelplatz. Die Katholiken erkannten sich untereinander an einem weißen Tuch um den linken Arm und an einem Kreuz von eben dieser Farbe. Das Zeichen des großen Dulders und die Farbe der Unschuld entweihten sie zum Meuchelmord ihrer Brüder. Hätten sich die Verfolgten von ihrer Bestürzung sammeln können, hätten sich mehrere vereint und so tapfer verteidigt, wie wenige Einzelne diesen Ruhm behaupteten, vielleicht hätte der Frevel mitten in seinem Triumph seine Strafe gefunden. 

   Sobald es an Schlachtopfern auf den Straßen zu fehlen anfing, brach man in die Wohnungen selbst ein. Kein Alter, kein persönlicher Wert schützte hier. Des Admirals Schwiegersohn, Teligny, war so liebenswürdig, dass die ersten, welche ihn zu morden aufsuchten, sich betroffen zurückzogen. Aber bald fanden ihn Gefühllosere. Die Pariser Bürgerwachen, welche bei Erteilung des Mordbefehls zurückgebebt waren, übertrafen nun, in Wut gesetzt, alle Erwartungen der unmenschlichsten Anführer. Die verstümmelten Leichname wurden aus den Fenstern herabgestürzt und nicht nur nackt in die Seien, sondern oft noch zum Possenspiel des Grimms oder der Wollust sonst herumgeschleppt. Wer lebend oder verwundet entrann und sich für gerettet hielt, fiel doch meinst noch durch die herumstreifenden Bürger oder durch die Guiseschen Horden, unter welchen Tavannes die Wut durch Hohngelächter entflammte. „Nur immer zu mit dieser Aderlässe“, spottete er. „Sie ist im August so gesund als im Mai.“ – Bei diesem Tavannes war jene wilde Lustigkeit so sehr Folge der soldatischen Überzeugung, Gott und dem König den größten Dienst getan zu haben, dass er selbst noch in seiner letzten Beichte* die Bartholomäusnacht* für die Unternehmung seines Lebens erklärte, wegen welcher er seiner Süden Vergebung hoffe. Aber auch jeder Privathass fand nun zugleich seine Beute, da unter dem heiligsten Vorwand Religionsfanatismus sie ihm in die Hände lieferte. Andere, selbst Edelleute, raubten unter dem Schutz dieses blinden Dämons*. Selbst der König und seine Mutter sollen von den geplünderten Kostbarkeiten Geschenke angenommen haben. Die Dinge hatten ihre Namen geändert. Niederträchtigkeit war Herablassung. Einem sterbenden Hugenotten entrissene Brillanten schienen jetzt der Schmuck, welcher den Streitern Gottes als früher irdischer Lohn gebühre. Sie wurden das Erinnerungszeichen an Tage, wo selbst unter den Augen des Königs, selbst in dem Palast, in welchem der Verlassenste, um seinen Schutz von der Gerechtigkeit zu fordern, sicher sein sollte, kaum Laune und Willkür einigen wenigen ihr Leben als kümmerliches Gnadengeschenk erhalten hatten. Wer sonst im Louvre Rettung suchte, fand durch die Wachen seines Königs schon an den Pforten seinen Tod. Die Geschichte nennt Zeugen, dass der König selbst aus dem Louvre auf fliehende Hugenotten schoss. Und eine Stunde nach dem Ausbruch des allgemeinen Mordfestes war auch in den verborgensten Zimmern des Palastes kein Winkel mehr ohne Blut und Leichen. Den achtzigjährigen Hofmeister des Prinzen von Conti rettete nicht das Flehen seines Zöglings von den Dolchen, welche dieser mit schwachen Händen aufhalten wollte. Blutend und verzweiflungsvoll warf sich Gasto von Leyran in das Schlafzimmer der Königin von Navarra und machte sie selbst zu seinem Schild gegen vier Söldner, die ihm nachsetzten. Die Königin floh zur Herzogin von Lothringen, ihrer Schwester; an der Tür stieß man einen Edelmann neben ihr nieder; sie sank ohnmächtig ins Zimmer hin und erwachte mit neuem Schrecken über das Schicksal, in welches diese „Bluthochzeit“ ihren eigenen Gemahl gestürzt haben werde. 

   Dieser war mit dem Brudersohn seines Vaters, dem Prinzen von Condé, während der Tag über den bisherigen Mordszenen anbrach, zum König gefordert worden, der es ihnen beiden als Übermaß seiner Gnade anrechnete, dass sie, von der ganzen hugenottischen Partie die einzigen, von ihm zum voraus das Leben zum Geschenk erhalten hätten. Aber mit wilder Miene forderte er ihnen nun die schleunigste Abschwörung der reformierten Religion als einen Beweis ab, dass sie bisher bloß die Verführten gewesen seien. Sie waren mitten durch die zum Mord bereiten Garden herzugeführt worden. Im Zimmer des Königs konnten sie in einiger Entfernung noch das Winseln der Ihrigen hören, welche, aus dem Palast unter die in doppelte Reihen gestellten Schlosswachen zusammen getrieben, von diesen niedergestoßen wurden. Da die Prinzen dem König zweifelhaft antworteten, rief er ihnen mit einem seiner Flüche zu: Dass sie innerhalb von drei Tagen zwischen der Messe und der Bastille zu wählen hätten! Dies war auch wirklich für ihn von den jetzigen Grausamkeiten allen fast der einzige Gewinn, dass sich Heinrich von Navarra mit seiner Schwester in dieser Zeit einen geheuchelten Übergang zur katholischen Kirche abnötigen ließen und der Prinz von Condé nach etwas längerem Widerstand ihrem Beispiel nachfolgte.

   Berauscht von dem glücklichen Erfolg der mörderischen Nacht, in welcher man zwischen Furcht und Wut geschwebt hatte, kannte Karls unbändiger Charakter ganz keine Rücksichten mehr. Noch drei Tage dauerte das Morden, wo man nur irgend in der Gegend ein verstecktes Opfer der Rache aufjagen konnte. Und unter diesen Gräueln durchzog der König mit seinen Höflingen die Stadt und lustwandelte unter Blut, Leichen und Trümmern. Man hatte Colignys Leichnam, auf alle Weise misshandelt und umher geworfen, endlich bei Montfaucon an den Galgen aufgehenkt. Selbst dahin kam der König, um an den verstümmelten Resten vom Körper eines Greisen seine Lust zu sehen, dessen Anblick ihm vor wenigen Tagen noch unwiderstehlich Achtung geboten hatte. Eines Feindes Leiche, spottete er dem Vitellius nach, reicht immer gut! – Aber noch mehr verächtliche Unbesonnenheit begleitete seine jetzigen Staatshandlungen.

   Während der offenbarsten Teilnahme an den Verbrechen dieser Tage setzte sich Karl so sehr über allen Schein von Achtung gegen sich und andere weg, dass er am ersten Tage in Schreiben an Statthalter der Provinzen und an auswärtige Höfe jeden Anteil an dem Geschehenen von sich ablehnte und alles viel mehr dem Trotz der Guisen und der Chatillons aufbürden zu können wähnte, am dritten Tag aber eine feierliche Sitzung im Parlament hielt, um den ermordeten Admiral der schändlichsten Verräterei gegen Thron und Staat zu beschuldigen, sein Andenken durch die schimpflichsten Strafen eines Majestätsverbrechers schänden zu lassen und den Untergang der Partie als ihre verdiente, von ihm selbst befohlene Strafe zu rechtfertigen. So sehr war er jetzt, unmächtiger als vorher, das Spiel der Intrigen seiner Mutter. Beim ersten Schritt, mit welchem sie ihm in den Mordanschlag herein zu ziehen gewusst hatte, wurde er beredet, dass der allgemeine Hass auf die Guisen fallen, der Gewinn aber, Befreiung von Furcht und Gefahren, sein eigen sein würde. Sobald aber nun nach vollbrachter Tat eine neue Faktion der Montmorencys, welche für Coligny und die Seinigen Rache forderten, wider die Guisen zu entstehen, um nicht als der schwache nichts bedeutende Inhaber des Throns zu erscheinen, unter dessen Augen jeder ohne seinen Willen alles sich zu erlauben wage. Um den Schein zu haben von dem, was er nicht war und nicht werden konnte, wurde er wirklich das, was er von sich zu bekennen errötete und was für sich selbst zu unternehmen ihm Mut und List gefehlt hätten. Um nicht schwach zu scheinen, war er schwach genug, von allen Übrigen sich zur Verschleierung ihrer Taten missbrauchen zu lassen und in ihrem Namen der Gegenstand jener Verachtung zu werden, zu welcher sein Reich das Ausland und die Nachwelt den Regenten, unter dem eine Bartholomäusnacht* so schändlich entheiligt werden konnte, unerbittlich verdammen mussten. Und für all diese Unsterblichkeit der Schande hatte er nicht einmal auf einen Augenblick den Zweck erreicht, welchen die Stifter es Unglücks ihm als seine Entschädigung vorgespiegelt hatten. 

   Es ist eine wahre Genugtuung in der historischen Bemerkung, dass gerade die entschiedensten Wagstücke des Lasters, wenn gleich alle Verschlagenheit an ihnen sich müde gesonnen, die gereizteste Wildheit sie vollbracht und das furchtbarste Bollwerk gegen Verantwortlichkeit, der Thron selbst, sie geschützt hatte, dennoch ihres Zieles verfehlt, oft die entgegen gesetztesten Folgen herbeigezogen und den Tätern nichts als eine verdoppelte Verzweiflung des leeren Bestrebens und der nagenden Vorwürfe ihres innern Richters bereitet haben. 

   Zwar sparten die Häupter der siegenden Partie nichts von List und Gewalt, um die Früchte der Taten sich zu sichern, über welche bloß ein glücklicher Ausgang, jener falsche Probierstein des Schlechten und des Guten, ihnen die Reue ersparen zu können schien. 

   Man verhängte noch über einige von der misshandelten Partie förmliche Gerichte und es wurden Justizmorde daraus; man brandmarkte das Andenken des Admirals durch ein gerichtliches Urteil über ihn als Verräter und Königsmörder und ließ es unter den schimpflichsten Gebräuchen in den Hauptstädten des Reichs exequieren. Sein Wappen wurde durch den Henker zerschlagen, seien Kinder ihres Vermögens und aller Hoffnung zu Bedienungen verlustig erklärt; sein Schloss zum öden Denkmal seiner Schande der Zerstörung übergeben. Man eilte, in ganz Frankreich durch Mordbefehle die Hugenotten, als Mitschuldige jener Verbrechen, zu verfolgen. Aber nichts hinderte die entgegen gesetzten, aus dem Begangenen sich entwickelnden Wirkungen. Was das Parlament zu Paris, in welchem der Präsident de Thou den König als Ankläger er Ermordeten mit halb ersticktem Seufzen anhörte, in der Nähe des Thrones nicht wagte, das taten einige brave Statthalter der Provinzen. Einer – der Graf von Orthe, Befehlshaber zu Bayonne – schrieb dem König auf seine Mordbefehle zu: „Dass er die Seinigen als gute Bürger und als brave Soldaten, aber keinen einzigen Henker unter ihnen gefunden habe.“ Andere – die Geschichte nennt unter ihnen auch einen Bischof – ließen die Befehle nicht nur Vollziehung kommen. Der schnelle Tod von einigen dieser Verteidiger der Unschuld ließ auf Vergiftung argwohnen. Dennoch blieben, besonders in Dauphiné, Provence, Bourgogne und Auvergne, die Protestanten geschont. Manche der vornehmsten waren nicht in Paris gewesen, andere doch dem Blutbad entflohen. Viele suchten im Ausland Hilfe, wo, vorzüglich unter den biedern Deutschen, Katholiken sowohl als Protestanten, der Abscheu gegen ihre Verfolger den Mut, sie zur Rache zu unterstützen, anfachte, bei andern wenigstens das Mitleiden, ihrer zu schonen, nährte. Denen in Frankreich Zurückgebliebenen gaben bald einige über die Katholiken erhaltene Vorteile neue Hoffnung. Die aufs höchste gestiegene Gefahr vervielfältigt die Kräfte, sobald nur die erste Bestürzung vorüber ist. 

   Zu früh feierten zu Rom die Diener des heiligen Stuhls seinen Sieg über die französischen Ketzer durch alles weltliche und geistliche Freudengetümmel, durch Messen und Kanonendonner. Zu leichtsinnig glaubte man am Hof zu Paris das Andenken an die vertilgten Hugenotten doch noch durch ein jährliches Fest über ihren Untergang verewigen zu müssen. Mit blutiger Rache brachten sie sich bald selbst wieder in Erinnerung. Siebzigtausend Kalvinisten waren, nach Sully, in acht Mordtagen, in Frankreich gefallen. Aber wen eine solche Verkettung des Verderbens nicht zugrunde gerichtet hat, der hält sich bald für unüberwindlicher, als er ist! Halb Furcht, halb neue List diktierte dem König schon am 28. Oktober einen Befehl, der ihnen überall Schutz und die Rückgabe ihrer Güter zusagte. 

   Arglist und Klugheit, welch ein ungleiches Schwesterpaar! Indem diese dem erlaubten Zweck auf Pfaden sich nähert, die von der Rechtschaffenheit gesichert werden, krümmt sich jene auf täuschenden Irrwegen zu Zielen fort, welche sie nie, oder nur zu eigener Schande erreicht. Das Schwanken des Hofs von Grausamkeit zur Nachsicht, was konnte dies anders, als gegen fortdauernden Hofkabalen den Blick des Argwohns schärfen und die Schwäche der königlichen Partie noch sichtbarer bloßstellen? Denn Partie hatte nun der König genommen. Das ganze mächtige Übergewicht, welches die Erhabenheit des Throns gibt, ist verloren, wenn der Fürst, vom Ungestüm des Parteigeistes verführt, selbst in eine Fraktion wider die andere sich herabziehen lässt. Solang er auf dem Thron steht, gebietet sein Ansehen Ehrfurcht auf beiden Seiten. Ist er selbst auf eine Seite getreten, so sieht die gedrückte Partie den Sitz der gemeinschaftlichen Gerechtigkeit leer. Alles, was gegen sie geschieht, ist nun Verfolgung und wird nicht mehr von jenem geheimen Eindruck begleitet, welcher sonst bewirkt, dass Strafen des Staats, vom Vollstrecker der Gesetze auferlegt, nicht reizen, sondern bändigen. 

   Indem sich die Protestanten unter den Begünstigungen der Inkonsequenz, welche den Despotismus in keinem Zeitalter verlässt, in ihre festern Schutzplätze wieder sammelten, sahen sie ihre Partie unerwartet von einer neuen unterstützt, welche dem Hof weit furchtbarer sein musste. Sie war mitten in des Feindes Gebiet, am Hof selbst. Mitgefühl des Unrechts schafft dem Unterdrückten unverhoffte Freude. Nicht wenige von den vornehmsten Katholiken wurden gegen die Hugenotten geneigter, je unwiderstehlicher die hinterlistige Behandlung das Gefühl der Biederkeit in ihnen beleidigte. Selbst bei Karls drittem Bruder, dem Herzog von Alençon, war das Gefühl der Geistesüberlegenheit des misshandelten Admirals unauslöschlich.

   Noch mehrere, die, gegen allen Religionsunterschied höchst gleichgültig zu sein, durch Stand und Geburt gleichsam berechtigt waren, lernten, was die Intrige Katharinas, mit Karls Ungestüm gepaart, unfehlbar gegen jeden, der ihr im Weg stehe, sich erlauben könne. Wer hätte auch die mächtigen Montmorency bereden können, dass ihnen das Schicksal ihrer Verwandten, der Coligny, weniger drohe, weil sie wenigstens mit dem Hof einerlei Glaubensbekenntnis hätten? Sie sahen zu deutlich, dass sie die Eifersucht der Königin Mutter auf jede ihr sich nähernde Gegenmacht gemeinschaftlich mit den Ermordeten gegen sich hatten. 

   Alles überdies, was aus irgendeiner Ursache mit der herrschenden Hofpartie missvergnügt war, vor ihr sich zu fürchten oder von ihr etwas zu ertrotzen hatte, war wenigstens, solange es jedem zweckmäßig schien, nicht geneigt, in den Hugenotten die Feinde des Hofs völlig unterdrücken zu lassen. 

   Kein Wunder, dass die ganze innere Schwäche der königlichen Partie, sobald es zu einer Kriegsunternehmung kam, gegen die unerwartete innere Stärke des kleinen Haufens der Protestanten in einem beschämenden Kontrast erschien. Die feste Seestadt Rochelle hielt man für die letzte Schutzwehr der Protestanten. Das beste war, dass diese von dem Ort ebenso dachten. Sie verteidigten ihn, wie man um ein Palladium kämpft, da Katharina ihren Lieblingssohn mit einem furchtbaren Heere unter Birons Anführung abschickte, um hier am Ozean, auf den Ruinen des französischen Protestantismus, ihrem, in der Bartholomäusnacht* begonnenen tragischen Werk die Krone aufzusetzen. Die Stadt wurde nur von 1500 Soldaten und 200 bewaffneten Bürgern verteidigt. Aber alle, selbst Kinder und Weiber, wurden Krieger. Höchst unbedeutend war eine Hilfe, die Montgommery aus England den Belagerten zuführte; aber sie fanden genug in sich selbst. Fünf Monate fochten sie und nicht bloß für sich; denn ihnen allein schmeichelte man, Gewissensfreiheit und bürgerliche Sicherheit gerne zu akkordieren. Sie hörten aber von nichts, solange ihre Glaubensgenossen nicht mit in den Genuss der Früchte ihrer Tapferkeit eingeschlossen sein würden. 

   Unter den vielen Seltenheiten einer solchen Kriegsunternehmung war die sonderbarste der Anführer der Rocheller. Er war ihnen vom König selbst gegeben. De la Noue, ein Kalvinist, welcher kurz vor der Ermordung des Admirals den Krieg nach den Niederlanden zu spielen, den ersten, aber unglücklichen Versuch gemacht hatte, wurde vom König genötigt zu den Rochellern überzugehen, um ihr Vertrauen ganz zu gewinnen und sie zur Übergabe zu überreden. Sie wussten dies und dennoch nahmen sie ihn mit der Bedingung auf, ihr Anführer zu werden. Er erfüllte diese kriegerischen Pflichten gegen seine Partie so genau, als die patriotische gegen das Vaterland, angelegentlichst Frieden zu raten, sooft er die Rocheller von einem glücklichen Ausfall zurückführte. Nur als Friedensstifter gehorchten sie ihm nicht. Aber eine seltene Ehre bleibt es für die Protestanten, einen Mann besessen zu haben, welcher zwischen einem schmeichelnden Hof und einer unruhigen Religionspartei so fest in der Mitte stand, dass beide ihn achten mussten, weil kein Teil von der Befolgung seiner Überzeugung ihn abzubringen vermochte. 

   Der größte Vorteil für die Belagerten war, dass man die Macht, welche man gegen sie aufbot, nach der Zahl und nicht nach der Tauglichkeit gewählt hatte. Während man alles zum Heer zusammen trieb, was der Hof auch von falschen Freunden und von Schwächlingen irgend in Bewegung setzen konnte, hatte man nur so langsam herbeirücken können, dass sie indes den möglichsten Vorrat aller Art in ihre Mauern brauchten. Dagegen war die Menge der Unnützen im Lager gegen die Belagerer selbst der größte Feind und ihr scheinbares Oberhaupt, der gehasste Herzog von Anjou*, die Ursache zur Fortdauer ihres vergeblichen Kampfs. Wie in seinem ganzen Leben, so quälte ihn auch hier die blinde Ehrsucht, nichts, was er angefangen hatte, aufgeben zu wollen. Dennoch befeuerte ihn eben diese Leidenschaft nicht, für seinen Zweck auch mit möglichster Tätigkeit alle Mittel zu vereinigen. Das Heer wurde ihm ganz ähnlich. Viele Wagstücke ohne Plan und Anordnung hatten seine Reihen schon sehr dünn gemacht. Krankheiten wirkten in einem so langwierigen Standlager noch mehr. Und damit kein Übel vorbeiging ohne den Samen eines neuen in sich zu erzeugen, gerade die Vereinigung aller Missvergnügten in diesem Heerzug gab jedem Unruhigen volle Gelegenheit, unter Seinesgleichen Partie zu machen oder zu nehmen. Noch war es vielleicht bloß die unregelmäßige jugendliche Ungeduld, vor der Zeit sich bedeutend zu machen, was den jüngeren Bruder des Herzogs von Anjou*, den Herzog von Alençon selbst, zu raschen, aber folgelosen Planen gegen den Hof verleitete. Aber schlimm genug, wenn jene Sucht, den Missvergnügten zu spielen, so früh geweckt ist. Ein zwecklos entzündeter Ehrgeiz hört nie auf, alles in Unruhe zu setzen, wäre es auch nur, um sich und andern zu verbergen, dass er nichts zu erreichen habe. 

   Kaum hatte dem Herzog von Anjou* seine Wahl zum König von Polen den scheinbaren Vorwand gegeben, von den Rochellern durch einen Vertrag (vom 6. Julius 1573) sich loszuwickeln; kaum hatte ihn Katharina mit einem bedeutungsvollen Blick auf den schon hinwelkenden König Karl aus ihren Armen in jenes Königreich abreisen lassen, welches seit Jahrhunderten durch sich selbst zum Spiel der Ausländer gemacht wird; kaum schien, durch die schauervolle Eroberung der kleinen, protestantischen Veste Sancerre, welche mit Rochelle durch Tapferkeit, aber nicht durch äußere Begünstigung des Glücks wetteifern konnte, der letzte Kampfplatz der streitenden Partien vernichtet zu sein, so trat das Ungeheuer innerlicher Unruhen in verdoppelter Gestalt nicht bloß in den Provinzen, sondern auch am Hof und sogar in der Familie des Königs selbst auf.

   Mit Karl sollte es furchtbar enden. Seit er sich unter den Mordszenen der Bartholomäusnacht* außer sich selbst verloren hatte, war er nie wieder, was er sein konnte. Wie er nicht die Standhaftigkeit gehabt hatte, sich von jener Herabwürdigung des Menschen und des Fürsten in ihm zurückzuhalten, so war er jetzt noch vollbrachter Tat weder leichtsinnig noch gewissenlos genug, der innern Rüge derselben unter irgendeinem schlüpfigen Vorwand zu entfliehen oder mit der eisernen Stirn der Schamlosigkeit zu trotzen. Der Aberglaube seiner Zeit, welchem er so viele Opfer gebracht hatte, war selbst seine Strafe. Wo er einsam war, glaubte er sich von den Manen der Erschlagenen verfolgt. Blutende Gestalten machten seine Nächte schlaflos, seine Ruhe ihm zur Hölle. Er warf sich mit seinem gewöhnlichen Ungestüm in wilde Zerstreuungen, aber die Ermattung überlieferte ihn wieder den Peinigungen seiner zerrütteten Seele. Er versuchte es, durch neue Grausamkeiten sich selbst abzustumpfen; aber er war zu jung und wirklich von der Natur zu gutartig gebildet, als dass er jenen abscheulichen Trost abgehärteter Frevler zu ereilen vermocht hätte. Katharina wusste sich dagegen zu bereden, dass sie nur etwa vier bis sechs von den Ermordungen der Bartholomäusnacht* auf dem Gewissen habe. So viele hatte sie selbst namentlich gefordert. Und von diesen hatte sie leicht sich zu absolvieren, wenn etwa ihr Beichtvater*, wie Naudé3), für den ganzen Frevel den feinen höfischen Namen eines „Staatsstreichs“ erfinden oder ahnen konnte. 

   In Karl hingegen konnten nur, wenn er einen Blick um sich her warf, seine innern Qualen verstummen; sie wurden dann zurückgeschreckt durch Besorgnisse der gegenwärtigsten Gefahren, welche ihn zunächst umschlossen. Er kannte seinen nächsten Bruder. Die Geschichte kennt ihn als Heinrich III. und genug mag es hier zur Schilderung von ihm sein, wenn man sich erinnert, dass die Stifterin der Bluthochzeit ihn ihren übrigen Söhnen auffallend vorzog. Eben diese, seine Mutter kannte Karl auch. Sie hatte ihn an den Abgrund geführt, an welchem seine Schwermut jetzt schauerte. Von ihr musste er sich weiter, wohin es ihr gefiel, treiben lassen. Oder wusste er nicht, wie oft schon wenigstens der Verdacht, auch im Giftmischen eine Italienerin zu sein, selbst bei dem Tod von Personen aus der königlichen Familie auf sie gefallen war? Er selbst war so oft das Werkzeug ihrer über Mittel nie verlegenen Herrschsucht gewesen, dass er vor seiner eigenen Mutter zittern musste, wenn er einmal ihren Winken sich zu widersetzen die Laune gehabt hatte, und den Herzog von Anjou* in ihren Armen sah. 

   Das Schicksal schien sich seiner zu erbarmen, da der Herzog (1573) als König nach Polen abging. Höchst wahrscheinlich bürdet man selbst der Königin Mutter diesmal zu viel auf, wenn manche glauben, dass sie ihren zweiten Sohn nicht von sich gelassen habe, ehe sie sich von dem baldigen Tod des ersten gewiss gemacht hatte. Es ist wahr, Karl kränkelte schon sichtbar. Aber der unbändige Jüngling auf dem Thron hatte gegen sich selbst so viel getan, um durch die geheimen Gifte der Natur sich zu zerstören, dass es kaum noch nötig ist, den verzehrenden Kummer seiner letzten Jahre zur Erklärung seines Hinwelkens vor dem 25sten Lebensjahr hinzudenken. Sein Anblick konnte der Mutter Bürge dafür sein, dass sie ihren Heinrich nach Polen sicher mit den bedeutsamen Worten entlassen: „Gehe, mein Sohn; lange wirst du nicht weg sein.“ 

   Nur Karls Zustand war auch durch diese Erleichterung um nichts gebessert. Je trüber jeden Tag seine Kränklichkeit ihm ohnehin die Aussicht in die Zukunft malte, je verschlossener er selbst gegen alle Teilnahme wurde, desto mehr häuften sich in der Wirklichkeit die Ursachen zum schnellen Wechsel zwischen Ungestüm und Niedergeschlagenheit. 

   Für die Abwesenheit ihres zweiten Sohnes schien sich Katharina umso ausschließender durch Erfüllung ihrer Herrschsucht entschädigen zu wollen. War Karl auch oft gegen sie ungebärdig und wild, so häufte sie dafür alle Beängstigungen für ihn aus der wahren oder erdichteten Lage der Dinge, durch die sorgfältigste Entwicklung der schlimmsten Möglichkeiten, damit er ihr, als Retterin, nach seinem Szepter zu greifen, desto geduldiger gestattete. Er hatte nur noch Kraft genug, sich überall mit ihren Ränken umgeben zu sehen und den Hass zu fühlen, welchen sie auch jetzt noch immer durch angelegte Meuchelmorde, durch gebrochene Zusage, durch Verwirrung aller mit allen, seinem Namen zuzog, der ihre Handlungen auf alle Fälle decken musste. 

   In seinem dritten Bruder gärte die vor Rochelle schon gezeigte Sucht, sich auf irgendeine Weise geltend zu machen, immer aufs Neue. Er vertrieb sich eine gute Zeit über bloß die Langeweile mit Abwechselung im Anlegen und im Verraten seiner Pläne zu einer Flucht vom Hof. Er schien entlaufen zu wollen, damit andere seine Wichtigkeit nach dem Bestreben schätzen lernen möchten, ihn wieder aufzufinden und zurückzubringen. Aber hinter diese leidenschaftliche Unbesonnenheit der Jugend versteckten andere, erfahrenere Unruhestifter ihre Entwürfe. Unter dem schützenden Namen der Prinzen bildete sich wieder am Hof selbst eine Partie der Missvergnügten, die sich zum Unterschied von der religiösen Partie der Protestanten die Politiker nannten. In einem wesentlichern Sinn verdienten sie diese Benennung nie. Ihre Politik nützte niemand als ihren Gegnern. Solange die Protestanten sich an sie anschlossen, hatte Katharina gegen beide weit leichteres Spiel, wie sonst. Wäre nicht das Interesse des Herzogs von Alençon so gewiss den Absichten seines zweiten Bruders auf den Thron von Frankreich und also auch der Königin Mutter entgegen gewesen, so würde die Vermutung Wahrscheinlichkeit gewinnen, dass der Herzog mehr der Spion seiner Mutter unter den Unzufriedenen als selbst ihr Gegner gewesen sei; so unbegreiflich leichtsinnig überlieferte er alle, welche mit ihm komplottiert hatten, durch die willkürlichsten Entdeckungen, der Rache dieser Frau, welche jetzt aufs Neue die Regentschaft über Karl und über Frankreich in Händen hatte. Wollte sie diesen ihren ebenso unfolgsamen als unglücklichen Mündel zittern machen, so wusste sie ihm die Verschwörungen des Herzogs so furchtbar vorzustellen, dass der ganze Hof in Nachtkleidern nach Paris entrinnen und der kranke Karl um Mitternacht vor seinem dritten Bruder flüchten zu müssen glaubte. „Hätten sie doch wenigstens warten können, bis ich tot bin!“, seufzte der von innen und außen umgetriebene, lebenssatte Jüngling. 

   Noch aber erlebte er, dass sein Heer gegen seinen geliebtern Bruder zu fechten auszog, nachdem dieser endlich doch mit dem in der Hofsklaverei lange misshandelten König von Navarra und dem Prinzen von Condé wirklich entflohen war. 

   Er erlebte die Unmöglichkeit, sein Szepter andern Händen als seiner Mutter – und also gerade seinem mit so viel Kunst und Lust ins ferne Polen beförderten Bruder – hinzugeben. Er erlebte ein neues Auftreten der Protestanten im offenen Feld und sah in ihrer Vereinigung mit allen andern Missvergnügten des Reichs den Beweis, dass die Zwietracht künftig durch religiöse und bürgerliche Unzufriedenheit, wie aus doppeltem Rachen, Flammen über Frankreich ausspeien werde, und dass alles, womit ihn sein Gewissen seit der Bartholomäusnacht* folterte, eben so fruchtlos als abscheulich gewesen war. Kurz, er erlebte so viel, dass es ihm noch Trost war, nicht Vater eines Sohns zu sein, welcher die Last der Krone von ihm zu erben hätte4).


1) Le Stratagême ou la Ruse de Charles IX., Roi de France, contre les Huguenots, rebelles à Dieu et à lui; écrit par le Seigneur Camille Capi-Lupi etc. 1574. ­
2) Esprit de la Ligue. Tom. II. p. 13. ­
3) Gab. Naudé in seinen Considérations politiques sur les Coups d’État, Ch. III. bedauert nur, dass dieser Staatsstreich bloß halb ausgeführt worden sei. Sehr konsequent! ­
4) Anmerkung des Herausgebers: Eine Fortsetzung dieser Geschichte, die Schiller selbst wegen seiner damaligen Krankheit nicht beendigte, hat Hr. Professor Paulus im 9ten Band der 2ten Abteilung der historischen Memoires geliefert, nachdem er die fernere Herausgabe dieser Sammlung zum Teil übernommen hatte. ­