Friedrich SchillerFriedrich Schiller

Universalhistorische Übersicht der merkwürdigsten Staatsbegebenheiten zu den Zeiten Kaiser Friedrichs I1)

   Der heftige Streit des Kaisertums mit der Kirche, der die Regierungen Heinrichs IV. und V. so stürmisch machte, hatte sich endlich (1122) in einem vorübergehenden Frieden beruhigt und durch den Vergleich, welchen letzterer mit Papst Calixtus II. einging, schien der Zunder erstickt zu sein, der ihn wieder herstellen konnte. Das Geistliche hatte sich, Dank sei der zusammenhängenden Politik Gregors VII. und seiner Nachfolger, gewaltsam von dem Weltlichen geschieden, und die Kirche bildete nun im Staat und neben dem Staat ein abgesondertes, wo nicht gar feindseliges System. Das kostbare Recht des Throns, durch Ernennung der Bischöfe verdiente Diener zu belohnen und neue Freunde sich zu verpflichten, war selbst bis auf den äußerlichen Schein durch die freigegebenen Wahlen für die Kaiser verloren. Nichts blieb ihnen übrig von diesem unschätzbaren Regal, als den erwählten Bischof vor seiner Einweihung, vermittelst des Szepters, wie einen weltlichen Vasallen, mit dem weltlichen Teil seiner Würde zu bekleiden. Ring und Stab, die geweihten Sinnbilder des bischöflichen Amtes, durfte die unkeusche, Blut besudelte Laienhand nicht mehr berühren. Bloß für streitige Fälle, wenn sich das Domkapitel in der Wahl eines Bischofs nicht vereinigen konnte, hatten die Kaiser noch einen Teil ihres vorigen Einflusses gerettet und der Zwiespalt der Wählenden ließ es ihnen nicht an Gelegenheit fehlen, davon Gebrauch zu machen. Aber auch diesen wenigen geretteten Überresten der vormaligen Kaisergewalt stellte die Herrschsucht der folgenden Päpste nach und der Knecht der Knechte Gottes hatte keine größere Angelegenheit, als den Herrn der Welt so tief als möglich neben sich zu erniedrigen. 

   Die gefährlichste Stelle in der Christenheit war jetzt unstreitig der römische Kaiserthron; gegen diesen zielte die aufstrebende päpstliche Macht mit allen Donnern, die ihr zu Gebot standen, mit allen Fallstricken ihrer verborgenen Staatskunst. Deutschlands Verfassung erleichterte ihr den Sieg über seinen Oberherrn; der Glanz des kaiserlichen Namens machte ihn schimmernd. Jeder deutsche Fürst, den die Wahl seiner Mitstände auf den Stuhl der Ottonen setzte, brach eben dadurch mit dem apostolischen Stuhl. Er konnte sich als ein Opfer betrachten, das man zum Tod schmückte. Zugleich mit dem kaiserlichen Purpur musste er Pflichten übernehmen, die mit den Vergrößerungsplänen der Päpste durchaus unvereinbar waren und seine kaiserliche Ehre, sein Ansehen im Reich hing an ihrer Erfüllung. Seine Kaiserwürde legte ihm auf, die Herrschaft über Italien und selbst in den Mauern Roms zu behaupten; in Italien konnte der Papst keinen Herrn ertragen, die Italiener verschmähten auf gleiche Art das Joch des Ausländers und des Priesters. Es blieb ihm also nur die bedenkliche Wahl, entweder dem Kaiserthron von seinen Rechten zu vergeben oder mit dem Papst in den Kampf zu gehen und auf immer dem Frieden seines Lebens zu entsagen. 

   Die Frage ist der Erörterung wert, warum selbst die staatskundigsten Kaiser so hartnäckig darauf bestanden, die Ansprüche des deutschen Reichs auf Italien geltend zu machen, ungeachtet sie so viele Beispiele vor sich hatten, wie wenig der Gewinn der erstaunlichen Aufopferungen wert war, ungeachtet jeder italienische Zug von den Deutschen selbst ihnen so schwer gemacht und die nichtigen Kronen der Lombardei und des Kaisertums in jedem Betracht so teuer erkauft werden mussten. Ehrgeiz allein erklärt diese Einstimmigkeit ihres Betragens nicht; es ist höchst wahrscheinlich, dass ihre Anerkennung in Italien auf die einheimische Autorität der Kaiser in Deutschland einen merklichen Einfluss hatte und dass sie alsdann vorzüglich dieser Hilfe bedurften, wenn sie durch Wahl allein, ohne Mitwirkung des Erbrechts, auf den Thron gestiegen waren. Was auch ihr Fiskus dabei gewinnen mochte, so konnte der Ertrag des Eroberten den Aufwand der Eroberung kaum bezahlen und die Goldquelle vertrocknete, sobald sie das Schwert in die Scheide steckten. 

   Zehen Wahlfürsten, welche jetzt zum ersten Mal einen engern Ausschuss unter den Reichsständen bilden und vorzugsweise dieses Recht ausüben, versammeln sich nach dem Hinscheiden Heinrichs V. zu Mainz, dem Reich einen Kaiser zu geben. Drei Prinzen, damals die mächtigsten Deutschlands, kommen zu dieser Würde in Vorschlag: Herzog Friedrich von Schwaben, des verstorbenen Kaisers Schwestersohn, Markgraf Leopold von Österreich und Lothar, Herzog zu Sachsen. Aber die Schicksale der zwei vorhergehenden Kaiser hatten den Kaisernamen mit so vielen Schrecknissen umgeben, dass Markgraf Leopold und Herzog Lothar fußfällig und mit weinenden Augen die Fürsten baten, sie mit dieser gefährlichen Ehre zu verschonen. Herzog Friedrich allein war nun noch übrig, aber eine unbedachtsame Äußerung dieses Prinzen schien zu erkennen zu geben, dass er auf seine Verwandtschaft mit dem Verstorbenen ein Recht an den Kaiserthron gründe. Dreimal nacheinander war das Szepter des Reichs von dem Vater auf den Sohn gekommen und die Wahlfreiheit der deutschen Krone stand in Gefahr, sich in einem verjährten Erbrecht endlich ganz zu verlieren. Dann aber war es um die Freiheit der deutschen Fürsten getan; ein befestigter Erbthron widerstand den Angriffen, wodurch es dem Unruhigen Lehngeist so leicht wurde, das ephemerische Gerüst eines Wahlthrons zu erschüttern. Die arglistige Politik der Päpste hatte erst kürzlich die Aufmerksamkeit der Fürsten auf diesen Teil des Staatsrechts gezogen und sie zu lebhafter Behauptung eines Vorrechts ermuntert, das die Verwirrung in Deutschland verewigte, aber dem apostolischen Stuhl desto nützlicher wurde. Die geringste Rücksicht, welche bei dem neu aufzustellenden Kaiser auf Verwandtschaft genommen wurde, konnte die deutsche Wahlfreiheit aufs Neue in Gefahr bringen und den Missbrauch erneuern, aus dem man sich kaum losgerungen hatte. Von diesen Betrachtungen waren die Köpfe erhitzt, als Herzog Friedrich Ansprüche der Geburt auf den Kaiserthron geltend machte. Man beschloss daher, durch einen recht entscheidenden Schritt dem Erbrecht zu trotzen, besonders da der Erzbischof von Mainz, der das Wahlgeschäft leitete, hinter dem Besten des Reichs eine persönliche Rache versteckte. Lothar von Sachsen wurde einstimmig zum Kaiser erklärt, mit Gewalt herbeigeschleppt und auf den Schultern der Fürsten, unter stürmischem Beifallgeschrei, in die Versammlung getragen. Die meisten Reichsstände billigten diese Wahl auf der Stelle; nach einigem Widerstand wurde sie auch von dem Herzog Heinrich von Bayern, dem Schwager Friedrichs und von seinen Bischöfen gut geheißen. Herzog Friedrich erschien endlich selbst, sich dem neuen Kaiser zu unterwerfen. 

   Lothar von Sachsen war ein ebenso wohl denkender als tapferer und staatsverständiger Fürst. Sein Betragen unter den beiden vorhergehenden Regierungen hatte ihm die allgemeine Achtung Deutschlands erworben. Da er die vaterländische Freiheit in mehreren Schlachten gegen Heinrich IV. verfochten, so befürchtete man umso weniger, dass er als Kaiser versucht werden könnte, ihr Unterdrücker zu werden. Zu mehrerer Sicherheit ließ man ihn eine Wahlkapitulation beschwören, die seiner Macht im Geistlichen sowohl als im Weltlichen sehr enge Grenzen setzte. Lothar hatte sich das Kaisertum aufdringen lassen, dennoch machte er den Thron niedriger, um ihn zu besteigen.

   Wie sehr aber auch dieser Fürst, da er noch Herzog war, an Verminderung des kaiserlichen Ansehens gearbeitet hatte, so änderte doch der Purpur seine Gesinnungen. Er hatte eine einzige Tochter, die Erbin seiner beträchtlichen Güter in Sachsen; durch ihre Hand konnte er seinen künftigen Eidam zu einem mächtigen Fürsten machen. Da er als Kaiser nicht fortfahren durfte, das Herzogtum Sachsen zu verwalten, so konnte er den Brautschatz seiner Tochter noch mit diesem wichtigen Lehn begleiten. Damit noch nicht zufrieden, erwählte er sich den Herzog Heinrich von Bayern, einen an sich schon sehr mächtigen Fürsten, zum Eidam, der also die beiden Herzogtümer Bayern und Sachsen in seiner einzigen Hand vereinigte. Da Lothar diesen Heinrich zu seinem Nachfolger im Reich bestimmte, das schwäbisch-fränkische Haus hingegen, welches allein noch fähig war, der gefährlichen Macht jenes Fürsten das Gegengewicht zu halten und ihm die Nachfolge streitig zu machen, nach einem festen Plan zu unterdrücken strebte, so verriet er deutlich genug seine Gesinnung, die kaiserliche Macht auf Unkosten der ständischen zu vergrößern.

   Herzog Heinrich von Bayern, jetzt Tochtermann des Kaisers, nahm mit neuen Verhältnissen ein neues Staatssystem an. Bis jetzt ein eifriger Anhänger des Hohenstaufischen Geschlechts, mit dem er verschwägert war, wendete er sich auf einmal zu der Partei des Kaisers, der es zu Grund zu richten suchte. Friedrich von Schwaben und Konrad von Franken, die beiden Hohenstaufischen Brüder, Enkel Kaiser Heinrichs IV. und die natürlichen Erben seines Sohns, hatten sich alle Stammgüter des salisch-fränkischen Kaisergeschlechts zugeeignet, worunter sich mehrere befanden, die gegen kaiserliche Kammergüter eingetauscht oder von geächteten Ständen für den Reichsfiskus waren eingezogen worden. Lothar machte bald nach seiner Krönung eine Verordnung bekannt, welche alle dergleichen Güter dem Reichsfiskus zusprach. Da die Hohenstaufischen Brüder nicht darauf achteten, so erklärte er sie zu Störern des öffentlichen Friedens und ließ einen Reichskrieg gegen sie beschließen. Ein neuer Bürgerkrieg entzündete sich in Deutschland, welches kaum angefangen hatte, sich von den Drangsalen der vorhergehenden zu erholen. Die Stadt Nürnberg wurde von dem Kaiser, wiewohl vergeblich, belagert, weil die Hohenstaufen schleunig zum Entsatz herbeieilten. Sie warfen darauf auch in Speyer eine Besatzung, den geheiligten Boden, wo die Gebeine der fränkischen Kaiser liegen. 

   Konrad von Franken unternahm noch eine kühnere Tat. Er ließ sich bereden, den deutschen Königstitel anzunehmen und eilte mit einer Armee nach Italien, um seinem Nebenbuhler, der dort noch nicht gekrönt war, den Rang abzulaufen. Die Stadt Mailand öffnete ihm bereitwillig ihre Tore und Anselmo, Erzbischof dieser Kirche, setzte ihm in der Stadt Monza die lombardische Krone auf; in Toskana erkannte ihn der ganze, dort mächtige Adel als König. Aber Mailands günstige Erklärung machte alle diejenigen Staaten von ihm abwendig, welche mit jener Stadt in Streitigkeiten lebten und da endlich auch Papst Honorius II. auf die Seite seines Gegners trat und den Bannstrahl* gegen ihn schleuderte, so entging ihm sein Hauptzweck, die Kaiserkrone und Italien wurde ebenso schnell von ihm verlassen, als er darin erschienen war. Unterdessen hatte Lothar die Stadt Speyer belagert und, so tapfer auch, entflammt durch die Gegenwart der Herzogin von Schwaben, ihre Bürger sich wehrten, nach einem fehlgeschlagenen Versuch Friedrichs, sie zu entsetzen, in seine Hände bekommen. Die vereinigte Macht des Kaisers und seines Eidams war den Hohenstaufen zu schwer. Nachdem auch ihr Waffenplatz, die Stadt Ulm, von dem Herzog von Bayern erobert und in die Asche gelegt war, der Kaiser selbst aber mit einer Armee gegen sie anrückte, so entschlossen sie sich zur Unterwerfung. Auf einem Reichstag zu Bamberg warf sich Friedrich dem Kaiser zu Füßen und erhielt Gnade; auf eine ähnliche Weise erhielt sie auch Konrad zu Mühlhausen; beide unter der Bedingung, den Kaiser nach Italien zu begleiten. 

   Den ersten Kriegszug hatte Lothar schon einige Jahre vorher in dieses Land getan, wo eine bedenkliche Trennung in der römischen Kirche seine Gegenwart notwendig machte. Nachdem Honorius II. im Jahr 1130 verstorben war, hatte man in Rom, um den Stürmen vorzubeugen, welche der geteilte Zustand der Gemüter befürchten ließ, die Übereinkunft getroffen, die neue Papstwahl acht Kardinälen zu übertragen. Fünf von diesen erwählten in einer heimlich veranstalteten Zusammenkunft den Kardinal Gregor, einen ehemaligen Mönch, zum Fürsten der römischen Kirche, der sich den Namen Innocentius II. beilegte. Die drei übrigen, mit dieser Wahl nicht zufrieden, erhoben einen gewissen Peter Leonis, den Enkel eines getauften Juden, der den Namen Anaklet II. annahm, auf den apostolischen Stuhl. Beide Päpste suchten sich einen Anhang zu machen. Auf Seiten des letztern stand die übrige Geistlichkeit des römischen Sprengels und der Adel der Stadt; außerdem wusste er die italienischen Normänner, furchtbare Nachbarn der Stadt Rom, für seine Partei zu gewinnen. Innocentius flüchtete aus der Stadt, wo sein Gegner die Oberhand hatte und vertraute seine Person und seine Sache der Rechtgläubigkeit des Königs von Frankreich. Der Ausspruch eines einzigen Mannes, des Abts Bernhard von Clairvaux, der die Sache dieses Papstes für die gerechte erklärt hatte, war genug, ihm die Huldigung dieses Reichs zu verschaffen. Seine Aufnahme in Ludwigs Staaten war glänzend und reiche Schätze öffneten sich ihm in der frommen Mildtätigkeit der Franzosen. Das Gewicht von Bernhards Empfehlung, welches die französische Nation zu seinen Füßen geführt hatte, unterwarf ihm auch England und der deutsche Kaiser Lothar wurde ohne Mühe überzeugt, dass der heilige Geist bei der Wahl des Innocentius den Vorsitz geführt habe. Eine persönliche Zusammenkunft mit diesem Kaiser zu Lüttich hatte die Folge, dass ihn Lothar an der Spitze einer kleinen Armee nach Rom zurückführte. 

   In dieser Stadt war Anaklet, der Gegenpapst, mächtig, Volk und Adel gefasst, sich aufs hartnäckigste zu verteidigen. Jeder Palast, jede Kirche war Festung, jede Straße ein Schlachtfeld, alles Waffe, was das Ungefähr der blinden Erbitterung darbot. Mit dem Schwert in der Faust musste jeder Ausweg geöffnet werden und Lothars schwaches Heer reichte nicht hin, eine Stadt zu stürmen, worin es sich wie in einem unermesslichen Ozean verlor, wo die Häuser selbst gegen das Leben der verhassten Fremdlinge bewaffnet waren. Es war gebräuchlich, die Kaiserkrönung in der Peterskirche zu vollziehen und in Rom war alles heilig, was gebräuchlich war; aber die Peterskirche, wie die Engelsburg, hatte der Feind im Besitz, woraus keine so geringe Macht, als Lothar beisammen hatte, ihn verjagen konnte. Endlich nach langer Verzögerung willigte man ein, der Notwendigkeit zu weichen und im Lateran die Krönung zu verrichten. 

   Man erinnert sich, dass es die Sache des Papstes war, welche den Kaiser nach Italien führte: Als der Beschützer, nicht als ein Flehender, forderte er eine Zeremonie, welche dieser Papst ohne seinen starken Arm nimmermehr hätte ausüben können. Nichtsdestoweniger behauptete Innocentius den ganzen Papstsinn eines Hildebrands und mitten in dem rebellischen Rom, gleichsam hinter dem Schild des Kaisers, der ihn gegen die mörderische Wut seiner Gegner verteidigte, gab er diesem Kaiser Gesetze. Der Vorgänger des Lothar hatte die ansehnliche Erbschaft, welche Mathilde, Markgräfin von Thuscien, dem römischen Stuhl vermacht hatte, als ein Reichslehn eingezogen und Papst Calixtus II., um nicht aufs Neue die Aussöhnung mit diesem Kaiser zu erschweren, hatte in dem Vergleich, der den Investiturstreit endigte, ganz von dieser geheimen Wunde geschwiegen. Diese Ansprüche des römischen Stuhls auf die Mathildische Erbschaft brachte Innocentius jetzt in Bewegung und bemühte sich wenigstens, da er den Kaiser unerbittlich fand, diese anmaßlichen Rechte der Kirche für die Zukunft in Sicherheit zu setzen. Er bestätigte ihm den Genuss der Mathildischen Güter auf dem Weg der Belehnung, ließ ihn dem römischen Stuhl einen förmlichen Lehnseid darüber schwören und sorgte dafür, dass diese Vasallenhandlung durch ein Gemälde verewigt wurde, welches dem kaiserlichen Namen in Italien nicht sehr rühmlich war. 

   Es war nicht der römische Boden, nicht der Anblick jener feierlichen Denkmäler, welche ihm die Herrschergröße Roms ins Gedächtnis bringen, wo etwa die Geister seiner Vorfahren zu seiner Erinnerung sprechen konnten, nicht die Zwang auflegende Gegenwart einer römischen Prälatenversammlung, welche Zeuge und Richter seines Betragens war, was dem Papst diesen standhaften Mut einflößte; auch als ein Flüchtling, auch auf deutscher Erde, hatte er diesen römischen Geist nicht verleugnet. Schon zu Lüttich, wo er in der Gewalt eines Flehenden vor dem Kaiser stand, wo er sich diesem Kaiser für eine noch frische Wohltat verpflichtet fühlte und eine zweite noch größere von ihm erwartete, hatte er ihn genötigt, eine bescheidne Bitte um Wiederherstellung des Investiturrechts zurückzunehmen, zu welcher der hilflose Zustand des Papstes dem Kaiser Mut gemacht hatte. Er hatte einem Erzbischof von Trier, ehe dieser noch von dem Kaiser mit dem zeitlichen Teil seines Amtes bekleidet war, die Einweihung erteilt, dem ausdrücklichen Sinn des Vertrags entgegen, der den Frieden des deutschen Reichs mit der Kirche begründete. Mitten in Deutschland, wo er ohne Lothars Begünstigung keinen Schatten von Hoheit besaß, unterstand er sich, eines der wichtigsten Vorrechte dieses Kaisers zu kränken. 

   Aus solchen Zügen erkennt man den Geist, der den römischen Hof beseelte und die unerschütterliche Festigkeit der Grundsätze, die jeder Papst, mit Hintansetzung aller persönlichen Verhältnisse, befolgen zu müssen sich gedrungen sah. Man sah Kaiser und Könige, erleuchtete Staatsmänner und unbeugsame Krieger im Drang der Umstände Rechte aufopfern, ihren Grundsätzen ungetreu werden und der Notwendigkeit weichen; so etwas begegnete selten oder nie einem Papst. Auch wenn er im Elend umher irrte, in Italien keinen fußbreit Landes, keine ihm holde Seele besaß und von der Barmherzigkeit der Fremdlinge lebte, hielt er standhaft über den Vorrechten seines Stuhls und der Kirche. Wenn jede andre politische Gemeinheit durch die persönlichen Eigenschaften derer, welchen ihre Verwaltung übertragen ist, zu gewissen Zeiten etwas gelitten hat und leidet, so war dieses kaum jemals der Fall bei der Kirche und ihrem Oberhaupt. So ungleich sich auch die Päpste in Temperament, Denkart und Fähigkeit sein mochten, so standhaft, so gleichförmig, so unveränderlich war ihre Politik. Ihre Fähigkeit, ihr Temperament, ihre Denkart schien in ihr Amt gar nicht einzufließen; ihre Persönlichkeit, möchte man sagen, zerfloss in ihrer Würde und die Leidenschaft erlosch unter der dreifachen Krone. Obgleich mit jedem hinscheidenden Papst die Kette der Thronfolge abriss und mit jedem neuen Papst wieder frisch geknüpft wurde – obgleich kein Thron in der Welt so oft seinen Herrn veränderte, so stürmisch besetzt und so stürmisch verlassen wurde, so war dieses doch der einzige Thron in der christlichen Welt, der seinen Besitzer nie zu verändern schien, weil nur die Päpste starben, aber der Geist, der sie beseelte, unsterblich war. 

   Kaum hatte Lothar Italien den Rücken gewendet, als Innocentius aufs Neue seinen Gegnern das Feld räumen musste. Er floh in Begleitung des heiligen Bernhards nach Pisa, wo er den Gegenpapst und dessen Anhang auf einer Kirchenversammlung feierlich verfluchte. Dieses Anathem galt besonders dem König Roger von Sizilien, der Anaklets Sache mächtig unterstützte und durch seine reißenden Fortschritte im untern Italien den Mut dieser Partei nicht wenig erhöhte. 

   Da sich die Geschichte Siziliens und Neapels und der Normänner, seiner neuen Besitzer, mit der Geschichte dieses Jahrhunderts aufs genaueste verbindet, da uns Anna Komnena und Otto von Freysingen auf die normännischen Eroberungen aufmerksam gemacht haben, so ist es dem Zweck dieser Abhandlung gemäß, auf den Ursprung dieser neuen Macht in Italien zurück zu gehen und die Fortschritte derselben kürzlich zu verfolgen. 

   Die mittäglichen und westlichen Länder Europas hatten kaum angefangen, von den gewaltsamen Erschütterungen auszuruhen, wodurch sie ihre neue Gestalt empfingen, als der europäische Norden im neunten Jahrhundert aufs Neue den Süden ängstigte. Aus den Inseln und Küstenländern, welche heutzutage dem dänischen Szepter huldigen, ergossen sich diese neuen Barbarenschwärme*; Männer des Nordens, Normänner nannte man sie; ihre überraschende schreckliche Ankunft beschleunigte und verbarg der westliche Ozean. So lange zwar der Herrschergeist Karls des Großen das fränkische Reich bewachte, ahnte man den Feind nicht, der die Sicherheit seiner Grenzen bedrohte. Zahlreiche Flotten hüteten jeden Hafen und die Mündung jedes Stroms; mit gleichem Nachdruck leistete sein starker Arm den arabischen Korsaren im Süden und im Westen den Normännern Widerstand. Aber dieses beschützende Band, welches rings alle Küsten des fränkischen Reichs umschloss, löste sich unter seinen kraftlosen Söhnen und gleich einem verheerenden Strom drang nun der wartende Feind in das bloß gegebene Land. Alle Anwohner der Aquitanischen Küste erfuhren die Raubsucht dieser barbarischen* Fremdlinge; schnell, wie aus der Erde gespieen, standen sie da und ebenso schnell entzog sie das unerreichbare Meer der Verfolgung. Kühnere Banden, denen die ausgeraubte Küste keine Beute mehr darbot, trieben in die Mündung der Ströme und erschreckten die ahnungslosen innern Provinzen mit ihrer furchtbaren Landung. Weggeführt wurde alles, was Ware werden konnte; der Pflug ziehende Stier mit dem Pflüger, zahlreiche Menschenherden in eine hoffnungslose Knechtschaft geschleppt. Der Reichtum im innern Land machte sie immer lüsterner, der schwache Widerstand immer kühner und die kurzen Stillstände, welche sie den Einwohnern gönnten, brachten sie nur desto zahlreicher und desto gieriger zurück. 

   Gegen diesen immer sich erneuernden Feind war keine Hilfe von dem Thron zu hoffen, der selbst wankte, den eine Reihe ohnmächtiger Schattenkönige, die unwürdige Nachkommenschaft Karls des Großen, entehrte. Anstatt des Eisens zeigte man den Barbaren* Gold und setzte die ganze künftige Ruhe des Königreichs aufs Spiel, um eine kurze Erholung zu gewinnen. Die Anarchie des Lehnwesens hatte das Band aufgelöst, welches die Nation gegen einen gemeinschaftlichen Feind vereinigen konnte und die Tapferkeit des Adels zeigte sich nur zum Verderben des Staats, den sie verteidigen sollte. 

   Einer der unternehmendsten Anführer der Barbaren*, Rollo, hatte sich der Stadt Rouen bemächtigt und, entschlossen, seine Eroberungen zu behaupten, seinen Waffenplatz darin errichtet. Ohnmacht und dringende Not führten endlich Karl den Einfältigen, unter welchem Frankreich sich damals regierte, auf den glücklichen Ausweg, durch Bande der Dankbarkeit, der Verwandtschaft und der Religion sich diesen barbarischen*Anführer zu verpflichten. Er ließ ihm seine Tochter zur Gemahlin und zum Brautschatz das ganze Küstenland anbieten, welches den normännischen Verheerungen am meisten bloßgestellt war. Ein Bischof führte das Geschäft und alles, was man von dem Normann dafür verlangte, war, dass er ein Christ werden sollte. Rollo rief seine Korsaren zusammen und überließ den Gewissensfall ihrer Beurteilung. Das Anerbieten war zu verführerisch, um nicht seinen nordischen Aberglauben daran zu wagen. Jede Religion war gleich gut, bei welcher man nur die Tapferkeit nicht verlernte. Die Größe des Gewinns brachte jede Bedenklichkeit zum Schweigen. Rollo empfing die Taufe und einer seiner Gefährten wurde abgeschickt, der Zeremonie der Huldigung gemäß, bei dem König von Frankreich den Fußkuss zu verrichten. 

   Rollo verdiente es, der Stifter eines Staats zu sein; seine Gesetze bewirkten bei diesem Räubervolk eine bewundernswürdige Verwandlung. Die Korsaren warfen das Ruder weg, um den Pflug zu ergreifen und die neue Heimat wurde ihnen teuer, sobald sie angefangen hatten, darauf zu ernten. In dem gleichförmigen sanften Takt des Landlebens verlor sich allmählich der Geist der Unruhe und des Raubes, mit ihm die natürliche Wildheit dieses Volks. Die Normandie blühte unter Rollos Gesetzen und ein barbarischer* Eroberer musste es sein, der die Nachkommen Karls des Großen ihren Vasallen widerstehen und ihre Völker beglücken lehrte. Seitdem Normänner Frankreichs westliche Küste bewachten, hatte es von keiner normännischen Landung mehr zu leiden und die schimpfliche Auskunft der Schwäche wurde eine Wohltat für das Reich. 

   Der kriegerische Geist der Normänner artete in ihrem neuen Vaterland nicht aus. Diese Provinz Frankreichs wurde die Pflanzschule einer tapfern Jugend und aus ihr gingen zu verschiedenen Zeiten zwei Heldenschwärme aus, die sich an entgegengesetzten Enden von Europa einen unsterblichen Namen machten und glänzende Reiche stifteten. Normännische Glücksritter zogen südostwärts, unterwarfen das untere Italien und die Insel Sizilien ihrer Herrschaft und gründeten hier eine Monarchie, welche Rom an der Tiber und Rom an dem Bosporus zittern machte. Ein normännischer Herzog war’s, der Britannien eroberte. 

   Unter allen Provinzen Italiens waren Apulien, Kalabrien und die Insel Sizilien viele Jahrhunderte lang die beklagenswürdigsten gewesen. Hier unter dem glücklichsten Himmel Groß-Griechenlands, wo schon in den frühesten Zeiten griechische Kultur aufblühte, wo eine ergiebige Natur die hellenischen Pflanzungen mit freiwilliger Milde pflegte, dort auf der gesegneten Insel, wo die jugendlichen Staaten: Agrigent, Gela, Leontium, Syrakus, Selinus, Himera, in mutwilliger Freiheit sich brüsteten, hatten gegen Ende des ersten Jahrtausends Anarchie und Verwüstung ihren schrecklichen Thron aufgeschlagen. Nirgends, lehrt eine traurige Erfahrung, sieht man die Leidenschaften und Laster der Menschen ausgelassener toben, nirgends mehr Elend wohnen, als in den glücklichen Gegenden, welche die Natur zu Paradiesen bestimmte. Schon in frühen Zeiten stellten Raubsucht und Eroberungsbegierde dieser gesegneten Insel nach; und so wie die schöpferische Wärme dieses Himmels die unglückliche Wirkung hatte, die abscheulichsten Geburten der Tyrannei an das Licht zu brüten, hatte selbst auch das wohltätige Meer, welches diese Insel zum Mittelpunkt des Handels bestimmte, nur dazu dienen müssen, die feindseligen Flotten der Mamertiner, der Karthager, der Araber an ihre Küste zu tragen. Eine Reihe barbarischer* Nationen hatte diesen einladenden Boden betreten. Die Griechen, aus Ober- und Mittel-Italien durch Langobarden und Franken vertrieben, hatten in diesen Gegenden einen Schatten von Herrschaft gerettet. Bis nach Apulien hinab hatten sich die Langobarden verbreitet und arabische Korsaren mit dem Schwert in der Hand sich Wohnsitze darin errungen. Ein barbarisches* Gemisch von Sprachen und Sitten, von Trachten und Gebräuchen, von Gesetzen und Religionen zeugte noch jetzt von ihrer verderblichen Gegenwart. Hier sah sich der Untertan nach dem langobardischen Gesetz, sein nächster Nachbar nach dem Justinianischen, ein dritter nach dem Koran gerichtet. Derselbe Pilger, der des Morgens gesättigt aus den Ringmauern eines Klosters ging, musste des Abends die Mildtätigkeit eines Moslems in Anspruch nehmen. Die Nachfolger des heiligen Petrus hatten nicht gesäumt, ihren frommen Arm nach diesem gelobten Land auszustrecken, auch einige deutsche Kaiser die Hoheit des Kaisernamens in diesem Teil Italiens geltend gemacht und einen großen Distrikt desselben als Sieger durchzogen. Gegen Otto den Zweiten schlossen die Griechen mit den verabscheuten Arabern einen Bund, der diesem Eroberer sehr verderblich wurde. Kalabrien und Apulien traten nunmehr aufs Neue unter griechische Hoheit zurück; aber aus den festen Schlössern, welche die Sarazenen in diesem Landstrich noch inne hatten, stürzten zu Zeiten bewaffnete Scharen hervor, andere arabische Schwärme setzten aus dem angrenzenden Sizilien hinüber, welche Griechen und Lateiner ohne Unterschied beraubten. Von der fortwährenden Anarchie begünstigt, riss jeder an sich, was er konnte und verband sich, je nachdem es sein Vorteil war, mit Mohammedanern, mit Griechen, mit Lateinern. Einzelne Städte, wie Gaeta und Neapel, regierten sich nach republikanischen Gesetzen. Mehrere langobardische Geschlechter genossen unter dem Schirm einer scheinbaren Abhängigkeit von dem römischen oder griechischen Reich einer wahren Souveränität in Benevent, Capua, Salerno und andern Distrikten. Die Menge und Verschiedenheit der Oberherrn, der schnelle Wechsel der Grenze, die Entfernung und Ohnmacht des griechischen Kaiserhofs hielten dem straflosen Ungehorsam eine sichere Zuflucht bereit; Nationalunterschied, Religionshass, Raubsucht, Vergrößerungsbegierde, durch kein Gesetz gezügelt, verewigten die Anarchie auf diesem Boden und nährten die Fackel eines immerwährenden Kriegs. Das Volk wusste heute nicht, wem es morgen gehorchen würde und der Säemann war ungewiss, wem die Ernte gehörte. 

   Dies war der klägliche Zustand des untern Italiens im neunten, zehnten und elften Jahrhundert, während dass Sizilien unter arabischem Szepter einer ruhigeren Knechtschaft genoss. Der Geist der Wallfahrt, welche beim Ablauf des zehnten Jahrhunderts, der gedrohten Annäherung des Weltgerichts, in den Abendländern lebendig wurde, führte im Jahr 983 auch einige normännische Pilger, fünfzig oder sechzig an der Zahl, nach Jerusalem. Auf ihrer Heimkehr stiegen sie bei Neapel ans Land und erschienen zu Salerno, eben als ein arabisches Heer diese Stadt belagerte und die Einwohner damit beschäftigt waren, sich durch eine Geldsumme ihres Feindes zu entledigen. 

   Ungern genug hatten diese streitbaren Wallfahrer den Harnisch mit der Pilgertasche vertauscht; der alte Kriegesgeist wurde bei dem kriegerischen Anblick lebendig. Tapfere Hiebe, auf die Häupter der Ungläubigen geführt, dünkten ihnen keine schlechtere Vorbereitung auf das Weltgericht zu sein, als ein Pilgerzug nach dem heiligen Grab. Sie boten den belagerten Christen ihre müßige Tapferkeit an und man errät leicht, dass die unverhoffte Hilfe nicht verschmäht wurde. Von einer kleinen Anzahl Salernitaner begleitet, stürzt sich die kühne Schar bei Nachtzeit in das arabische Lager, wo man, auf keinen Feind gefasst, in stolzer Sicherheit schwelgt. Alles weicht ihrer unwiderstehlichen Tapferkeit. Eilfertig werfen sich die Sarazenen in ihre Schiffe und geben ihr ganzes Lager preis. Salerno hatte seine Schätze gerettet und bereicherte sich noch mit dem ganzen Raub der Ungläubigen; das Werk der Tapferkeit von sechzig normannischen Pilgern. Ein so wichtiger Dienst war der ausgezeichnetsten Dankbarkeit wert und, befriedigt von der Freigebigkeit des Fürsten zu Salerno, schiffte die Heldenschar nach Hause. 

   Das Abenteuer in Italien wurde in der Heimat nicht verschwiegen. Neapels schöner Himmel und gesegnete Erde wurde gerühmt, der nie geendigte Krieg auf diesem Boden, der dem Soldaten Beschäftigung und Ansehen, der Reichtum der Schwachen, der ihm Beute und Belohnung versprach. Mit begierigem Ohr horchte eine kriegerische Jugend. Das untere Italien sah in kurzer Zeit neue Haufen von Normännern landen, deren Tapferkeit ihre kleine Anzahl verbarg. Das milde Klima, das fette Land, die köstliche Beute waren unwiderstehliche Reizungen für ein Volk, das in seinen neuen Wohnsitzen und bei seiner neuen Lebensart das korsarische Gewerbe so schnell nicht verlernen konnte. Ihr Arm war jedem feil, der ihn dingen wollte; Fechtens wegen waren sie gekommen, gleichviel für wessen Sache sie fochten. Der griechische Untertan erwehrte sich mit dem Arm der Normänner einer tyrannischen Satrapenregierung; mit Hilfe der Normänner trotzten die langobardischen Fürsten den Ansprüchen des griechischen Hofs; Normänner stellten die Griechen selbst den Sarazenen entgegen. Lateiner und Griechen hatten ohne Unterschied Ursache, den Arm dieser Fremdlinge wechselweise zu fürchten und zu preisen. 

   In Neapel hatte sich ein Herzog aufgeworfen, dem die Tapferkeit der Normänner gegen einen Fürsten von Capua große Dienste leistete. Diese nützlichen Ankömmlinge immer fester an sich zu knüpfen, ihren hilfreichen Arm stets in der Nähe zu wissen, schenkte er ihnen Landeigentum zwischen Capua und Neapel, auf welchem Boden sie im Jahre 1029 die Stadt Aversa erbauten – ihre erste feste Besitzung auf italienischer Erde, errungen durch Tapferkeit, aber nicht durch Gewalt, vielleicht die einzig gerechte, deren sie sich zu rühmen hatten. 

   Die normannischen Ankömmlinge mehren sich, sobald eine landsmännische Stadt ihnen die gastfreien Tore öffnet. Drei Brüder, Wilhelm, der eiserne Arm, Humfred und Drogon, beurlauben sich von neun andern Brüdern und ihrem Vater Tancred von Hauteville, um in der neuen Kolonie das Glück der Waffen zu versuchen. Nicht lange rastet ihre kriegerische Ungeduld. Der griechische Statthalter von Apulien beschließt eine Landung auf Sizilien und die Tapferkeit der Gäste wird angefordert, die Gefahren dieses Feldzugs zu teilen. Ein sarazenisches Heer wird geschlagen und sein Anführer fällt unter dem eisernen Arm. Der kräftige Beistand der Normänner verspricht den Griechen die Wiedereroberung der ganzen Insel; ihr Undank gegen diese ihre Beschützer macht sie auch noch das Wenige verlieren, was auf dem festen Land Italiens noch ihre Herrschaft erkennt. Von dem treulosen Statthalter zur Rache gereizt, kehren die Normänner gegen ihn selbst die Waffen, welche kurz zuvor siegreich für ihn geführt worden waren. Die griechischen Besitzungen werden angegriffen, ganz Apulien von nicht mehr als vierhundert Normännern erobert. Mit barbarischer* Redlichkeit teilt man sich in den unverhofften Raub. Ohne bei einem apostolischen Stuhl, ohne bei einem Kaiser in Deutschland oder Byzanz anzufragen, ruft die siegreiche Schar den eisernen Arm zum Grafen von Apulien aus; jedem normannischen Streiter wird in dem eroberten Land irgendeine Stadt oder ein Dorf zur Belohnung. 

   Das unerwartete Glück der ausgewanderten Söhne Tancreds erweckte bald die Eifersucht der daheim gebliebenen. Der jüngste von diesen, Robert Guiscard (der Verschlagene), war herangewachsen und die künftige Größe verkündigte sich seinem ahnenden Geist. Mit zwei andern Brüdern machte er sich auf in das goldne Land, wo man mit den Degen Fürstentümer angelt. Gerne erlaubten die deutschen Kaiser, Heinrich II. und III., diesem Heldengeschlecht, zu Vertreibung ihres verhasstesten Feindes und zu Italiens Befreiung ihr Blut zu verspritzen. Gewonnen dünkte ihnen für das abendländische Reich, was für das morgenländische verloren war und mit günstigem Aug sahen sie die tapfern Fremdlinge von dem Raub der Griechen wachsen. Aber die Eroberungspläne der Normänner erweitern sich mit ihrer wachsenden Anzahl und ihrem Glück; der Griechen Meister, bezeigen sie Lust, ihre Waffen gegen die Lateiner zu kehren. So unternehmende Nachbarn beunruhigen den römischen Hof. Das Herzogtum Benevent, dem Papst Leo IX. erst kürzlich von Kaiser Heinrich III. zum Geschenk gegeben, wird von den Normännern bedroht. Der Papst ruft gegen sie den mächtigen Kaiser zu Hilfe, der zufrieden ist, diese kriegerischen Männer, die er nicht zu bezwingen hofft, in Vasallen des Reichs zu verwandeln, dem ihre Tapferkeit zur Vormauer gegen Griechen und Ungläubige dienen sollte. Leo IX. bedient sich gegen sie der nimmer fehlenden apostolischen Waffen. Der Fluch wird über sie ausgesprochen, ein heiliger Krieg wird gegen sie gepredigt und der Papst hält die Gefahr für drohend genug, um mit seinen Bischöfen in eigner Person an der Spitze seines heiligen Heers gegen sie zu streiten. Die Normänner achten gleich wenig auf die Stärke dieses Heers und auf die Heiligkeit seiner Anführer. Gewohnt, in noch kleinerer Anzahl zu siegen, greifen sie unerschrocken an, die Deutschen werden niedergehauen, die Italiener zerstreut, die heilige Person des Papstes selbst fällt in ihre ruchlosen Hände. Mit tiefster Ehrfurcht wird dem Statthalter Petri von ihnen begegnet und nicht anders als kniend nahen sie sich ihm, aber der Respekt seiner Überwinder kann seine Gefangenschaft nicht verkürzen. 

   Der Einnahme Apuliens folgte bald die Unterwerfung Kalabriens und des Gebietes von Capua. Die Politik des römischen Hofes, welche nach mehreren misslungenen Versuchen dem Unternehmen entsagte, die Normänner aus ihren Besitzungen zu verjagen, verfiel endlich auf den weiseren Ausweg, von diesem Übel selbst für die römische Größe Nutzen zu ziehen. In einem Vergleich, der zu Amalfi mit Robert Guiscard zustande kam, bestätigte Papst Nikolaus II. diesem Eroberer den Besitz von Kalabrien und Apulien als päpstlicher Lehn, befreite sein Haupt von dem Kirchenbann* und reichte ihm als oberster Lehnsherr die Fahne. Wenn irgendeine Macht die Tapferkeit der Normänner mit dem Geschenk dieser Fürstentümer belohnen konnte, so kam es doch keineswegs dem römischen Bischof zu, diese Großmut zu beweisen. Robert hatte kein Land weggenommen, das dem ersten Finder gehörte; von dem griechischen oder, wenn man will, von dem deutschen Reich waren die Provinzen abgerissen, welche er sich mit dem Schwert zugeeignet hatte. Aber von jeher haben die Nachfolger Petri in der Verwirrung geerntet. Die Lehnsverbindung der Normänner mit dem römischen Hof war für sie selbst und für diesen das vorteilhafteste Ereignis. Die Ungerechtigkeit ihrer Eroberungen bedeckte jetzt der Mantel der Kirche; die schwache, kaum fühlbare Abhängigkeit von dem apostolischen Stuhl entzog sie dem ungleich drückendern Joch der deutschen Kaiser und der Papst hatte seine furchtbarsten Feinde in treue Stützen seines Stuhls verwandelt. 

   In Sizilien teilten sich noch immer Sarazenen und Griechen, aber bald fing diese reiche Insel an, die Vergrößerungsbegierde der normannischen Eroberer zu reizen. Auch mit dieser beschenkte der Papst seine neuen Klienten, dem es bekanntlich nichts kostete, die Erdkugel mit neuen Meridianen zu durchschneiden und noch unentdeckte Welten auszuteilen. Mit der Fahne, welche der heilige Vater geweiht hatte, setzten die Söhne Tancreds, Guiscard und Roger, in Sizilien über und unterwarfen sich in kurzer Zeit die ganze Insel. Mit Vorbehalt ihrer Religion und Gesetze huldigten Griechen und Araber der normannischen Herrschaft und die neue Eroberung wurde Roger und seinen Nachkommen überlassen. Auf die Unterwerfung Siziliens folgte bald die Wegnahme von Benevent und Salerno und die Vertreibung des in der letztern Stadt regierenden Fürstenhauses, welches aber den kurzen Frieden mit der römischen Kirche unterbricht und zwischen Robert Guiscard und dem Papst einen heftigen Streit entzündet. Gregor VII., der gewalttätigste aller Päpste, kann einige normannische Edelleute, Vasallen und Nachbarn seines Stuhls, weder in Furcht setzen noch bezwingen. Sie trotzen seinem Bannfluch*, dessen fürchterliche Wirkungen einen heldenmütigen und mächtigen Kaiser zu Boden schlagen und eben der herausfordernde Trotz, wodurch dieser Papst die Zahl seiner Feinde vergrößert und ihre Erbitterung unversöhnlich macht, macht ihm einen Freund in der Nähe desto wichtiger. Um Kaisern und Königen zu trotzen, muss er einem glücklichen Abenteurer in Apulien schmeicheln. Bald bedarf er in Rom selbst seines rettenden Arms. In der Engelsburg von Römern und Deutschen belagert, ruft er den Herzog von Apulien zu seinem Beistand herbei, der auch wirklich an der Spitze normannischer, griechischer und arabischer Vasallen das Haupt der lateinischen Christenheit frei macht. Gedrückt von dem Hass seines ganzen Jahrhunderts, dessen Frieden seine Herrschsucht zerstörte, folgt eben dieser Papst seinen Errettern nach Neapel und stirbt zu Salerno unter dem Schutz von Hautevilles Söhnen. 

   Derselbe normännische Fürst, Robert Guiscard, der sich in Italien und Sizilien so gefürchtet machte, war das Schrecken der Griechen, die er in Dalmatien und Mazedonien angriff und selbst in der Nähe ihrer Kaiserstadt ängstigte. Die griechische Ohnmacht rief gegen ihn die Waffen und Flotten der Republik Venedig zu Hilfe, die durch die reißendsten Fortschritte dieser neuen italienischen Macht in ihren Träumen von Oberherrschaft des adriatischen Meers fürchterlich aufgeschreckt worden. Auf der Insel Cephalenia setzte endlich, früher als sein Ehrgeiz, der Tod seinen Eroberungspläne eine Grenze. Seine ansehnlichen Besitzungen in Griechenland, lauter Erwerbungen seines Degens, erbte sein Sohn Bohemund, Fürst von Tarent, der ihm an Tapferkeit nicht nachstand und ihn an Ehrsucht noch übertraf. Er war es, der den Thron der Komnener in Griechenland erschütterte, den Fanatismus der Kreuzfahrer den Entwürfen einer kalten Vergrößerungsbegierde listig dienen ließ, in Antiochien sich ein ansehnliches Fürstentum errang und allein von dem frommen Wahnsinn frei war, der die Fürsten des Kreuzheers erhitzte. Die griechische Prinzessin Anna Komnena schildert uns Vater und Sohn als gewissenlose Banditen*, deren ganze Tugend ihr Degen war, aber Robert und Bohemund waren die fürchterlichsten Feinde ihres Hauses; ihr Zeugnis reichte also nicht hin, diese Männer zu verdammen. Eben diese Prinzessin kann es dem Robert nicht vergeben, dass er, ein bloßer Edelmann und Glücksritter, Vermessenheit genug besessen, seine Wünsche bis zu einer Verwandtschaftsverbindung mit dem regierenden Kaiserhaus in Konstantinopel zu erheben. Immer bleibt es eine merkwürdige Erscheinung in der Geschichte, wie die Söhne eines unbegüterten Edelmanns in einer Provinz Frankreichs auf gut Glück aus ihrer Heimat auswandern und, durch nichts als ihren Degen unterstützt, ein Königreich zusammenrauben, Kaisern und Päpsten zugleich mit ihrem Arm und ihrem Verstand widerstehen und noch Kraft genug übrig haben, auswärtige Throne zu erschüttern. 

   Ein andrer Sohn Roberts, mit Namen Roger, war ihm in seinen kalabrischen und apulischen Besitzungen gefolgt; aber schon vierzig Jahre nach Roberts Tod erlosch sein Geschlecht. Die normannischen Staaten auf dem festen Land wurden nunmehr von der Nachkommenschaft seines Bruders in Besitz genommen, welche in Sizilien blühte. Roger, Graf von Sizilien, nicht weniger tapfer als Guiscard, aber eben so guttätig und mild, als dieser grausam und eigennützig war, hatte den Ruhm, seinen Nachkommen ein glorreiches Recht zu erfechten. Zu einer Zeit, wo die Anmaßungen der Päpste alle weltliche Gewalt zu verschlingen drohten, wo sie den Kaisern in Deutschland das Recht der Investituren entrissen und die Kirche von dem Staat gewaltsam abgetrennt hatten, behauptete ein normännischer Edelmann in Sizilien ein Regal, welches Kaiser hatten aufgeben müssen. Graf Roger drang dem römischen Stuhl für sich und seine Nachfolger in Sizilien die Bewilligung ab, auf seiner Insel die höchste Gewalt in geistlichen Dingen auszuüben. Der Papst war im Gedränge; um den deutschen Kaisern zu widerstehen, konnte er die Freundschaft der Normänner nicht entbehren. Er erwählte also den staatsklugen Ausweg, sich durch Nachgiebigkeit einen Nachbar zu verpflichten, welchen zu reizen allzu gefährlich war. Um aber zu verhindern, dass dieses zugestandene Recht ja nicht mit den übrigen Regalien vermengt würde, um den Genuss desselben im Licht einer päpstlichen Vergünstigung zu zeigen, erklärte der Papst den sizilianischen Fürsten zu seinem Legaten oder geistlichen Gewalthaber auf der Insel Sizilien. Rogers Nachfolger fuhren fort, dieses wichtige Recht unter dem Namen geborner Legaten des römischen Stuhls auszuüben, welches unter dem Namen der sizilianischen Monarchie von allen nachherigen Regenten dieser Insel behauptet wurde. 

   Roger der Zweite, der Sohn des vorhergehenden, war es, der die ansehnlichen Staaten Apulien und Kalabrien seiner Grafschaft Sizilien einverleibte und sich dadurch im Besitz einer Macht erblickte, die ihm Kühnheit genug einflößte, sich in Palermo die königliche Krone aufzusetzen; dazu war weiter nichts nötig, als sein eigener Entschluss und eine hinlängliche Macht, ihn gegen jeden Widerspruch zu behaupten. Aber derselbe staatskluge Aberglaube, der seinen Vater und Oheim geneigt gemacht hatte, die Anmaßung fremder Länder durch den Namen einer päpstlichen Schenkung zu heiligen, bewog auch den Neffen und Sohn, seiner angemaßten Würde durch eben diese heiligende Hand die letzte Sanktion zu verschaffen. Die Trennung, welche damals in der Kirche ausgebrochen war, begünstigte Rogers Absichten. Er verpflichtete sich den Papst Anaklet, indem er die Rechtmäßigkeit seiner Wahl anerkannte und mit seinem Degen zu behaupten bereit war. Für diese Gefälligkeit bestätigte ihm der dankbare Prälat die königliche Würde und erteilte ihm die Belehnung über Capua und Neapel, die letzten griechischen Lehn auf italienischem Boden, welche Roger Anstalten machte zu seinem Reich zu schlagen. Aber er konnte sich den einen Papst nicht verpflichten, ohne sich in dem andern einen unversöhnlichen Feind zu erwecken. Auf seinem Haupt versammelt sich also jetzt der Segen des einen Papstes und der Fluch des andern; welcher von beiden Früchte tragen sollte – beruhte wahrscheinlich auf der Güte seines Degens. 

   Der neue König von Sizilien hatte auch seine ganze Klugheit und Tätigkeit nötig, um dem Sturm zu begegnen, der sich in den Abend- und Morgenländern wider ihn zusammenzog. Nicht weniger als vier feindliche Mächte, unter denen einzeln genommen keine zu verachten war, hatten sich zu seinem Untergang vereinigt. Die Republik Venedig, welche schon ehemals wider Robert Guiscard Flotten in See geschickt und geholfen hatte, die griechischen Staaten gegen diesen Eroberer zu verteidigen, waffnete sich aufs Neue gegen seinen Neffen, dessen furchtbare Seemacht ihr die Oberherrschaft auf dem adriatischen Busen streitig zu machen drohte. Roger hatte diese kaufmännische Macht an ihrer empfindlichsten Seite angegriffen, da er ihr eine große Geldsumme an Waren wegnehmen ließ. Der griechische Kaiser Kalojoannes hatte den Verlust so vieler Staaten in Griechenland und Italien und noch die neuerliche Wegnahme von Neapel und Capua an ihm zu rächen. Beide Höfe von Konstantinopel und Venedig schickten nach Merseburg Abgeordnete an Kaiser Lothar, dem verhassten Räuber ihrer Staaten einen neuen Feind in dem Oberhaupt des deutschen Reichs zu erwecken. Papst Innocentius, an kriegerischer Macht zwar der schwächste unter allen Gegnern Rogers, war einer der furchtbarsten durch die Geschäftigkeit seines Hasses und durch die Waffen der Kirche, die ihm zu Gebote standen. Man überredete den Kaiser Lothar, dass das normannische Reich im untern Italien und die Anmaßung der sizilianischen Königswürde durch Roger mit der obersten Gerichtsbarkeit der Kaiser über diese Länder unverträglich seien und dass es dem Nachfolger der Ottonen gebühre, der Verminderung des Reichs sich entgegenzusetzen. 

   So wurde Lothar veranlasst, einen zweiten Marsch über die Alpen zu tun und gegen König Roger von Sizilien einen Feldzug zu unternehmen. 

   Seine Armee war jetzt zahlreicher, die Blüte des deutschen Adels war mit ihm und die Tapferkeit der Hohenstaufen kämpfte für seine Sache. Die lombardischen Städte, von jeher gewohnt, ihre Unterwürfigkeit nach der Stärke der Kriegsheere abzuwägen, mit welchen sich die Kaiser in Italien zeigten, huldigten seiner unwiderstehlichen Macht und ohne Widerstand öffnete ihm die Stadt Mailand ihre Tore. Er hielt einen Reichstag in den roncalischen Feldern und zeigte den Italienern ihren Oberherrn. Darauf teilte er sein Heer, dessen eine Hälfte unter der Anführung Herzog Heinrichs von Bayern in das Toskanische drang, die andere unter dem persönlichen Kommando des Kaisers, längs der adriatischen Seeküste, geraden Weges gegen Apulien anrückte. Der griechische Hof und die Republik Venedig hatten Truppen und Geld zu dieser Kriegsrüstung hergeschossen. Zugleich ließ die Stadt Pisa, damals schon eine bedeutende Seemacht, eine kleine Flotte dieser Landarmee folgen, die feindlichen Seeplätze anzugreifen. 

   Jetzt schien es um die normannische Macht in Italien getan und nicht ohne Teilnehmung sieht man das Gebäude, an welchem die Tapferkeit so vieler Helden gearbeitet, welches das Glück selbst so sichtbar in Schutz genommen hatte, sich zu seinem Untergang neigen. Glorreiche Erfolge krönen den ersten Anfang Lothars. Capua und Benevent müssen sich ergeben. Die apulischen Städte Trani und Bari werden erobert; die Pisaner bringen Amalfi, Lothar selbst die Stadt Salerno zur Übergabe. Eine Säule der normännischen Macht stürzt nach der andern, und von dem festen Land Italiens vertrieben, bleibt dem neuen König nichts übrig, als in seinem Erbreich Sizilien eine letzte Zuflucht zu suchen. 

   Aber es war das Schicksal von Tancreds Geschlecht, dass die Kirche mit und ohne ihren Willen für sie arbeiten sollte. Kaum war Salerno erobert, so nimmt Innocentius diese Stadt als ein päpstliches Lehn in Anspruch und ein lebhafter Zank entspinnt sich darüber zwischen diesem Papst und dem Kaiser. Ein ähnlicher Streit wird über Apulien rege, über welche Provinz man übereingekommen war, einen Herzog zu setzen, dessen Belehnung, als das Zeichen der obersten Hoheit, Innocentius gleichfalls dem Kaiser Lothar streitig macht. Um einen dreißigtägigen verderblichen Streit zu beendigen, vereinigt man sich endlich in der sonderbaren Auskunft, dass beide, Kaiser und Papst, bei dem Belehnungsakt dieses Herzogs berechtigt sein sollten, zu gleicher Zeit die Hand an die Fahne zu legen, die dem Vasallen bei der Huldigungsfeierlichkeit von dem Lehnsherrn übergeben wurde. 

   Während dieses Zwiespalts ruhte der Krieg gegen Roger oder wurde wenigstens sehr lässig geführt und dieser wachsame tätige Fürst gewann Zeit, sich zu erholen. Die Pisaner, unzufrieden mit dem Papst und den Deutschen, führten ihre Flotte zurück; die Dienstzeit der Deutschen war zu Ende, ihr Geld verschwendet und der feindselige Einfluss des neapolitanischen Himmels fing an, die gewohnte Verheerung in ihrem Lager anzurichten. Ihre immer lauter werdende Ungeduld rief den Kaiser aus den Armen des Siegs. Schneller noch, als sie gewonnen worden, gingen die meisten der gemachten Eroberungen nach seiner Entfernung verloren. Noch in Bononien musste Lothar die niederschlagende Nachricht hören, dass Salerno sich an den Feind ergeben, dass Capua erobert und der Herzog von Neapel selbst zu den Normännern übergetreten sei. Nur Apulien wurde durch seinen neuen Herzog mit Hilfe eines zurückgebliebenen deutschen Korps standhaft behauptet und der Verlust dieser Provinz war der Preis, um welchen Roger seine übrigen Länder gerettet sah. 

   Nachdem der normännische Papst Anaklet gestorben und Innocentius alleiniger Fürst der Kirche geworden war, hielt er im Lateran eine Kirchenversammlung, welche alle Dekrete des Gegenpapstes für nichtig erklärte und seinen Beschützer Roger abermals mit dem Bannfluch* belegte. Innocentius zog auch, nach dem Beispiel des Leo, in Person gegen den sizilianischen Fürsten zu Feld, aber auch er musste, wie sein Vorgänger, diese Verwegenheit mit einer gänzlichen Niederlage und dem Verlust seiner Freiheit bezahlen. Roger aber suchte als Sieger den Frieden mit der Kirche, der ihm umso nötiger war, da ihn Venedig und Konstantinopel mit einem neuen Angriff bedrohten. Er erhielt von dem gefangenen Papst die Belehnung über sein Königreich Sizilien; seine beiden Söhne wurden als Herzoge von Capua und Apulien anerkannt. Er selbst sowohl als diese mussten dem Papst den Vasalleneid leisten und sich zu einem jährlichen Tribut an die römische Kirche verstehen. Über die Ansprüche des deutschen Reichs an diese Provinzen, um derentwillen doch Innocentius selbst den Kaiser wider Roger bewaffnet hatte, wurde bei diesem Vergleich ein tiefes Stillschweigen beobachtet. So wenig konnten die römischen Kaiser auf die päpstliche Redlichkeit zählen, wenn man ihres Arms nicht benötigt war. Roger küsste den Pantoffel seines Gefangenen, führte ihn nach Rom zurück und Friede war zwischen den Normännern und dem apostolischen Stuhl. Kaiser Lothar selbst hatte auf der Rückkehr nach Deutschland im Jahr 1137 in einer schlechten Bauernhütte zwischen dem Lech und dem Inn sein mühe- und ruhmvolles Leben geendigt. 

   Unfehlbar war der Plan dieses Kaisers gewesen, dass ihm sein Tochtermann, Herzog Heinrich von Bayern und Sachsen, auf dem Kaiserthron folgen sollte, wozu er wahrscheinlich noch bei seinen Lebzeiten Anstalten zu machen gesonnen gewesen war. Aber ehe er einen Schritt deswegen tun konnte, überraschte ihn der Tod. 

   Heinrich von Bayern hatte die Fürsten Deutschlands mit vielem Stolz behandelt und war ihnen auf dem italienischen Feldzug sehr gebieterisch begegnet. Auch jetzt, nach Lothars Tod, bemühte er sich nicht sehr um ihre Freundschaft und machte sie dadurch nicht geneigt, ihre Wahl auf ihn zu richten. Ganz anders betrug sich Konrad von Hohenstaufen, der den Zug nach Italien mitgemacht und auf demselben die Fürsten, besonders den Erzbischof von Trier, für sich einzunehmen gewusst hatte. Außerdem schwebte die kürzlich festgesetzte Wahlfreiheit des deutschen Reichs den Fürsten noch zu lebhaft vor Augen und alles kam jetzt darauf an, den geringsten Schein einer Rücksicht auf das Erbrecht bei der Kaiserwahl zu vermeiden. Heinrichs Verwandtschaft mit Lothar war also ein Beweggrund mehr, ihn bei der Wahl zu übergehen. Zu diesem allem kam noch die Furcht vor seiner überwiegenden Macht, welche, mit der Kaiserwürde vereinigt, die Freiheit des deutschen Reichs zugrunde richten konnte. 

   Jetzt also sah man auf einmal das Staatssystem der deutschen Fürsten umgeändert. Die Welfische Familie, welcher Heinrich von Bayern angehörte, unter der vorigen Regierung erhoben, musste jetzt wieder herabgesetzt werden und das Hohenstaufische Haus, unter der vorigen Regierung zurückgesetzt, sollte wieder die Oberhand gewinnen. Der Erzbischof von Mainz war eben gestorben, und die Wahl eines neuen Erzbischofs sollte der Wahl des Kaisers billig vorangehen, da der Erzbischof bei der Kaiserwahl eine Hauptrolle spielte. Weil aber zu fürchten war, dass das große Gefolge von sächsischen und bayerischen Bischöfen und weltlichen Vasallen, mit welchen Heinrich auf den Wahltag würde angezogen kommen, die Überlegenheit der Stimmen auf seine Seite neigen möchte, so eilte man – wenn es auch eine Unregelmäßigkeit kosten sollte – vor seiner Ankunft die Kaiserwahl zu beendigen. Unter der Leitung des Erzbischofs von Trier, der dem Hohenstaufischen Hause vorzüglich hold war, kam diese in Koblenz zustande (1137). Herzog Konrad wurde erwählt und empfing auch sogleich zu Aachen* die Krone. So schnell hatte das Schicksal gewechselt, dass Konrad, den der Papst unter der vorigen Regierung mit dem Bann* belegte, sich jetzt dem Tochtermann eben des Lothar vorgezogen sah, der für den römischen Stuhl doch so viel getan hatte. Zwar beschwerten sich Heinrich und alle Fürsten, welche bei der Wahl Konrads nicht zu Rat gezogen worden, laut über diese Unregelmäßigkeit; aber die allgemeine Furcht vor der Übermacht des Welfischen Hauses und der Umstand, dass sich der Papst für Konrad erklärt hatte, brachte die Missvergnügten zum Schweigen. Heinrich von Bayern, der die Reichsinsignien in Händen hatte, lieferte sie nach einem kurzen Widerstand aus.

   Konrad sah ein, dass er dabei noch nicht stillstehen könne. Die Macht des Welfischen Hauses war so hoch gestiegen, dass es ebenso gefährliche Folgen für die Ruhe des Reiches haben musste, dieses mächtige Haus zum Feind zu haben, als die Erhebung desselben zur Kaiserwürde für die ständische Freiheit gehabt haben würde. Neben einem Vasallen von dieser Macht konnte kein Kaiser ruhig regieren, und das Reich war in Gefahr, von einem bürgerlichen Krieg zerrissen zu werden. Man musste also die Macht desselben wieder heruntersetzen und dieser Plan wurde von Konrad III. mit Standhaftigkeit befolgt. Er lud den Herzog Heinrich nach Augsburg vor, um sich über die Klagen zu rechtfertigen, die das Reich gegen ihn habe. Heinrich fand es bedenklich zu erscheinen und nach fruchtlosen Unterhandlungen erklärte ihn der Kaiser auf einem Hoftag zu Würzburg in die Reichsacht; auf einem andern zu Goslar wurden ihm seine beiden Herzogtümer Sachsen und Bayern abgesprochen. 

   Diese raschen Urteile wurden von ebenso frischer Tat begleitet. Bayern verlieh man dem Nachbar desselben, dem Markgrafen von Österreich; Sachsen wurde dem Markgrafen von Brandenburg, Albrecht der Bär genannt, übergeben. Bayern gab Herzog Heinrich auch ohne Widerstand auf, aber Sachsen hoffte er zu retten. Ein kriegerischer, ihm ergebener Adel stand hier bereit, für seine Sache zu fechten und weder Albrecht von Brandenburg, noch der Kaiser selbst, der gegen ihn die Waffen ergriff, konnten ihm dieses Herzogtum entreißen. Schon war er im Begriff, auch Bayern wieder zu erobern, als ihn der Tod von seinen Unternehmungen abrief und die Fackel des Bürgerkriegs in Deutschland verlöschte. Bayern erhielt nun der Bruder und Nachfolger des Markgrafen Leopold von Österreich, Heinrich, der sich im Besitz dieses Herzogtums durch eine Heiratsverbindung mit der Witwe des verstorbenen Herzogs, einer Tochter Lothars, zu befestigen glaubte. Dem Sohn des Verstorbenen, der nachher unter dem Namen Heinrichs des Löwen berühmt wurde, wurde das Herzogtum Sachsen zurückgegeben, wogegen er auf Bayern Verzicht tat. So beruhigte Konrad auf eine Zeitlang die Stürme, welche Deutschlands Ruhe gestört hatten und noch gefährlicher zu stören drohten – um in einem törichten Zug nach Jerusalem der herrschenden Schwachheit seines Jahrhunderts einen verderblichen Tribut zu bezahlen. 


Anmerkung des Herausgebers. Eine Fortsetzung dieser Abhandlung hat im vierten Band der historischen Memoires (erste Abteilung) Herr Geheimer Legationsrat von Woltmann geliefert, welcher im Jahr 1795, als damaliger Professor in Jena, sich mit Schiller zur Herausgabe der ersten Abteilung dieser Memoires verband. 


1) Anmerkung des Herausgebers: Im dritten Band der historischen Memoires (erste Abteilung) findet sich diese Abhandlung, aber ungeendigt. Die Fortsetzung unterblieb wegen der damaligen Krankheit des Verfassers.